Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Ein verändertes Land: Sambia unter Präsident Lungu

Der öffentliche Raum in Sambia schrumpft mehr und mehr. Politische Veranstaltungen werden untersagt oder gestoppt und Oppositionspolitiker inhaftiert. In einem Interview sagte Josephs Akafumba, Vizepräsident des 2016 gegründeten National Democratic Congress NDC, Sambia sei sehr unglücklich gewesen, einen Führer gewählt zu haben, der nur darauf aus sei, seine finanzielle Basis täglich größer und größer werden zu lassen.

Er muss es wissen, war er doch selbst Vorsitzender der regierenden Patriotic Front PF in der Südprovinz. Anlass seiner Aussage war die Tatsache, dass die Regierung angesichts der Haushaltssituation keine Gehälter von medizinischem, militärischem und pädagogischem Personal oder anderen öffentlichen Bediensteten bezahlen kann. Dies ist besonders dramatisch, da viele Großfamilien auf diese Gehälter angewiesen sind, weil durch die Dürren die letzten Ernten schlecht ausgefielen. Dies ist für Sambia das erste Mal in der Geschichte, dass Angestellte im öffentlichen Dienst keine Löhne bekommen - egal wie schlecht das Land finanziell dastand.

Sambia hat in den letzten Jahren viel Geld in Infrastrukturprojekte gesteckt, die die Opposition als bloße Vorzeigeprojekte abtut. Doch auch wenn einige der Projekte durchaus sinnvoll sind, so ist die Frage berechtigt, wie die dafür aufgenommenen Kredite zurückbezahlt werden können. Die Zivilgesellschaft, vorne weg JCTR[1], fordern seit langem, dass Rücklagen gebildet werden, um 2020 gewappnet zu sein, wenn die Eurobonds reif für die Rückzahlung sein werden. Bisher hat die Regierung darauf nicht reagiert. Doch ein weit größeres Problem ist die mit den abgeschlossenen Projekten einhergehende Korruption, die die Kosten  - und damit auch die Rückzahlungssumme  - enorm in die Höhe getrieben hat.

Die Regierung möchte nicht, dass normale Menschen den Staatshaushalt verstehen und kritisch hinterfragen, so die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Laura Miti. Deshalb hat sie in Lusaka eine Organisation gegründet, die genau dem entgegenwirkt: es geht ihr um Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürger*innen. Damit diese einklagbar ist, werden Menschen in ärmeren Stadtvierteln darin geschult, den Staatshaushalt oder das kommunale Budget zu lesen und zu interpretieren. So sind sie in der Lage, konkrete Forderungen zu stellen, die ihr Leben tatsächlich verbessern könnten.

Denn, so Miti, es gibt keinen Grund dafür, dass sich die Situation allgemein verschlechtert, dass weniger für Bildung ausgeben wird oder die Menschen tatsächlich immer ärmer werden, außer schlechte Regierungsführung.

Die Regierungspartei ist mehr mit sich selbst beschäftigt. Die Grabenkämpfe innerhalb der Patriotic Front PF sind seit ihrer Übernahem der Regierungsgeschäfte nicht weniger geworden. Der verstorbenen Präsident Sata war schon 2011 krank gewesen. Während seiner immer häufigeren krankheitsbedingten Abwesenheiten führte der damalige Verteidigungsminister und PF Generalsekretär Edgar Lungu die Regierungsgeschäfte und nicht der Vizepräsident Guy Scott. Dieser wurde parteiintern daran gehindert, da nicht beide Elternteile ins Sambia geboren worden waren und so wurde Edgar Lungu zum Interimspräsidenten ernannt, bis zur Wahl 2015, die er auch gewann. Doch Lungu ist unpopulär beim Volk und daher wird angenommen, dass er hat die Wahl 2016 höchstwahrscheinlich nicht ohne Wahlbetrug gewonnen. „Für uns ist  das keine wirklich legale Regierung“, so Miti. Gleichzeitig ist die Opposition aber sehr schwach und zersplittert.

Lungu selbst ist aber auch ein schwacher Präsident. Er genießt einerseits die Macht, hat aber noch nicht einmal den Rückhalt in seinem eigenen Wahlbezirk erhalten. Daher wird seine eigentliche Machtlosigkeit durch Akkumulation von Reichtum und Klientelismus verschleiert. Das kann allerdings sehr gefährlich werden, da er keinen wirklichen Zugriff auf die Sicherheitskräfte hat.

Die sozio-ökonomische Lage wird von Tag zu Tag schlechter, doch darüber wird nicht gesprochen. Miti berichtet, dass die wenigsten einfachen Sambier*innen das Land verlassen und in den Nachbarländern ihr Glück versuchen wie etwa die Menschen in Simbabwe.  Es sind schon eher die gut ausgebildete junge Leute aus der Mittelschicht, die keine Chance haben, einen Job zu bekommen.

Die soziale Situation ist dramatisch, dies zeigt sich besonders in der Kriminalität unter Kindern und Jugendlichen. Polizei ist unfähig, auf die große Brutalität adäquat zu reagieren. Die Jugendbanden, wie etwa die „fluffy boys“, terrorisieren die Townships, meist unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. Viele Eltern können die Schulgebühren von 150 USD pro Jahr nicht mehr aufbringen, so dass die Kinder als Schulabbrecher*innen auf der Straße stehen, ohne je die Chance zu bekommen, ein „normales“ Leben zu führen.

Die politische Einflussnahme hat auch viele politische und zivilgesellschaftliche Institutionen zerstört und Misstrauen gesät.

Sambia leidet darunter, dass es den Nachbarländern wie etwa DRC oder Simbabwe deutlich schlechter geht. „Wir müssen uns mit uns selbst vergleichen, was wir hatten, wie sich die Situation in den letzten Jahren dramatisch zum Schlechten verändert hat;“ betont Miti. Derzeit kann in Sambia nur eine Kernfamilie vom Gehalt leben, nicht jedoch eine erweiterte Familie, für die sich die Menschen aber verantwortlich fühlen. Rund 10 bis 15 Prozent eines Gehaltes fliest etwa in das Wohlfahrtssystem. Die Familien tragen Lasten, die eigentlich der Staat und damit die Gemeinschaft tragen müsste. Aus einem rechtsbasierten Ansatz wird die Abhängigkeit von der Großzügigkeit und dem guten Willen anderer. Dabei bleibt die Würde der Menschen auf der Strecke.

Die Antwort auf diese Misere kann eigentlich nur eine Massenbewegung sein, in dem die normalen Sambier*innen sich ihr Land zurückerobern. Die Parteien müssen vor der Bevölkerung und ihrer Reaktion „Angst haben“, so Miti.

Doch anscheinend zeichnet sich keine Persönlichkeit mit Führungsqualitäten ab, die eine solche Massenbewegung verkörpern oder eine Alternative darstellen könnte.

 

 


[1] siehe KASA Tagungsdokumentation 2015 und 2017