Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

PilAto: Ein Musiker, der ausspricht, was viele in Sambia nur denken.

PilAto[1] ist einer der bekanntesten Musiker*innen und Aktivist*innen in Sambia. Seine Lieder sind im ganzen Land bekannt und laufen trotzdem kaum im Radio oder Fernsehen. Grund dafür ist die zunehmend autokratische Regierung geführt von Präsident Edgar Lungu, welche die Meinungs- und Kunstfreiheit von Musiker*innen wie PilAto untergräbt und sogar ungerechtfertigte Gefängnisstrafen für zu kritische Texte verhängt. Warum er trotzdem weitermacht, was ihn dabei motiviert und vieles mehr, darüber habe ich in einem kurzen Gespräch mit ihm geredet.

Aufgewachsen ist PilAto (36) in Ndola, einer Großstadt im sambischen Copperbelt, wo er vor rund 20 Jahren mit der Musik anfing und seinen ersten Song über die Vielfalt und Liebe zu seinen Freunden und Freundschaften fürs Leben schrieb. Er hörte damals durch seinen Vater viel Country-Musik, aber auch Reggae, Sting, Coldplay, Kanye West und vor allem viel sambische Musik. Diese Vielfalt spiegelt sich auch heute noch in seinen Liedern wider, die neben Hip-Hop auch viele andere Elemente wie zum Beispiel die sambischen Klänge der Kalindula Gitarre miteinander vereint. Auch sein neuestes Lied ist ein Cover des Country Songs „Coward of the County“ von Kenny Rodgers, welches er in seine Muttersprache Bemba umgedichtet („Chakolwa mu shanty“) und mit einer klaren Botschaft an Präsident Lungu versehen hat: „You don’t have to steal to be a man.“ Mit „Chakolwa mu shanty“ macht er auch auf die Korruption, Misswirtschaft und Grundrechtsverletzungen des „Mini-Diktators“ Lungu aufmerksam.

Worüber singt PilAto in seinen Liedern?

Es sind genau diese Lieder, mit denen er den Finger in die Wunde legt und die Regierung immer wieder verärgert. Dabei wurde er in der Vergangenheit schon mehrere Male unrechtmäßig inhaftiert, nachdem er entweder das Lungu-Regime in seinen Liedern kritisierte oder friedliche Proteste mit anderen Aktivist*innen abhielt. Einmal musste er sogar, wegen konkreten Morddrohungen von regierungsnahen Kadern nach Südafrika fliehen. Ein anderes Mal bestand der konkrete Verdacht, dass seine Kinder entführt werden könnten.

„Antu aganiza, naku voter nikwa chani? Tina voter ba PF manje lelo ba ganisa.“ - „Die Leute fragten sich, wozu wählen wir überhaupt? Wir haben die PF gewählt, und jetzt verkaufen sie Sambia.“

Den ersten großen Aufruhr gab es im Jahr 2015, nach der Veröffentlichung des Liedes „Alungu Anabwela“ indem er beschreibt, wie unerfahren Lungu war als er Präsident wurde und wie enttäuscht viele Leute in Sambia waren, nachdem sich abzeichnete wie Lungus Partei, die Patriotic Front (PF) Sambia in Zukunft regieren würde.

Zwei Jahre später erhielt er für sein Lied „Koswe Mumpoto“ („Ratte im Topf“) Gewalt- und Mordandrohungen, weshalb er für kurze Zeit nach Südafrika floh. Bei seiner Rückkehr wurde er jedoch direkt festgenommen. Auch wenn implizit erkennbar ist, auf wen der Song tatsächlich anspielt, werden keinerlei Namen genannt und es fallen auch keine Beleidigungen. Vielmehr wird auf die Art und Weise aufmerksam gemacht, wie Präsident Lungu das Land regiert: „Eine Ratte hat unser Haus betreten. Sie ist damit beschäftigt zu stehlen und glaubt, dass wir sie nicht hinterfragen.“

Ähnlich erging es auch Sambias stärkstem Oppositionsführer Hakainde Hichilema, der 2017 verhaftet wurde, weil er dem Präsidenten angeblich die Vorfahrt nahm. Eigenen Berichten zufolge wurde er im Gefängnis auch misshandelt und gefoltert.

Nach seiner Zeit in Südafrika hätte PilAto durch seine Popularität theoretisch überall in Sambia auftreten können. Allerdings wurden seine Shows immer wieder von den politischen Kadern unterbrochen. Mittlerweile kann er kaum noch öffentlich in Erscheinung treten, weil seine Auftritte selten friedlich verlaufen. Außerdem ist es den Radio- und Fernsehsendern verboten, seine Lieder zu spielen. Es gebe nur noch wenige Sender und DJs, die mutig genug seien, sich dem zu widersetzen. Dennoch, berichtet PilAto, hören viele Sambier*innen seine Lieder im Privaten und laden sie heimlich runter. Außerdem habe er seine eigene Webseite eingerichtet, auf der sein letztes Album für jeden frei zugänglich sei. Generell ist das Internet für ihn momentan der wichtigste Kommunikationsweg, um seine Fans zu erreichen. Trotz des ganzen Gegenwindes findet er immer wieder neue Mittel, um sich Gehör zu verschaffen.

“Criminals must run away from me!”

Aber was treibt Aktivist*innen wie PilAto an, immer wieder kritische Texte zu schreiben, obwohl er genau weiß, welche Folgen dies für ihn haben könnte?

Auf diese Frage antwortete er ganz entschlossen:

I think for me it’s because of a conviction that I have, that a better society is possible. I strongly feel, I strongly believe that we still have power to create a better society. A better society for ourselves and a better society for the children that will come afterwards. And because we have what it takes, we have what we need to build a better society. I do not think I would have found a reason good enough to convince me otherwise.

And also, my accepting the responsibility that only us can build a better society. We shouldn’t expect people from elsewhere to come and build this society for us. We must build it.

But also, I have come to learn that if we are discussing inequality, if we are discussing injustices, there is always a group of people that benefits from injustice and if we stand up against an injustice the people that benefits from this injustice will also stand to fight us. When we speak against inequality, when we speak against corruption, it is the people that benefit from corruption that will arrest us. So we get arrested, we get intimidated, we get attacked, not by abstract figures but by people that we know, people that we voted for, people that get paid and benefit from corruption.

So, I do not think that it is within my power to run away from criminals, criminals must run away from me. Because they are stealing from me, they are stealing from us as a people. And when criminals find peace to steal in my presence then it means that I am not doing much. I am not being meaningful in society. […] If I am at peace with them, then I am the problem.”

Aus diesen Gründen ist PilAto, neben seiner Karriere als Musiker, auch Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation People‘s Action for Accountability and Good Governance in Zambia (PAAGZ) welche unter anderem Workshops und Trainings für junge Kunstschaffende in Sambia zu den Themen „Management öffentlicher Ressourcen“ und „gesellschaftliche Verantwortung“ anbietet. Dies sei der beste Weg, um jungen Menschen ihre zivilgesellschaftlichen Aufgaben näher zu bringen und führende Politiker*innen für deren Fehler zur Verantwortung zu ziehen.

PilAto als Präsident?

Er selbst will aber vorerst nicht politisch aktiv werden wie beispielsweise sein Künstlerkollege Bobi Wine aus Uganda, der bei den letzten Wahlen Ugandas Präsident Museveni herausgefordert hatte und viele junge Menschen politisch mobilisieren konnte. Auch wenn einige in PilAto den nächsten Bobi Wine bereits sehen, antwortet er auf meine Frage nach einer möglichen politischen Karriere ganz eindeutig: „Ahhh Nope Nope Nope Nope Nope Nope Nope!“, bevor er zu seiner Erklärung ansetzt. Politische Macht sei zwar wichtig, um etwas zu bewegen, es sei aber nicht der einzige Weg um einen Wandel voranzutreiben. Dennoch schließt er eine politische Karriere nicht gänzlich aus und ergänzt, dass er vielleicht darüber nachdenken würde, wenn er feststellen sollte, dass sein Einfluss als sambischer Bürger und Künstler zu keinen großen Erfolgen führt.

Trotzdem habe ich ihn später noch gefragt, was seine erste Amtshandlung als neuer Präsident wäre. Darauf antwortete er, dass er als erstes den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und guter Gesundheitsversorgung sicherstellen würde, weil dies die Bereiche seien, in denen erste Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten sichtbar würden.

Und auch seine Rolle in den anstehenden Wahlen dieses Jahr hat er bereits klar definiert. Dabei will er nicht allein im Vordergrund stehen, sondern die Arbeit mit seiner oben erwähnten Organisation weiter fortführen und sich über die Wahlen hinaus für mehr langfristige, politische Partizipation aller Sambier*innen einsetzen. Anders als andere Musiker*innen wird er dabei keinen der Kandidaten öffentlich unterstützen.

Ausbeutung der North-Western-Province

Abschließend haben wir noch kurz über die North-Western-Province (NWP) in Sambia gesprochen, welcher PilAto auf seinem letzten Album einen eigenen Song widmete. Die NWP ist die ländlichste Region des Landes und trägt durch neue, gigantische Kupferminen maßgeblich zum nationalen Wirtschaftssystem bei. Aus diesem Grund wird die Region auch „New Copperbelt“[2] genannt.

Die Gewinne fließen dabei jedoch größtenteils an internationale Rohstoffkonzerne wie Glencore aus der Schweiz oder in Infrastrukturprojekte in den Teilen des Landes, wo die Regierungspartei PF traditionell stark ist. Während in Lusaka bereits Straßen über anderen Straßen gebaut werden, so PilAto, fehle es in der NWP an den grundlegendsten Verkehrsverbindungen. Außerdem erklärt er, dass die Provinz so unfassbar reich sei, aber die Menschen vor Ort nichts von diesem Reichtum abbekämen. Während Leute von außerhalb, die besser bezahlten Jobs in den Minen bekämen, arbeite die lokale Bevölkerung weiterhin oft nur im informellen Sektor. Diese Ungerechtigkeiten wollte er mit eben diesem Lied ansprechen.

Seine Botschaft an alle Sambier*innen

Ich habe PilAto als sehr netten, witzigen und höflichen Gesprächspartner erlebt, der selbst im Zoom-Gespräch seine charakteristische Mütze auf hat und sich aus voller Überzeugung und Tatendrang für mehr Gerechtigkeit in Sambia einsetzt. Nicht umsonst wird er, der ein Sprachrohr für viele Sambier*innen ist, auch oft „The voice of the voiceless“ genannt.

Zum Ende des Interviews habe ich ihm die Frage gestellt, welche Nachricht er an alle Sambier*innen senden würde, wenn er ein riesiges Plakat im Zentrum der Hauptstadt Lusaka aufhängen könnte. Seine Antwort lautete: „The government is watching you, who is watching the government? .

 

Sebastian Laschet studiert Geographische Entwicklungsforschung Afrikas (GEFA) in Bayreuth und machte 2017/2018 einen Freiwilligendienst in Sambia. Momentan ist er für ein Praktikum bei der KASA.


[1] Der Künstlername PilAto steht für „People in lyrical Arena taking over“

[2] Der Copperbelt ist der größte städtische Ballungsraum in Sambia, dessen Wachstum hauptsächlich auf den Abbau von Kupfer zurückzuführen ist.