Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Sambia blickt trotz hoher Schulden optimistisch in die Zukunft

Die Sambia-Etappe der diesjährigen Dienstreise der KASA erstreckte sich vom 31. Oktober bis 8. November. Bis auf zwei Tage an der sambisch-simbabwischen Grenze verbrachte das Team die meisten Tage in der Hauptstadt Lusaka. Gespräche wurden nicht nur mit alten Partner:innen der KASA geführt, sondern auch mit neuen Organisationen, die sich in den letzten Jahren in einem immer autokratischer werdenden Kontext gebildet haben. Die Menschen in Sambia, besonders in den NGOs und in den sozialen Bewegungen sind sich der Schwierigkeiten ihres Landes bewusst. Dennoch blicken sie optimistisch in die Zukunft.

Wahlergebnis mit Erleichterungseffekt

Die Menschen in Sambia sind stolz darauf, im Zuge der zweiten Demokratisierungswelle auf dem afrikanischen Kontinent Anfang der 1990er Jahre einen Wechsel eingeleitet zu haben, der zur Wiedereinführung des Mehrparteiensystems geführt hat. Seitdem scheinen die demokratischen Institutionen sich zu stabilisieren. Dies bestätigte sich spätestens mit dem friedlichen Machtwechsel zwischen dem Movement for Multiparty-Democracy (MMD) und der Patriotic Front (PF) im Jahr 2011. Umso größer war der Schock nach der ebenso unerwarteten wie umstrittenen Wahl von Edgar Lungu als Präsident der PF und des Landes, als deutlich wurde, dass Sambias Weg zur Konsolidierung der Demokratie massive Angriffe bevorstand. In seiner Amtszeit zwischen Januar 2015 und August 2021 erwies sich Lungu als zunehmend autokratisch und intolerant gegenüber abweichenden Meinungen innerhalb seiner Partei und im Land. Er ließ Journalist:innen und Oppositionelle festnehmen. Dies traf besonders seinen schärfsten Widersacher und Nachfolger Hakainde Hichilema, der des Hochverrats bezichtigt wurde und aus diesem Grund von April bis August 2017 im Gefängnis war. Lungu leitete zahlreiche Verfassungsreformen für die Konsolidierung seiner persönlichen Macht ein und versuchte, die Unabhängigkeit der Justiz und des Parlaments auszuschalten und die unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen durch allerlei Einschüchterungen zum Schweigen zu bringen. Umso bemerkenswerter, dass viele Abgeordnete der Opposition und viele zivilgesellschaftliche Organisationen sich nicht einschüchtern ließen. Ihrem Mut ist es zu verdanken, dass einige der angestrebten Verfassungsreformen scheiterten. Selbst Abgeordnete der PF spürten die Frustration der Bevölkerung und verweigerten dem Präsidenten die Gefolgschaft in wichtigen Abstimmungen. Dies ermutigte zivilgesellschaftliche Organisationen dazu, ihr Engagement zu verschärfen, die Bevölkerung weiterhin aufzuklären, um durch eine starke Mobilisierung zu verhindern, dass die Wahlen zugunsten der PF manipuliert wurden. Einige lehnten sich dabei so weit aus dem Fenster, dass ein erneuter Sieg der PF und Lungus für sie den erzwungenen Weg ins Exil bedeutet hätte. All diese zivilgesellschaftliche Organisationen und die Mehrheit der Bevölkerung, die gegen Lungu und seine Partei gestimmt hatten, haben die Ankündigung der Ergebnisse der Wahlen vom 11. August 2021 mit großer Erleichterung aufgenommen. Viele Organisationen, die das KASA-Team besuchte, berichteten darüber, dass sie sich ein Leben in Sambia bei einem Wahlsieg von Lungu und seiner PF nicht wirklich vorstellen könnten, aber auch nicht wirklich wüssten, welches ein potenzielles das Exil-Land hätte sein können. Allein dafür, dass sie sich mit Exil aufgrund der eindeutigen Niederlage Lungus nicht mehr beschäftigen mussten, waren sie sehr dankbar. Aber diese Wahl war viel mehr: sie scheint neue Energien freigesetzt zu haben. Einige unserer Gesprächspartner:innen verglichen sie sogar mit einer zweiten Unabhängigkeit. So herrschte bei fast allen, mit denen wir ins Gespräch kamen, eine optimistische Grundhaltung trotz der gewaltigen Herausforderungen, vor denen das Land steht.

Sambia vor großen Herausforderungen

Fast alle unserer Gesprächspartner:innen betonten, dass sich Sambia in einer schwierigen Situation befindet. Mit dieser Beschreibung spielten sie sowohl auf externe als auch auf interne Faktoren an, die die jetzige Lage Sambias prägen. Die externen Faktoren werden dominiert von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Obwohl Sambia zu den afrikanischen Ländern gehört, die am wenigsten von der Pandemie betroffen waren und sind, leidet das Land wie fast alle Länder des Kontinents extrem unter den sozio-ökonomischen Auswirkungen. Die schwache globale Konjunktur machte sich auch hier bemerkbar mit Blick auf die Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen, von denen Sambia abhängig ist. Darüber hinaus kam zwischenzeitlich die Tourismusbranche zum Erliegen, was die Arbeitslosigkeit in den davon betroffenen Regionen steigen ließ. Von diesem Schock hat sich dieser Sektor noch nicht ganz erholt, auch wenn in den letzten drei Monaten immer mehr Tourist:innen den Weg wieder ins Südliche Afrika und damit beispielsweise auch wieder nach Livingstone gefunden haben.

Unter den internen Faktoren, die die aktuelle Situation prägen, ist vor allem die mangelnde fiskalische Disziplin zu erwähnen. „Der Wahlkampf der PF war teuer“, meinte eine unserer Gesprächspartner:innen in Lusaka. „Genutzt hat er ihnen nicht“, ergänzte eine zweite. Damit spielen sie auf die Veruntreuung der Staatsgelder für den Wahlkampf an. Die PF glaubte, alles, was sie seit 2015 versprochen und nicht realisiert hat, durch Geschenke im Wahlkampf wieder gut machen zu können. Das hat nicht funktioniert. Offensichtlich konnten sich die meisten daran erinnern, dass die Amtszeit von Edgar Lungu von zahlreichen Korruptionsskandalen begleitet wurde, in die er selbst und seine Minister direkt oder indirekt verwickelt waren und die deswegen auch ungeklärt blieben. Im Wahlkampf verwies die PF auf die großen Infrastrukturprojekte, die vor allem in den Großstädten zu sehen sind und die die Modernisierung Sambias untermauern sollten. Kritiker:innen erheben gegen diese Infrastrukturprojekte zwei Einwände: Erstens konzentrieren sie sich auf die städtischen Gebiete, was die Kluft mit ländlichen Räumen vergrößert hat. Zweitens sind es, so argumentieren sie, Infrastrukturen für die Eliten in den Städten, die keine Priorität angesichts der Probleme darstellen, mit denen manche ländliche Räume Sambias konfrontiert sind, in denen es Menschen selbst an Trinkwasser fehlt. Im Sinne der Refinanzierung der Kredite durch Erhöhung der Produktivität und der Verbindung zwischen Produktions- und Konsumzentren hätten manche landwirtschaftliche Versorgungsstraßen, Dämme, Bewässerungssysteme und Fortbildungsmöglichkeiten für Kleinbäuer:innen mehr Priorität genießen müssen als die Modernisierung des Straßennetzes in Lusaka oder der Bau eines neuen Flughafens. Äußerst kritisch gesehen wird zudem, dass diese Infrastrukturen den Weg in die Hochverschuldung gepflastert haben. So viele Details sind über die Eurobonds und chinesischen Kredite nicht bekannt, aber die zu diesen Fragen arbeitenden sambischen NGOs gehen davon aus, dass Kredite aufgenommen wurden, ohne die Mechanismen zur Mobilisierung der Rückzahlungen sicher zu stellen. Hinzu kommt, dass fast alle Projekte überteuert waren, wovon eindeutig die Führungsriege der PF profitierte. Somit fällt das Land auf die mangelnde fiskalische Disziplin zurück, die die PF-Legislaturperiode charakterisiert hat. Sie beschert Sambia eine demokratisch legitimierte Regierung, aber ohne Geld. Der Staat ist hoch verschuldet und viele Vorhaben der neuen Regierung stehen unter Finanzierungsvorbehalt.

Handeln trotz beschränkter Handlungsspielräume

Angesichts der leeren Kassen, die sie geerbt hat und der großen Erwartungen in der Bevölkerung hat die neue Koalition an der Macht in Sambia unter der Federführung der United Party for National Development (UPND) keine andere Wahl als zu vermitteln, dass sie handlungsfähig ist. Ihre ersten Schritte wurden in Sambia gelobt. So auch die Reduzierung des Lebensunterhalts des Staates, wo immer es geht, zum Beispiel durch die Minimierung der Auslandsreisen und den Verzicht auf Charterflüge. Die neue Regierung verspricht, eine bessere Mobilisierung der lokalen Ressourcen zu betreiben und die Korruption besser zu bekämpfen und dies ohne eine neue Agentur zu gründen, wie das bei früheren Regierungen immer der Fall war, sondern durch die Stärkung des vorhandenen Justizsystems. Agenturen zur Bekämpfung von Korruption haben in der Vergangenheit immer Geld gekostet, ohne für die Allgemeinheit nützlich zu sein, weil sie oft als politische Instrumente von den jeweiligen Regierungen missbraucht wurden. Für die aktuelle Regierung war die bisherige ultimative Prüfung die Bekanntgabe des ersten Haushaltjahres vom 1. Januar bis 31. Dezember 2022. Das Budget wurde in der Nationalversammlung am Freitag, dem 29. Oktober 2021, von Situmbeko Musokotwane, , Minister für Finanzen und nationale Planung vorgestellt. Der Minister präsentierte einen Haushalt von 173,0 Milliarden Kwacha unter dem Thema "Wachstum, Arbeitsplätze und Entwicklung näher an die Menschen bringen". Die makroökonomischen Ziele dieses Haushalts 2022 sind u.a. das Erreichen eines realen BIP-Wachstums von mindestens 3,5 Prozent, die Senkung der Inflation auf einen einstelligen Bereich bis Ende 2022 und innerhalb der Zielspanne von 6 bis8 Prozent bis Mitte 2023, die Erhöhung der Inlandseinnahmen auf nicht weniger als 21 Prozent des BIP, die Senkung des Haushaltsdefizits auf nicht mehr als 6,7 Prozent des BIP und die Begrenzung der inländischen Kreditaufnahme auf nicht mehr als 5,2 Prozent des BIP. Das KASA-Team erreichte Lusaka zwei Tage nach der Rede des Finanzministers im Parlament. Es war beeindruckend zu beobachten, wie breit und detailliert das Budget diskutiert wurde. Im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen und bei NGOs war die Analyse des Budgets das alles dominierende Thema. Kritik war zu hören, etwa an der Senkung der Unternehmenssteuer von 35 auf 30 % für die verarbeitende Industrie oder der Neubewertung der Mineralertragssteuer als abzugsfähige Ausgabe. Insgesamt jedoch wurde das neue Budget Sambias selbst von Gewerkschaften und NGOs als das am meisten inspirierte, progressivste und bevölkerungszentrierteste bewertet, das Sambia je erarbeitet hat. Das neue Budget sieht vor, mehr Geld als jemals zuvor in der bisherigen Geschichte Sambias an die dezentralisierten Verwaltungseinheiten zu verteilen. Sollte das realisiert werden, bleibt die Frage, ob diese die Kapazitäten aufbringen, das Geld auch abzurufen und zum Wohl der Menschen zu verwenden. Die Umsetzungsfrage stellt sich für das gesamte Budget: viele Vorhaben stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Ob es gelingt, das Geld für alles zu mobilisieren, was sich die Regierung vorgenommen, wird das erste Jahr unter der UPND zeigen. Im Moment gehen alle davon aus, dass es in Sambia nur aufwärts gehen kann.