Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: Die Verhandlungen gehen trotz Corona-Pandemie weiter

Das KASA-Team hat die diesjährige Dienstreise durch vier Länder des Südlichen Afrika unter anderem dafür genutzt, die zivilgesellschaftliche Landschaft darauf hin zu erkunden, inwiefern die handelspolitischen Fragen in ihrer Arbeit eine Rolle spielen. Hintergrund dieser Bestandsaufnahme sind die laufenden Verhandlungen um die Panafrikanische Freihandelszone, um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit der Eastern and Southern Africa Region, zu der auch Simbabwe und Sambia gehören und mit der SADC, für die nächstes Jahr eine Überprüfung bevorsteht. Diese bietet eine Chance, die negativen Auswirkungen dieses Abkommens auf kleine Produzent:innen zu evaluieren und problematische Klauseln wie die zur Begrenzung der Exportsteuern nach zu verhandeln, bevor sie in Kraft treten können. Was die ESA-EPA-Gruppe angeht, haben Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Simbabwe, mit denen wir uns ausgetauscht haben, darüber berichtet, dass etwa die Regierung Simbabwes immer wieder versichert, bereit für das umfassende Abkommen zu sein. Sie strebt zusammen mit anderen Ländern der ESA-Region an, bis Ende 2022 die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen. Es passte nur gut zu dieser Entschlossenheit, dass noch während unseres Aufenthalts in Harare eine ESA-interne Online-Klausur stattfand, bei der es um den Vergleich zwischen den eigenen Texten und denen der EU ging. Auf der Tagesordnung standen Themen wie Schutz des geistigen Eigentums, Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen, Ursprungsregeln, technische Handelshemmnisse, Handel und nachhaltige Entwicklung.

Verhandlungen mit der EU unter internen Machtkämpfen in Simbabwe

Diejenigen Mitglieder des simbabwischen zivilgesellschaftlichen Handelsnetzwerkes, die als Beobachter:innen an diesen strategischen Meetings und Verhandlungen ihrer Regierung teilnehmen, berichten darüber, dass sie nicht den Eindruck haben, dass die Unterhändler ihrer Regierung wirklich realisieren, was es für das Land langfristig bedeuten könnte, ohne Not, wie sie betonten, sich auf ein Regelwerk einzulassen, das so komplex wie weitreichend ist. In Simbabwe kommt hinzu, dass die Zuständigkeit für internationale Handelsverhandlungen vom Handels- ins Außenministerium verlagert wurde. Somit wurden die an sich bereits schwachen Verhandlungskapazitäten des Staates verstreut und eine Konkurrenz zwischen zwei Ministerien verschärft:  zum einen das Ministerium für Handel und Industrie, das noch bis vor kurzem internationale Handelsverhandlungen für Simbabwe führte und das Interimsabkommen mit der EU mitverhandelt hat, zum anderen das Außenministerium, das beauftragt wurde, die EPA-Verhandlungen dafür zu nutzen, die zerrütteten Beziehungen des Landes mit der EU zu normalisieren. Nicht nur Simbabwe hat Schwierigkeiten, die notwendigen Verhandlungskapazitäten für ein umfassendes Abkommen zu mobilisieren, sondern auch die anderen ESA-Länder. Die EU versucht, in allen Verhandlungsphasen dieses Problem zu lösen, indem sie Expert:innen zur Verfügung stellt, die in der ESA-Region Capacity Building betreiben. Die simbabwische Zivilgesellschaft ist empört darüber, dass die EU diese Rolle als Ausbilderin derer annimmt, mit denen sie verhandelt und dass die ESA-Länder das auch akzeptieren.  Unsere Partner:innen in Simbabwe und in der ganzen Region sind sehr unglücklich darüber. Sie haben nicht den Eindruck, dass die Crash-Kurse etwa von Montag bis Donnerstag so viel bringen, dass die Unterhändler:innen der ESA an den darauf folgenden Tagen auf Augenhöhe mit dem EU-Beamtenapparat verhandeln können. Ihre Sorge bezieht sich nicht nur auf die Verhandlungsphase. Sie sehen die Schwächen in den Verhandlungen als Indiz dafür, dass ihre Länder Schwierigkeiten haben werden, das Abkommen umzusetzen und einen Nutzen daraus für sich zu ziehen, wenn es denn einen geben sollte. Es ist eine Sache, Ursprungsregeln zu definieren, die als flexibel und günstig aus der Perspektive der ESA-Länder gelten, eine andere Sache, Kapazitäten zu haben, um etwa die Kumulationseffekte dieser Ursprungsregeln zielgerichtet einzusetzen. Gleiches gilt für die Schutzmechanismen gegenüber der EU. Wer heute keine klare Vorstellung davon hat, wird auch in der Umsetzungsphase nicht über die notwendigen Instrumente und Institutionen verfügen, um die erforderlichen Kontrollen durchzuführen und den Schutz des eigenen Marktes durchzusetzen.

Internationale Solidarität ist gefragt

Unsere Partner:innen glauben nicht, dass die in den Verhandlungen offenbar gewordenen Schwächen in der Umsetzungsphase kompensiert werden können. Initiativen wie etwa die der GIZ zur Finanzierung eines „EPA Awarness Funds“ zur Unterstützung der Aktivitäten nach den Verhandlungen nehmen sie mit Skepsis zur Kenntnis. Was unsere Partner:innen brauchen, ist eine Unterstützung für Recherchen über die laufenden Verhandlungen und für Aktivitäten zur Mobilisierung aller relevanten Stakeholders: Kleinbäuer*innen, Gewerkschaften und Kirchen. Mit gut recherchierten Positionspapieren und legitimiert durch breite Netzwerke können sie das Tempo und die Dynamik der Verhandlungen beeinflussen, indem sie die Handlungsspielräume nutzen, die die Regierung ihnen bietet. Das Jahr 2022 ist dafür ein entscheidendes. Deswegen ist das KASA-Team entschlossen zurückgekommen, alles in seiner Macht zu tun, um für die Partner:innen in Simbabwe, Sambia, Namibia und in Südafrika die erforderliche Unterstützung zu mobilisieren. Diese wird nicht nur im Blick auf die EPA-Verhandlungen gebraucht, sondern auch für die Mitgestaltung der Panafrikanischen Freihandelszone (AfCFTA).

Auch die AfCFTA verlangt eine Mobilisierung

Diese trat zu Beginn des Jahres 2021 in Kraft und mit ihr ist die große Erwartung verknüpft, dass ihre Umsetzung bedeutende Möglichkeiten ergibt, die zu einer positiven Veränderung vieler afrikanischer Volkswirtschaften führen werden. Größere Marktzugänge, eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, verbesserte Produktionskapazitäten, einen höheren Lebensstandard und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind einige der Vorteile, die die Freihandelszone bewirken soll.  In einigen Ländern des Kontinents und besonders des Südlichen Afrika wird euphorisch über die positiven Auswirkungen der AfCFTA gesprochen, obwohl wichtige Instrumente ihrer Umsetzung noch verhandelt werden. Es handelt sich u.a. um die Ursprungsregeln, die Zollzugeständnisse, den Online-Mechanismus zur Überwachung, Berichterstattung und Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnissen (NTB), die panafrikanische Handelsbeobachtungsstelle und das panafrikanische Zahlungs- und Abrechnungssystem. Die großen Erwartungen werden von vielen nationalen Regierungen geschürt, ohne das Unternehmertum in ihren Ländern darauf vorzubereiten, die Möglichkeiten, die das Abkommen mit sich bringt, in vollem Umfang zu nutzen. Von einer Wahrnehmung der Gefahren, die von einer verfrühten Liberalisierung des Handels innerhalb des Kontinents angesichts der Asymmetrie der Kräfteverhältnisse ausgehen und der Entwicklung von Strategien, um ihnen entgegenzuwirken, ist in vielen Regierungskreisen keine Rede. Auch die Gefahren, die durch Freihandelsabkommen afrikanischer Regionen, etwa der ESA, mit anderen Weltregionen hervorgehen, werden kaum thematisiert. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen in die Verhandlungen einmischen und Perspektiven von unten vermitteln. Dies ist umso wichtiger, als die Region des Südlichen Afrika und der gesamte Kontinent Alternativen zur Handelsliberalisierung brauchen, um gerade nach der Pandemie Mittel für die wirtschaftliche und soziale Erholung zu generieren.