Bis Ende des Jahres werden 22 afrikanische Länder in irgendeiner Form Wahlen abgehalten haben, von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bis hin zu lokalen Regierungen. Dabei waren die bisherigen Ergebnisse enorm unterschiedlich, sowohl in ihrem Ausgang als auch in ihrer Durchführung. In Tunesien etwa gewann der amtierende Präsident mit über 90 Prozent, nachdem er fast die gesamten Oppositionskandidat:innen an einer Wahl gehindert hatte. Anders im südlichen Afrika, wo drei wichtige Wahlen in diesem Jahr abgehalten wurden: In Südafrika war der Verlust der Mehrheit im Parlament für den ANC schon durch die Prognosen absehbar und sie formierten eine, wenn auch gewagte, Koalitionsregierung.[1] Die Regierungspartei in Botswana hatte ihre Abwahl nicht kommen sehen und musste das Feld der Opposition räumen. In Mosambik liefen die Wahl und die Bekanntgabe der Ergebnisse alles andere als demokratisch und friedlich ab. Die Regierungspartei erklärte sich zum Siegen, was die Opposition nicht klaglos hinnahm. Ergebnis sind massive Ausschreitungen.
Ob ein Land Wahlen abhält, sagt zunächst nicht viel über den Stand ihrer Demokratie aus – wie etwa Tunesien oder Simbabwe verdeutlichen. Dennoch sind sie ein wichtiger Indikator für die Robustheit der Institutionen eines Landes, für Rechtsstaatlichkeit und ein Barometer für die wichtigsten politischen Prioritäten seiner Bürger:innen. Laut Afrobarometer ist die Demokratie in der öffentlichen Meinung nach wie vor die beliebteste Regierungsform. Zwei Drittel der Befragten bevorzugen die Demokratie gegenüber etwa eines Einparteienstaates. Doch die Unterstützung ist im letzten Jahr um sieben Prozent zurückgegangen - in Südafrika sogar um 29 Punkte.
Botswana
Mit seinen 2,6 Millionen Einwohner:innen ist Botswana neben Namibia das bevölkerungsärmste Land im südlichen Afrika und war lange Jahre für seine stabile Regierung bekannt. Transparency International bewertete es regelmäßig als das am wenigsten korrupte Land Afrikas. Allerdings konnte die Regierung seit der Unabhängigkeit die Einkommensungleichheit nicht umkehren. Nach wie vor rangiert das Land unter den Top zehn der ungleichsten Länder der Welt. Ab etwa 2008 begannen sich die Dinge unter Präsident Ian Khama, dem Sohn des Gründungsvaters Seretse Khama, zu ändern. Seine zehnjährige Präsidentschaft war von Menschenrechtsverletzungen, Aushöhlung bürgerlicher Freiheiten und Korruptionsskandalen geprägt. Auch die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen, nahm zu.
Seit der Unabhängigkeit 1966 regierte die Botswana Democratic Party BDP mit wechselnden Präsidenten. Mokgweetsi Masisis Präsidentschaft war von einem wirtschaftlichen Einbruch infolge der COVID-19-Pandemie geprägt. Arbeitslosigkeit, Armut, wirtschaftliche Ungleichheit und Kriminalität stiegen an. Wie Khama setzte auch Masisi den Geheimdienst ein, um Rivalen und die Opposition in Schach zu halten. Menschenrechte wurden verletzt und staatliche Ressourcen für den Machterhalt missbraucht. Die BDP habe nichts Neues zu bieten, sagte der Analyst Ringisai Chikohomero vom Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria. Masisi verließ sich auf die Macht und die Möglichkeiten des präsidialen Amtes – und hat sich verkalkuliert. Die Umbrella for Democratic Change (UDC) mit dem Menschenrechtsanwalt Duma Boko als Präsidentschaftskandidat gewann die für die Regierungsbildung erforderlichen 31 von 61 Sitze. Die BDP erhielt nur 3 Mandate im Parlament. Das sagt nicht unbedingt etwas aus über den Rückhalt in der Bevölkerung, da Botswana nach dem britischen First-Past-the-Post-Wahlsystem (FPTP) wählt, bei dem die Kandidat:innen mit den meisten Stimmen in den Wahlbezirken gewinnen – the winner takes it all.
Die UDC wurde im November 2012 von Mitgliedern verschiedener Oppositionsparteien, darunter der Botswana People's Party BPP und der Botswana National Front (BNF), der Duma Boko angehört, gegründet. Nach dem dritten Anlauf wurde Boko am 1. November zum Präsidenten Botswanas erklärt. Die BDP behält trotz ihres Machtverlusts eine starke Wählerbasis, so dass sie weiterhin eine bedeutende politische Kraft bleibt. Dass Masisi ähnlich wie vor drei Jahren Lungu in Sambia das Zepter ohne Machtspielchen aus der Hand gab, spricht für stabile Institutionen und eine reife Demokratie. Doch die UDC wird in der Gunst der Wähler:innen nicht mit so viel Langmut rechnen können, wie den ehemaligen Befreiungsbewegungen auf dem Kontinent bis heute zugutekommt. In Zeiten von vermehrt populistischen Parteien ist es schwer, in vier oder fünf Jahren, die zwischen den Wahlen liegen, effektive Verbesserungen für die Bevölkerung zu erreichen angesichts der geopolitischen Gesamtlage[2].
Mosambik
Mosambik hat eine ganz andere, blutigere Geschichte als Botswana. Es erlangte 1975 mit der Befreiungsbewegung FRELIMO unter Samora Machel seine Unabhängigkeit von Portugal und führte danach einen erbitterten Bürgerkrieg. Sowohl Südafrika als auch das damalige Rhodesien (heute Simbabwe) unterstützte die RENAMO bei dem Kampf um die Macht im Land und damit um die politische Ausrichtung der Regierung Mosambiks. Erst nach einem Friedensabkommen 1992 konnte auch aus der RENAMO eine politische Partei werden, die jedoch nie ganz aufhörte, mit den Waffen als politisches Druckmittel zu drohen. Die portugiesische Kolonialzeit, der Befreiungskrieg, die prekäre Klimasituation mit abwechseln verheerenden Überschwemmungen oder Dürren und der tendenziell gewaltvolle Machterhalt der FRELIMO führte dazu, dass Mosambik zu den ärmsten Ländern Afrikas gehören.
Bei den diesjährigen Wahlen am 9. Oktober hat die Regierungspartei erneut offiziell mit fast 71 Prozent der Stimmen gewonnen und Daniel Chapo als Nachfolger Filipe Nyisis zum Präsidenten erklärt.
Dem Ergebnis der Wahlkommission zufolge schlug Chapo seinen Konkurrenten Venȃncio Mondlane von der erst 2019 gegründeten Partei PODEMOS mit mehr als 3,5 Millionen Stimmen, der Abstand zum Kandidaten von RENAMO soll fast 4,5 Millionen Stimmen betragen haben.
Die Optimistische Partei für die Entwicklung Mosambiks (portugiesisch: Partido Otimista pelo Desenvolvimento de Moçambique) ist eine Abspaltung der FRELIMO. Mondlane wollte zunächst als Kandidat der RENAMO ins Rennen gehen. Doch diese entschied sich für Ossufo Momade und Mondlane suchte nach neuer Unterstützung: Seine Wahl fiel auf die Democratic Alliance Coalition (CAD), doch nachdem diese nicht zur Wahl zugelassen wurde, trat er PODEMOS bei.
Mondlane, der wohl große Unterstützung bei der jungen Generation genießt, wurde zum Sprachrohr der Opposition, die sich um ihren Wahlsieg gebracht sah. Auch internationale Wahlbeobachtungsteams bescheinigten, dass die Wahl nicht fair verlaufen sei. Gerüchten zufolge ließ sich FRELIMO vom Nachbarland Simbabwe beim Wahlbetrug helfen. Auf dem Rechtsweg reichte Mondlane am 21. Oktober 2024 beim Verfassungsrat einen Einspruch gegen die Wahlergebnisse ein mit der Begründung, seine Partei habe 53 Prozent der Stimmen erhalten. Am selben Tag löste die Polizei eine von Mondlane geleitete Pressekonferenz und Proteste gewaltsam auf. Mondlane selbst floh daraufhin aus Sicherheitsgründen aus dem Land.
Der Boykottaufruf Mondlanes zum 14. Oktober zeigte bereits Wirkung, Maputo war eine Geisterstadt. Doch die Situation eskalierte und es kam zu landesweiten Unruhen, bei denen schätzungsweise 50 Menschen starben. Die Regierung ließ das Internet abschalten, um die Kommunikationsmöglichkeiten der Opposition und der Zivilgesellschaft einzuschränken. Damit nicht genug, wurden Mondlanes Stellvertreter und Anwalt Elvino Dias und Paulo Guambe, der stellvertretende Vorsitzende von PODEMOS auf einer der Hauptstraßen aus nächster Nähe erschossen. Elvino Dias hätte für die Opposition die Wahl vor Gericht anfechten sollen. Auch für den 7. November wurde wieder zu Demonstrationen aufgerufen. Schwer bewaffnete Polizei und Militär versuchte mit Tränengas Demonstrierende daran zu hindern, ins Stadtzentrum zu gelangen. Medienberichten zufolge wurden dabei Dutzende von Menschen getötet und Hunderte verletzt, da die Situation eskalierte.
Die Gewalt nach den Wahlen in Mosambik hat besonders auch in den Nachbarstaaten Südafrika und Simbabwe Besorgnis ausgelöst und Grenzen zu Mosambik wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. Auch Simbabwe hat Berichten zufolge seine Grenzen geschlossen.
Der Vorsitzende der AU-Kommission gab am 21. Oktober eine Erklärung ab, in der er die Tötung der beiden Oppositionspolitiker Dias und Gambe verurteilte und die mosambikanischen Behörden aufforderte, die notwendigen Ermittlungen durchzuführen und die Täter vor Gericht zu stellen. Er wies darauf hin, dass er die Entwicklung in Mosambik weiterhin aufmerksam verfolge.
Immer neue Nachrichten über weitere Demonstrationen und weitere Tote kommen aus Mosambik, ein Ende ist nicht abzusehen. Die SADC mit ihrem derzeitigen Vorsitzenden, dem simbabwischen Präsidenten Emmerson Mnangagwa, hat durch die Unterstützung der FRELIMO während der Wahlen gezeigt, auf wessen Seite sie steht und sich dadurch als Moderator oder Verhandlungsführer disqualifiziert. Die AU hat zwar Stellung bezogen, wird aber kein weiteres Druckmittel einsetzten. Südafrika hatte bereits zu erkennen gegeben, dass sie die Wahl anerkennen und mit der SADC Wahlbeobachtung, die keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte, einer Meinung seien.
Zwei Beispiele einer Wahl, wie sie im Ausgang nicht unterschiedlicher hätten sein können. Hoffnung auf eine neue Chance und auf bessere Zeiten einerseits und Chaos, Verlust von Menschenleben und Hoffnungslosigkeit auf der anderen. Wahlen sind kein Garant für die Durchsetzung demokratischer Regierungsführung!
[1] Siehe dazu ausführlicher https://archive.newsletter2go.com/?n2g=846x0hnn-vut5k3w4-iqj
[2] Siehe dazu Artikel über Sambia https://www.kasa.de/aktuell/detail/sambia-im-wuergegriff-des-privatfinanzmarkts-gefahren-fuer-die-demokratie-und-handlungsspielraeume/