Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

EU-Afrika-Gipfel im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft verschoben – Wir bleiben dran

Einer der Höhepunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollte der EU-Afrika-Gipfel sein, der für Ende Oktober in Brüssel geplant war. Wie während seiner G20-Präsidentschaft im Jahr 2017, hat sich Deutschland vorgenommen, Afrika zu einem Schwerpunkt seiner EU-Ratspräsidentschaft zu machen. Der Gipfel sollte die EU und Afrika einander näherbringen und wichtige Zeichen für eine Intensivierung der gegenseitigen Beziehungen setzen[1]. Aufgrund der neusten Entwicklungen der Corona-Pandemie mit einem erneuten Anstieg der Fallzahlen in vielen europäischen Städten, inklusive Brüssel, wurde nun der EU-Afrika-Gipfel auf nächstes Jahr verschoben.

Wir wollten diesen Gipfel, zusammen mit unseren Partnern in Europa und Afrika, zum Anlass nehmen, um die zahlreichen laufenden Prozesse, die für die EU-Afrika-Beziehungen relevant sind, zu kommentieren und Forderungen zu formulieren, die in die Lobbyarbeit fließen sollen. Es handelt sich bei diesen Prozessen zunächst um die neue EU-Afrika-Strategie. Diese soll auf eine Verstärkung der Zusammenarbeit in den fünf Schlüsselbereichen Grüne Wende, digitaler Wandel, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung, Frieden und Good Governance, Migration und Mobilität[2] abzielen. Gespräche dazu zwischen der EU und der Afrikanischen Union wurden in Gang gesetzt, und die neue gemeinsame Strategie sollte auf dem jetzt verschobenen Gipfel verabschiedet werden.

Auch die Verhandlungen zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPAs oder EPAs), die in Regionen wie West-, Ost- und Zentralafrika zum Stillstand gekommen sind, sind aktueller denn je. In der Region Östliches und Südliches Afrika (ESA)  wurden sie wieder aufgenommen, und zwar nicht nur für eine Überführung des jetzigen Interimsabkommens in ein umfassendes Abkommen, sondern auch für eine Erweiterung der Handelsbereiche, weg von der jetzigen Beschränkung auf den Warenhandel und hin zu neuen Handelsbereichen wie Dienstleistungen, Investitionsregeln und E-Commerce. Das Abkommen mit der ESA könnte zu einem Präzedenzfall für alle anderen Abkommen werden. Alle beinhalten eine Rendez-vous-Klausel, die die betroffenen Regionen zwingt, zu der bereits erwähnten neuen Generation von Handelsthemen in einem definierten Zeitraum Verhandlungen aufzunehmen. Hinzu kommt, dass die Verhandlungen um einen Postcotonou-Vertrag, der auch in diesem Jahr unterzeichnet werden sollte, ähnliche handelsbezogene Aspekte haben.

In Verbindung mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen stehen auch die Brexit-bedingten Handelsverhandlungen, die Großbritannien mit einzelnen afrikanischen Ländern führt. Gleiches gilt für die Aktivitäten der USA und Chinas auf dem Kontinent in den Bereichen Handel und Investitionen. Noch wichtiger zu erwähnen sind die binnenafrikanischen Verhandlungen für die Umsetzung der Afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA: African Continental Free Trade Area). Auch aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Inkrafttreten dieses Abkommens auf Januar 2021 verschoben. Eine substanzielle Marktöffnung nach innen muss die Auswirkungen der Öffnung nach außen berücksichtigen, die der Kontinent durch die hier skizzierten Prozesse vornimmt, will man die AfCFTA zu einem Regelwerk machen, das für Afrika selbst funktioniert.

Aus der Perspektive der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) besteht eine große Notwendigkeit, dass zivilgesellschaftliche Organisationen alle laufenden Prozesse überwachen und kritisch begleiten. Es fehlt bis jetzt an Initiativen, die diese Prozesse zusammendenken. KASA koordiniert deswegen eine kleine Gruppe von Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen aus verschiedenen afrikanischen Regionen und aus Europa, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die hier skizzierten Prozesse in den Blick zu nehmen und sich dazu zu positionieren. Die Arbeit geht weiter, auch wenn der Gipfel, der als Anlass dienen sollte, verschoben wurde.


[1]https://www.dw.com/de/deutsche-europapolitik-2020-aufbruch-20/a-51756059; https://www.euractiv.de/section/aussichten-fuer-2020/news/2020-herausforderungen-fuer-das-geopolitische-europa/

[2] https://ec.europa.eu/germany/news/2020309-eu-afrika-strategie-die-eu-setzt-auf-eine-staerkere-partnerschaft_de#:~:text=Die%20Kommission%20und%20der%20Hohe,neuen%20Strategie%20mit%20Afrika%20vorgeschlagen.&text=Afrika%20ist%20ein%20nat%C3%BCrlicher%20Partner%20und%20Nachbar%20der%20Europ%C3%A4ischen%20Union.