Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Tagung Beyond 1994. Solidarität im Wandel der Zeit am Beispiel Südafrikas.

Eine Tagung, die auf die Demokratisierung Südafrikas in den letzten 30 Jahren zurückblickt, konnte nur in Bad Boll stattfinden. Auch wenn es heute immer schwerer wird, Menschen zur Teilnahme an Präsenztagungen, die länger als einen Tag dauern, zu bewegen und ganz besonders dann, wenn sie an etwas abgelegeneren Orten stattfinden. Bad Boll ist so ein abgelegener Ort und die Tagung dauerte, wie Uli Baege bei der Zusammenfassung am Ende betonte, genau 24 Stunden. Bad Boll war während der Apartheidzeit das Zentrum kritischer Reflexion für die deutsche Anti-Apartheidbewegung – und nicht nur der kirchlichen.

Die Idee für die Tagung Anfang Dezember war, sich zu vergegenwärtigen, unter welchen nationalen, regionalen und globalen Rahmenbedingungen im Jahr 1994 – also vor 30 Jahren - die Wahlen in Südafrika stattfanden, wie diese sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben und wie sie die politische Lage bis heute beeinflussen. Die Keynote zeichnete ein breites Panorama, von den 1980er Jahren mit den ersten Verhandlungen zwischen dem ANC und der Nationalen Partei bis hin  zum Zusammenhang der Ereignisse in Europa mit dem Fall der Mauer, dem Zusammenbruch des Ostblocks – und damit auch des Sozialismus als Alternative zum kapitalistischen, neoliberalen Wirtschaftssystem. 1994 markiert eine Zäsur, insofern es die Bandbreite dessen aufzeigt, was in Südafrika hätte passieren können: auf der einen Seite der Skala steht der zeitgleich in Ruanda tobende Völkermord, auf der anderen die zapatistische Revolution in Mexiko. Diese Bandbreite wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion mit sehr persönlichen Berichten aus Ruanda, Lateinamerika, DDR und BRD weiter vertieft. Die Brücke zum zweiten Tag bildeten drei kurze Dokus mit Stimmen aus dem heutigen Südafrika, die Thabo Thindi während der Wahlen 2024 eingefangen hat. Der Höhepunkt der Tagung waren sicher die drei hervorragenden Inputs aus Südafrika, die das, was in den Dokumentarfilmen von Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Lage in Südafrika angesprochen wurde, in einen analytischen Zusammenhang brachten und eine intensive Diskussion mit den Teilnehmenden führten. In thematischen Workshops konnten diese Themen in Bezug auf unsere Möglichkeiten der Solidarität weiter ausgearbeitet werden.

Fazit der Tagung war einerseits, wie wichtig Begegnungen gerade für politische Solidaritätsarbeit sind. Ohne diese hätten die Anwesenden, die alle ihre eigene Geschichte mit Südafrika und der Partnerschafts- oder Anti-Apartheid-Arbeit mit sich brachten, sich nicht so viele Jahre engagiert. Es blieb andererseits aber offen, wie dies in Zukunft gestaltet werden kann und muss. Jede Gruppe für sich hat die Aufgabe sich zu fragen, wie sie in Zukunft weiterarbeiten will. Dafür gab die Tagung eine Vielzahl unterschiedlicher Impulse. Dass eine intensive Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten und einer Dekolonialisierung der eigenen Köpfe am Anfang steht, wurde dabei deutlich. Leider ist die intergenerationelle Diskussion, die Vermittlung des Wissens über die Geschichte an eine jüngere Generation nicht geglückt, da letztere trotz mehrmaliger Anstrengungen der Veranstalter nicht zu einer Teilnahme zu bewegen war. So blieb dieser Raum des Austausches für die an internaler Solidarität interessierten Gruppen und einzelnen Personen von der jungen Generation ungenutzt.