Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Auf Spurensuche: das Grundeinkommensprojekt in Otjivero und was aus ihm geworden ist

Kaum etwas ist enttäuschender als die Tatsache, dass der Mitbegründer des ersten weltweiten Basic Income Grant (BIG) Pilotprojekts – der damalige Bischof und jetzige Sozialminister in Namibia Zephania Kameeta – seine politische Macht nicht für die landesweite Implementierung eines Grundeinkommens einsetzen konnte. Und seine ähnlich unserer Tafeln eingerichteten food banks sind grandios gescheitert. Unabhängig davon hat dieser karitative Ansatz auch wenig gemein mit einer rechtsbasierten Geldtransferleistung, wie es ein Grundeinkommen vorsieht. Aber Schuld an dieser Misere ist nicht nur Minister Kameeta. Die BIG-Koalition war trotz der guten Ergebnisse ihres Projektes nicht in der Lage, diese in Lobbystrategien und politischen Druck umzusetzen. Die Zivilgesellschaft in Namibia ist nicht groß, es fehlt ihr an schlagkräftigen Organisationen. Auch die Kirchenverbände melden sich zumindest in diesem Themenfeld nicht lautstark genug zu Wort. Kameeta hätte massive öffentliche Unterstützung gebraucht, um Widerstände innerhalb der Regierung zu überwinden. Es ist unklar, wie viel Zeit ihm als Minister noch bleibt und ob er hier tatsächlich noch etwas bewegen kann. Immerhin hat er mit landesweiten Konsultationen zur sozialen Sicherheit das Thema wieder auf die politische Landkarte gesetzt. Und dort wurde auch die Forderung nach der Einführung eines universellen Grundeinkommens laut. Unter Mithilfe des Desk for social Development (DfsD) der lutherischen Kirche wurde eine Blaupause für die Einführung einer speziellen Sozialleistung für Arme, Arbeitslose und besonders vulnerable Gruppen der Bevölkerung erarbeitet. Doch auch dieser Kompromiss wartet bis heute auf seine Umsetzung.

Otjivero, das kleine Dorf gut 70 km von Windhuk entfernt, hat sich trotzdem in den letzten Jahren massiv verändert. Nicht nur hat die Einführung des Pilotprojekts 2008 dem Dorf einen enormen Zuwachs beschert, mit dem Geldsegen kam auch einiges an Entwicklung in Gang.[1] Viele Bewohner konnten mit dem monatlichen Grundeinkommen ihre Häuser in Ordnung bringen, kleine Gewerbe betreiben oder dauerhafte Jobs in der Stadt finden. Ein besonderes positives Beispiel ist Frida, die Bäckerin des Ortes. Sie stammt aus dem Norden und hatte, wie ihr Mann, auf einer der umliegenden Farmen gearbeitet. Mit kleinen Brötchen hat sie angefangen, die sie immer noch für 1 N$ verkauft. „Die Leute brauchen doch Brot und sie haben kein Geld, ich kann sie nicht teurer verkaufen“ sagt sie auf Nachfrage und lächelt, während sie weiter den Teig aus der Schüssel zu kleinen Kugeln formt und sie auf das Backblech legt. Mit ihren außergewöhnlichen unternehmerischen Fähigkeiten hat sie es geschafft, sich ein festes Haus zu bauen. Drei ihrer zehn Kinder sind inzwischen auf der Uni, weitere drei besuchen die weiterführende Schule.

Ein groß angelegtes Toilettenprojekt der Regierung ist auch in Otjivero angekommen. Doch statt dass die Menschen vor Ort am Bau beteiligt werden, hat den Zuschlag eine Firma aus Windhuk erhalten. Die Bauarbeiter bringen zwar wieder ein bisschen Geld ins Dorf, wenn sie hier den Tag verbringen, doch so ein Infrastrukturprojekt könnte auch zur lokalen Entwicklung beitragen, wenn Handwerker und Arbeiter vor Ort damit beauftragt werden würden. Sanitäre Einrichtungen sind ein Muss und daher ist diese Entwicklung sehr zu begrüßen. Die Frage allerdings, ob es angesichts der Wasserknappheit in Namibia sinnvoll ist, sie hier mit klassischer Wasserspülung auszustatten, stellt sich gerade auch in Otjivero. Der staatliche Damm leert sich bedenklich rasch.

Aber die Toiletten sind nur Teil des sich anbahnenden Wasserproblems. „Die umliegenden Farmer“, so Uhuru Dempers vom DfsD, „graben dem Damm das Wasser ab, das eigentlich auch für den nächst größeren Ort Dordabis reichen muss. Sie bauen eigene Dämme.“ Überhaupt sei das Verhältnis mit den weißen Farmern nicht besser, sondern eher noch schlechter geworden. Sie verweigern jede Art der Kooperation.

Land ist nach wie vor ein großes Thema – und eine enorme Herausforderung für Namibia.

Die Mehrheit der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Land, weder in den ländlichen Gebieten als Agrarfläche, noch in den Städten und Gemeinden als Bauland oder für Gewerbe. Verantwortlich dafür sind die Enteignungen im Zuge der Kolonialisierung und des Genozids und die nur schleppende Landrückgabe nach der Unabhängigkeit. Nach wie vor ist auch dies ein enormes Problem des kleinen Dorfes Otjivero. Wegen der angrenzenden weißen Großfarmen kann es sich nicht ausbreiten, obwohl sich die Zahl der DorfbewohnerInnen verdoppelt hat. An Viehhaltung ist da gar nicht mehr zu denken…

Emilia sitzt unter einem Baum und hat ihre Nähmaschine vor sich auf einem umgestülpten Eimer stehen. Aus Stoffresten, die sie von einem Schneider in Windhuk zum Kilopreis abkauft, näht sie Patchworkkleider, wie sie viele ältere Namafrauen tragen. Auf den ersten Blick sieht ihr Haus aus Wellblechteilen nicht besonders komfortabel aus, doch ist es deutlich besser als das alte aus Plastikplanen und Kartonagen, in dem sie vor Einführung des BIG gewohnt hatte. Sie lebt von der kleinen staatlichen Rente – die Minister Kameeta zumindest gleich nach seiner Amtseinführung verdoppelt hatte, wohl wissend, dass davon weiterhin ganze Großfamilien leben müssen. Viel kann die Näharbeit nicht einbringen, denn sie kann die Kleider nicht wirklich teuer verkaufen. Keiner hat mehr viel Geld zur Verfügung, seit das BIG nicht mehr fließt.

Ein Grundeinkommen dient im lokalen Raum als Entwicklungsmotor. Das meiste Kapital wird vor Ort ausgegeben und in Umlauf gebracht. Es kann die absolute Armut ausradieren und verhindern, dass Menschen in Krisensituationen wieder in die Armutsfalle geraten. Es ist nach wie vor weltweit eine Frage des politischen Willens und nirgendwo, auch nicht in Namibia, eine Frage der finanziellen Ressourcen eines Landes.

Und es ist besonders enttäuschend, dass hier, an dem Ort, wo quasi alles begann, die Menschen nach wie vor warten, dass ihre Regierung Entscheidungen zu ihren Gunsten fällt, während in anderen Teilen der Welt[2] die Einführung ein Grundeinkommens immer näher rückt.

 


[1] Siehe http://www.bignam.org/

[2] Zum Beispiel in Finnland: https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article212663207/In-Finnland-ist-das-bedingungslose-Grundeinkommen-ein-Erfolg.html oder Kenia https://www.businessinsider.de/basic-income-study-kenya-redefining-nature-of-work-2018-1?r=US&IR=T