Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Compact with Africa hat bis jetzt seine Ziele verfehlt – zum Glück

In dem von Al Jazeera eine Woche nach den Wahlen 2019 in Namibia ausgestrahlten Dokumentation „Anatomy of a bribe“[1] rund um den Korruptionsskandal in Namibias Fischindustrie sagt der Geschäftsmann Johannes Stefansson, der in Namibia im Auftrag des Fischkonzerns Samherji gearbeitet hat, dass Investoren in Afrika nur ein Interesse verfolgen: die Ressourcen des Kontinents zu plündern. Alles andere sei ihnen egal. Sein schlechtes Gewissen sei es, das ihn persönlich dazu bewegt habe, aus einem lukrativen Geschäft auszusteigen, das er erfolgreich betrieben habe, nämlich Einfluss auf einige afrikanische Regierungen zu nehmen, damit diese ausländischen Konzernen erlauben, die Ressourcen ihrer Länder zu plündern. Stefansson enthüllt in dieser Dokumentation die Machenschaften ausländischer Konzerne.

Deutlich wird auch, dass die Plünderung der Ressourcen der betroffenen Länder Afrikas mit Hilfe einiger afrikanischen Eliten geschieht, die an Schaltstellen sitzen und ihre Positionen missbrauchen, um sich persönlich zu bereichern und ihre Beziehungen zu den globalen Machtzentren zu befestigen, wohlwissend, dass sie dadurch die Interessen ihrer Länder verraten. Es gibt im Grunde genommen nichts Neues in der Enthüllung von Al Jazeera, die sich auf Dokumente von Wikileaks stützt. Wer die sozio-ökonomischen Dynamiken der ressourcenreichen Länder Afrikas verfolgt, weiß seit Jahrzehnten, dass in diesen Ländern in der Regel sogenannte ausländische Direktinvestitionen einer Lizenz zur Plünderung der natürlichen Ressourcen gleich kommt. Dies trägt zu den immer größer werdenden Ungleichheiten zwischen der kleinen Elite in Politik und Wirtschaft bei, die sich von ausländischen Investoren korrumpieren und/oder kooptieren lässt, und der großen Mehrheit der Menschen in diesen Ländern. Dies zementiert auch die Fortsetzung asymmetrischer Machtverhältnisse zwischen dem afrikanischen Kontinent und den kapitalreichen Ländern.

Vor diesem Hintergrund will ich in diesem Artikel einen Rückblick auf den von der Bundeskanzlerin am 19. November in Berlin organisierten Gipfel für mehr Investitionen deutscher Firmen in Afrika werfen. Zwölf afrikanische Staats- und Regierungschefs mit Vertreter*innen der EU, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds nahmen daran teil. Bei den zwölf afrikanischen Staats- und Regierungschefs handelt es sich um die der Compact-Länder Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ägypten, Äthiopien, Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo und Tunesien.

Dieser Gipfel steht in der Kontinuität der von der Bundesregierung anlässlich der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 ins Leben gerufenen Initiative Compact with Africa. Die Bundesregierung unter der Federführung des  Finanzministeriums wollte mit dieser Initiative auf die sogenannte Flüchtlingskrise reagieren. In diesem Jahr begann was anscheinend eine deutsche Tradition eines Afrika-Gipfels mit Fokus auf die Förderung von Privatinvestitionen zu werden. Der Kern der Überlegungen war und ist, durch Privatinvestitionen in afrikanischen Ländern dafür zu sorgen, dass Arbeitsplätze dort entstehen, damit junge Menschen bleiben und sich nicht mehr auf den Weg nach Europa und besonders nach Deutschland machen.

Vor einem Jahr fand der zweite Afrika-Gipfel mit der gleichen Fokussierung der Afrikapolitik der Bundesregierung hin zu einer verstärkten Förderung von privatwirtschaftlichen Investitionen statt, bei dem die Bundeskanzlerin einen Investitionsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro ankündigte. Ein Jahr danach und fast drei Jahre nach Beginn von Compact with Africa sind auch auf der diesjährigen Konferenz die gleichen Töne zu hören gewesen: einerseits Appelle an afrikanische Regierungen für bessere Regierungsführung und Verbesserung der Rahmenbedingungen, damit mehr Investitionen in ihre Länder fließen, andererseits Ermutigung an deutsche Firmen, mehr Investitionen in Afrika zu tätigen, verbunden mit dem Versprechen, staatliche Garantien zur Verfügung  zu stellen. Dass die Botschaft immer noch die gleiche ist, ist der Beweis, dass wenig bis gar nichts passiert ist.

Eine negative Zwischenbilanz

Im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung (FES) haben Helmut Reisen und Robert Kappel die Studie „G20 Compact with Africa: The Audacity of Hope“[2] knapp zwei Wochen vor dem Investitionsgipfel vorgelegt. Die Autoren geben zu, dass zwei Jahre eine kurze Beobachtungsdauer seien, um der Evaluierung einer langfristig angelegten Strategie gerecht zu werden, aber sie erbringen Belege, die die Diskussionen um die deutschen Initiativen zur Ankurbelung der Privatinvestitionen in Afrika befeuern sollten. Positiv aus der Perspektive der Autoren scheint nur eine „Verbesserung der Rahmenbedingungen im Durchschnitt der zwölf Partnerländer“ zu sein. Was sie vor allem feststellen, sind eine „anhaltende Schwäche von Portfolioinvestitionen für die Infrastruktur… niedrigere durchgeführte ausländische Direktinvestitionen als bis 2016… der Rückgang der einheimischen Spar- und Investitionsquoten“ und eine „Erhöhung der Fremdschuldenquoten in Staaten mit traditioneller Schuldenintoleranz.“ Damit haben sich die Zweifel bestätigt, die von vielen Analyst*innen von Anfang an formuliert worden sind, dass die von Compact with Africa vorgeschlagenen Instrumente angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen afrikanischer Länder nicht geeignet sind. Für die notwendige strukturelle Transformation ihrer Wirtschaften brauchen diese Länder etwas anderes. Der eher rückläufige Trend ausländischer Direktinvestitionen in den sogenannten Compact-Ländern ist ein vernichtendes Urteil für diese Initiative. Von einem Positiveffekt von Compact kann (noch) nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Die Tatsache, dass es Nicht-Compact-Länder in Afrika gibt, die attraktiver für ausländische Direktinvestitionen zu sein scheinen, sollte zu denken geben. Einer der Gründe für die ausgebliebenen positiven Effekte, so Kappel und Reisen, sei das Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen deutschen Ministerien, das bei kleineren und mittleren deutschen Unternehmen zur Überforderung führt. Für diese Akteure scheint der bürokratische Aufwand für den Zugang zu den Instrumenten des Compact with Africa zu groß zu sein. Anstatt solche Bestandsaufnahmen zur Kenntnis zu nehmen und Compact with Africa neu auszurichten, erweckte die Bundesregierung den Eindruck, als würde alles mit diesem Afrika-Konzept stimmen und es nur eine Frage der Zeit sein, bis es Früchte trägt.

Afrikanische Länder brauchen etwas anderes

Wenn Compact with Africa einen Rückgang der einheimischen Spar- und Investitionsquoten und eine Erhöhung der Fremdschuldenquoten bewirkt, wie Reisen und Kappel es analysieren, dann ist es eine gute Nachricht, dass nicht viel mehr passiert ist. Hinzu kommt, dass die meisten Regierungen der Compact-Länder alles, was diese Initiative betrifft, geheim halten. Dies bedeutet, dass negative Entwicklungen nicht durch kritische Begleitung der Zivilgesellschaften[3] in den jeweiligen Ländern abgewendet werden können.

Bis die einzelnen afrikanischen Länder und, noch wichtiger, die regionalen Zusammenschlüssen über selbstdefinierte Rahmenbedingungen verfügen, die ihnen ermöglichen, effektiv Privatinvestitionen zu regulieren, müssten sie alle Initiativen zurückweisen, die Privatinvestitionen in Afrika fördern wollen. Unter den jetzigen Rahmenbedingungen würden solche Investitionen überwiegend ausländischer Investoren profitieren, ohne einen substanziellen Beitrag zur strukturellen Transformation afrikanischer Ökonomien zu leisten. Wenn Sektoren, in die dringend investiert werden muss und die Rahmenbedingungen, unter denen diese Investitionen stattfinden müssten, nicht von nationalen Regierungen in Kooperation mit anderen nationalen und regionalen Stakeholders ausgehend von den realen nationalen und regionalen Prioritäten definiert werden, sondern von einem Konsortium aus ausländischen G20-Regierungen und internationalen Finanzinstitutionen, dann läuft Gefahr, dass Investitionen zustande kommen, die sich in erster Linie an den Interessen der Investoren orientieren. Solche Investitionen funktionieren oft wie Inseln ohne Miteinbeziehung des lokalen Unternehmertums und in der Regel auch ohne Wertschöpfung für die lokalen Ökonomien. Auch die Mitwirkung internationaler Finanzinstitutionen an der Bestimmung der Investitionsregeln, die die Ökonomien der Compact-Länder langfristig beeinflussen werden, ist besorgniserregend, denn afrikanische Regierungen haben mit den Strukturanpassungsprogrammen der Weltbank und des IWF der 1990er  Jahre schmerzhafte Erfahrungen gemacht, welche den politischen und sozioökonomischen Wirklichkeiten in vielen dieser Länder heute noch ihren Stempel aufdrücken. Die Geschichte wiederholt sich und zwar mit den gleichen Konzepten, die damals nicht funktioniert haben.

Was afrikanische Länder brauchen ist eine kohärente Regierungsführung, um lokale Ressourcen stärker zu generieren und besser zu mobilisieren, die dann in die produktivsten Bereiche ihrer jeweiligen Wirtschaftsstrukturen investiert werden können. Wer vom Ausland dies unterstützen will, soll die nationalen und regionalen Kleinindustrien fördern und von der Beeinflussung der langfristigen finanzpolitischen und wirtschaftspolitischen Strukturen Abstand nehmen. Es ist Aufgabe afrikanischer Regierungen selbst und deren Zivilgesellschaften, jene Strukturen auf regionaler Ebene zu entwickeln, die ihnen ermöglichen, wenn sie so weit sind und dies wollen, von ausländischen Investitionen durch eine gerechte Verteilung der Gewinne und durch konsequente Steuersysteme zu profitieren. Dies setzt voraus, dass afrikanische Regierungen die Konkurrenz untereinander ausschalten und starke Umwelt- und Sozialstandards durchsetzen. Solange sie über solche Strukturen nicht verfügen, kann das Geschäft mit ausländischen Direktinvestitionen nicht zum Vorteil ihrer Länder und Regionen sein. Solange afrikanische Regierenden nichts tun, um lokales Unternehmertum zu fördern, wird jedes Werben für ausländische Direktinvestitionen unter Verdacht stehen, nur egoistischen und ausländischen Interessen zu dienen. Es ist empörend, wenn ein Politiker oder eine Politikerin in einem afrikanischen Land oder irgendeinem Land der Welt Geld kassiert und die Interessen seines oder ihres Landes verrät, wie das in der zu Beginn dieses Artikels erwähnten Dokumentation zu Namibias Fischereiindustrie gezeigt wird. Die gleiche Empörung sollte auch gelten, wenn sich afrikanische Regierungen von außen beeinflussen lassen, um die Wirtschafts- und Finanzpolitik ihrer Länder in einer Weise zu gestalten, welche ausländische Akteure favorisiert und diese Länder selbst benachteiligt. Diese Form von Beeinflussung, die die Strukturen der Ausbeutung langfristig zementiert, kann oft verheerender sein als die einmaligen direkten Geldzahlungen, die skrupellose Entscheidungsträger*innen akzeptieren.

 

 

 


[1] https://www.aljazeera.com/investigations/anatomyofabribe/

[2] https://www.fes.de/referat-afrika/neugikeiten-referat-afrika/studie-g20-compact-with-africa

[3] Bei der von Brot für die Welt im Vorfeld der Compact-Konferenz organisierten Veranstaltung mit Beteiligung von 15 Vertreter*innen von NGOs und Kirchen aus vier afrikanischen Regionen wurde deutlich, dass zivilgesellschaftliche Organisationen von den Compact-Prozessen ausgeschlossen werden. https://info.brot-fuer-die-welt.de/blog/compact-africa-braucht-neubeginn. Eine Erklärung der afrikanischen Organisationen, die an dieser Veranstaltung von Brot für die Welt teilgenommen haben, ist hier nachzulesen: https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites/default/files/blog-downloads/recommendations_investmentanddevelopment_civilsociety_deutsch.pdf