Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Dem Land gehören die Menschen, nicht das Land den Menschen

Land ist viel mehr als der Boden, auf dem Lebensmittel wachsen. Es ist ein spiritueller Ort, der Leben spendet und in dem die Ahnen begraben sind. Dort leben Gemeinschaften, die zutiefst in ihrem Land verwurzelt sind. In den Bantusprachen, zu denen auch die Sprachen Simbabwes gehören, kann ein Stück Land Subjekt sein, aber niemals nur Objekt: Es ist Allgemeingut und dadurch unverkäuflich, unveräußerlich. Die Menschen können es besitzen und nutzen, es ist aber nicht ihr Eigentum.

In Rhodesien war kein Platz für schwarze Farmer

So war es zumindest, bis die Kolonisatoren, allen voran Cecil Rhodes und seine British South African Company (BSAC), 1890 begannen, das heutige Simbabwe zu besetzen. Sie entrissen den ursprünglichen Besitzern mit Gewalt das fruchtbarste Land und verteilten es an weiße Siedler und steckten die Einheimischen in Reservate. Der schwarzen Bevölkerung blieb etwa ein Drittel des Landes, das in traditioneller Weise über die Chiefs an Kleinbäuer*innen vergeben wurde. Beide Befreiungskriege (Chimurenga)  waren zuallererst Kriege zur Rückeroberung und Wiedergewinnung des Landes. Doch selbst mit der vermeintlichen Unabhängigkeit Simbabwes 1980 war dies nicht möglich. Im Friedensabkommen, das im Lancaster House in London zwischen der weißen, rhodesischen Regierung und den Befreiungsbewegungen geschlossen wurde, vereinbarte man eine zehnjährige Sperrfrist für jedwede Landreform. Der Markt sollte den Bedarf mit Angebot und Nachfrage regeln, Enteignungen waren ausgeschlossen. Im Gegenzug wollte die britische Regierung finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um die Entschädigungen für die Weißen zu bezahlen. Dies ist jedoch nie geschehen. Die Regierung unter Robert Mugabe investierte zunächst viel in die kleinbäuerlichen Betriebe in den kommunalen Gebieten und verbuchte damit beachtliche Erfolge. Die weißen Farmer hingegen änderten ihre Strategie, gingen weg von der Lebensmittelproduktion für den lokalen Markt hin zu Exportprodukten wie Tabak und Baumwolle oder setzten auf Tourismus und stellten ihre ausgedehnten Ländereien für die Jagd oder Safaris zur Verfügung. Viele von ihnen hatten schon in den 1970iger Jahren nicht mehr produziert, lebten vor allem von staatlichen Subventionen und ließen weite Teile fruchtbaren Landes brach liegen.

Keine Landreform in unruhigen Zeiten im südlichen Afrika

1990 lief das Lancaster-House Abkommen aus –just als in Südafrika die rassistische Apartheidregierung mit der dortigen Befreiungsbewegung des ANC in Übergangsverhandlungen steckte. Eine groß angelegte Enteignung von weißen Farmern – mit oder ohne Entschädigung – hätte den fragilen Frieden in der Region gefährdet und die Transformation noch blutiger gestaltet, als sie ohnehin schon war. Nelson Mandela persönlich bat Mugabe, davon in jenem historischen Moment  Abstand zu nehmen.

Doch die Veteranen des Befreiungskrieges wollten endlich das versprochene Land und ließen sich nicht weiter vertrösten. Sie begannen Ende der 1990iger Jahre, das Land der weißen Farmer zu besetzen und vertrieben dabei nicht nur die Eigentümer, sondern oft auch die Farmarbeiter*innen. Wie eine Welle schwappten die gewaltsamen Besetzungen durch das Land. Die Regierung zog nach und entwickelte die sogenannte Fast Track Landreform, eine Landreform im Schnellverfahren: In 2011 hatten 237,858 Familien Zugang zu Land. Insgesamt wechselten 10,816,886 Hektar den Besitzer, mehr als jemals zuvor in der nachkolonialen Geschichte des afrikanischen Kontinents.

Landreform – wer profitiert?

Die Frage, wer davon am meisten profitiert hat und wie erfolgreich die neuen Farmer*innen sind, wird bis heute in wissenschaftlichen Kreisen heftig und kontrovers diskutiert. Klar ist, dass in weiten Bereichen mehr Menschen wieder Zugang zu Land haben und dieses ohne jegliche staatliche Unterstützung bewirtschaften. Sie bauen heute nicht nur für den Eigenbedarf an, sondern versorgen auch die Städte mit Lebensmitteln, verkaufen Tabak oder Baumwolle. Sie kämpfen mit enormen Problemen, weil die Infrastruktur in Simbabwe zur gleichen Zeit, in der sie ihre Farmen aufgebaut haben, zusammen gebrochen ist; es gab weder Kredite noch Investitionsgüter und schon gar keine Rechtssicherheit.

Heute geht man auch davon aus, dass einige der Großfarmen komplett an die Eliten übergingen. Sowohl Staatsangestellte als auch traditionelle Autoritäten gehörten zu den Begünstigten, da sie Mittel für Investitionen vorweisen und so auch größere Farmen bewirtschaften konnten. Auch viele Veteranen erhielten Farmen. Frauen profitierten am wenigsten, nach wie vor sind fast immer Männer die neuen Eigentümer. Und ganz am Ende der Zuteilungsliste standen die ehemaligen Farmarbeiter*innen. Dagegen ist der Vorwurf, dass ausschließlich Mitglieder der Regierungspartei ZANU-PF Zugang zu Land erhalten hätten, so nicht zu halten, wie die Studien belegen.

Probleme gab es da, wo Großfarmen unter vielen Familien aufgeteilt wurden, die sich selbst überlassen waren. Durch fehlende Rechtssicherheit, die Unklarheit darüber, wer eigentlich der neue Eigentümer oder die neue Besitzerin sei, kommt es bis heute immer wieder zu Vertreibungen. Der Landwirtschaft ist dies nicht zuträglich, sie trägt nur langfristig Früchte.

Unerwartete Folgen des Klimawandels

Locardia Shayamunda, die zurzeit an der Universität Freiburg promoviert, hat sich ausführlich mit der aktuellen Situation von Kleinbäuer*innen in Simbabwe beschäftigt und dazu Feldforschung betrieben. Sie geht vor allem der Frage nach, wie sie sich an die Klimaveränderungen und andere Krisen anpassen. In den ländlichen Gebieten, die früher zu den Reservaten zählten und heute als kommunales Land bezeichnet werden, haben Frauen schon immer die Landwirtschaft betrieben, hatten aber Jahrzehnte lang kaum Einfluss darauf, was angebaut und wie der Erlös investiert wird. Traditionell waren sie nicht die Besitzer*innen des Landes, bei einer Scheidung oder beim Tod des Mannes verloren sie den Zugang. Locardia fand jedoch heraus, dass sich durch die unermüdliche Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, die seit der Unabhängigkeit für die Rechte der Frauen eintreten, sich die Situation der Frauen deutlich verbessert hat. In allen vier Fallstudien wurde keine Witwe aus ihrem Haus und Hof vertrieben. 

Ganz besonders wichtig war, dass nach und nach mehr Frauen die Funktion als staatliche Beraterinnen übernahmen. Ehemänner erlaubten es ihren Frauen, an deren Schulungen teilzunehmen. Dies hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die Verbesserung der Anbauweisen und die Ernteerträge.

Der Klimawandel hat in den letzten 20 Jahren, seit die Landreform begonnen hat, nicht nur Einfluss auf die Wahl der Feldfrüchte sondern auch auf die Viehhaltung. Viele Kleinbäuer*innen wechselten von Mais zurück zu Sorghumhirse, die deutlich resistenter bei Trockenheit ist. Außerdem wurden eher Ziegen und Hühner angeschafft als Kühe – mit spektakulären Auswirkung für die Frauen, denn Kühe gehören den Männern, während Kleinvieh eher als Frauensache gesehen wird. So konnten sie an Einfluss gewinnen und verfügen über eigene Einnahmen, über die sie selbst entscheiden.

Langfristig hat die Landreform in Simbabwe positive Auswirkungen sowohl auf Kleinbäuer*innen im Allgemeinen und Frauen im Besonderen. Dabei spielen viele Faktoren zusammen. Je mehr Frauen Zugang zu Bildung haben, desto mehr Einfluss nehmen sie auch auf ihre lokalen Strukturen. Je mehr Rechtssicherheit herrscht, desto mehr profitieren gerade Frauen davon.

Wenn die simbabwische Landreform wie geplant durch massive Investitionen in Infrastruktur und Fortbildung unterstützt worden wäre, hätte es eine Erfolgsgeschichte werden können. Aber zu viele Partikularinteressen weißer Farmer, korrupter Politiker und ausländischer Mächte haben die Simbabwer*innen bisher um die Früchte ihres Landes und ihrer Arbeit gebracht.