Was ist passiert?
2013 ist Lindiwe Mazibuko zur ersten nicht-weißen Oppositionsführerin im Parlament gewählt worden. Damals war Helen Zille noch Parteichefin und hatte sie gegen Arthur Trollip durchgesetzt, nur um sie drei Jahre später wieder fallen zu lassen, dieses Mal zu Gunsten von Mmusi Maimane. Zille selbst wurde – zumindest was die offiziellen politischen Ämter betraf, im Juni 2017 wegen ihrer umstrittenen Äußerungen zum Kolonialismus aus allen Führungsgremien ausgeschlossen. Am 20. Oktober 2019 wurde sie in einer Kampfabstimmung in das Amt der Chairperson des Federal Council, was etwa einer Vorsitzenden des Bundesparteirates entspricht, gewählt und brachte damit den Erdrutsch innerhalb der DA in Bewegung. Vor dieser Wahl zu einem der wichtigsten Führungsorgane der Oppositionspartei, war sie kurzzeitig Senior Fellow im Institute of Race Relations, das eine konservativere und liberalere Richtung für die DA anstrebt. Im südafrikanischen Kontext bedeutet dies, sich gegen Gruppenrechte, gegen die Affirmative Actions und vor allem gegen Landenteignung zu stellen. Auch die Idee eines Sozial- oder Entwicklungsstaats wird abgelehnt. Die weiße Führungsspitze der DA sah in den Wahlen im Mai, in denen sie Stimmen an die Rechtsaußenpartei Freedom Front Plus FF+ verloren hatte, als Warnsignal und als Ergebnis der Politik Maimanes. So war die Rückkehr Helen Zilles auf das politische Parkett zunächst für den Bürgermeister von Johannesburg, Herman Mashaba, und in dessen Gefolge eben für den Parteivorsitzenden Mmusi Maimane und auch für den ehemaligen Bürgermeister von Nelson Mandela Bay Arthur Trollip Grund, von ihren Posten zurück zu treten. Da Trollip der designierte Nachfolger im Parteivorsitz gewesen wäre, ließen die Rücktritte die Partei zunächst führungslos zurück. Es musste bis zum Parteikongress in 2020 eine Interimslösung gefunden werden. Dafür hatte sich, unmittelbar nach dem Rücktritt Maimanes, dessen Oppositionsführer im Parlament beworben. John Steenhuisen (43) ist Berufspolitiker, der keinerlei Ausbildung vorweisen kann, und aus Durban stammt.
Liberalismus im südafrikanischen Kontext
Der Thinktank der DA, das Institute of Race Relations, ist bestrebt, die Frage des Rassismus und die damit verbundene historische Verantwortung sowie die anhaltenden Auswirkungen auszublenden. Maimanes Bestrebung, die Partei von ihrem Erbe der Rassenblindheit abzuwenden, in dem er die rassistische Natur der Ungleichheit in Südafrika angehen und ihre Politik an diese anpassen wollte, war ihnen ein Dorn im Auge. So ist es nicht verwunderlich, dass die Wahl der Partei für ihren Vorsitz auf Steenhuisen fiel, der über die "sklavische rassenbasierte Besessenheit der letzten Jahre" herzieht.
Der Partei war klar, dass sie als echte Oppositionspartei nicht allein auf weiße Wählerschaft setzen konnte und begann 2013 mit der Ernennung von Lindiwe Mazibuko gleichzeitig eine Kursänderung hin zu einem afrikanischen Liberalismus. Dieser tolerierte die Unterstützung positiver Maßnahmen auf Grundlage von Rasse und Geschlecht etwa beim Employment Equity Amendment Bill. Die Partei musste einsehen, dass es keine Farbenblindheit im südafrikanischen Kontext gibt, dass sie, wenn sie nicht-weiße Persönlichkeiten nominiert, diese auch ihre Agenda mitbringen würden, denn nur so sind die Probleme deren Klientel überhaupt politisch anzugehen. Es gibt keine Möglichkeit, ein durch Rassismus verursachtes Problem zu lösen, ohne sich auf Rassismus zu beziehen.
In den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, dass das Kalkül der Da nicht aufgeht. Der Weiße Liberalismus war nicht mit Menschen wie Mazibuko oder Maimane durchzusetzen und die kritische Haltung zur weißen Dominanz und Überlegenheit war immer wieder Anlass zu Zerwürfnissen. So forderte er disziplinarische Maßnahmen, nachdem Zille über Twitter verlauten ließ, dass der Kolonialismus auch positive Seiten gehabt habe – und hatte Erfolg damit. Zumindest kurzfristig. Als Folge war er Zielscheibe einer Hetzkampagne die auf den Titelseiten einer afrikaanssprachigen Wochenzeitung durchgeführt wurde, um seine Führung zu untergraben und seine Integrität zu zerstören.
Auswirkungen
Die Auswirkungen für die größte Oppositionspartei sind noch nicht wirklich abzusehen. In vielen Hochburgen läuft derzeit eine Kampagne, die zum Verbleib in der Partei aufruft (#ImStayingWithTheDA). Besonders in sogenannten Coloured communities war in den letzten Jahren die Zustimmung zur Linie der DA nicht zuletzt wegen ihrer Führungspersönlichkeiten enorm gewachsen. So konnte sie sich von 12,37 Prozent der Stimmen in 2004[1] auf 22,2% in 2014 verbessern und gewann neben der Provinz Western Cape auch große Metropolen für sich. Doch der leichte Rückgang 2019 – die DA verlor 120,000 Stimmen an die FF+ - wurde als Vorwand genommen, um Maimane zum Rücktritt zu zwingen. Doch es bleibt abzuwarten, ob das wirklich die richtige Entscheidung für die Partei war. Denn es war nicht nur die Wähler*innenwanderung hin zum rechten Rand, mit Cyril Ramaphosa war auch der ANC wieder Hoffnungsträger und damit eher wählbar als noch unter Zuma.
Der Rücktritt von Mashaba als Bürgermeister von Johannesburg hat die DA jetzt schon diesen Posten gekostet, da sich die EFF bei der Nachwahl an eine Zustimmung eines anderen Kandidaten aus der Democratic Alliance nicht mehr gebunden fühlte. Dadurch konnte der ANC mit Geoff Makhubo die Metropole zurück gewinnen.
[1] 1994 hatte die Vorgängerpartei Democratic Party gerade mal 1,73% der Stimmen gewonnen. 2003 schloss sich die DP mit der Nachfolgeorganisation der Nationalen Partei zusammen und bildete die Democratic Alliance.