Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Diskurse in der Landfrage Südafrikas: Was dient den FarmarbeiterInnen wirklich?

Diskurs Landfrage

FarmarbeiterInnen im Weinbausektor Südafrikas sind schlecht bezahlt, haben zwar inzwischen mehr Rechte, doch kaum Zugang dazu, da Gesetzte schlecht oder gar nicht implementiert sind und die FarmarbeiterInnen darüber oft nicht Bescheid wissen. Ihre zuständigen Gewerkschaften operieren nicht flächendeckend, sind ähnlich wie ihr Klientel finanziell und personell miserabel aufgestellt und haben es zudem mit Arbeitgebern zu tun, die zum großen Teil im 19. Jahrhundert verhaftet sind - zumindest was die Rechte ihrer Angestellten betrifft. So weit so schlecht. Daran hat auch der Streik von 2012 nicht grundsätzlich etwas ändern können. Dieser war allerdings möglich geworden, da inzwischen etwa die Hälfte der FarmarbeiterInnen nicht mehr auf den abgelegenen Farmen leben, sondern aufgrund von Entlassung auch ihr Wohnrecht auf der Farm eingebüßt haben und sich eine Unterkunft in den nahe gelegenen Kleinstädten suchen mussten. Nicht selten arbeiten sie danach über Arbeitsvermittler als Saison- oder Tagelöhner wieder auf derselben Farm. Damit gibt der Farmer die „Verantwortung“ für seine ArbeiterInnen, für Wohnen, Schulen und weitere Infrastruktur an den Staat und für alle arbeitsrelevanten Themen an den Vermittler ab. Für die Gewerkschaften sind die meist ebenfalls erbärmlichen Siedlungen am Rande der Städte jedoch eine Möglichkeit, mit den ArbeiterInnen in Kontakt zu kommen, ihnen Hilfeleistungen und Unterstützung anzubieten und sie für die Gewerkschaftsarbeit zu rekrutieren. Denn allzu oft ist es GewerkschafterInnen aufgrund des extrem ausgelegten Rechts auf Privateigentum nicht möglich, Zugang zu den Farmen zu bekommen. Hier geraten das Recht auf Privateigentum und das Recht auf Versammlungsfreiheit in Konflikt und die Leidtragenden sind die FarmarbeiterInnen.

Viele gesetzliche Initiativen von Seiten der Südafrikanischen Regierung haben nicht wirklich gegriffen. Schon bevor sie in Kraft getreten sind, wurden von Seiten der Farmbesitzer Gegenmaßnahmen ergriffen wie zum Beispiel Entlassungen, wenn es darum ging, ArbeiterInnen, die seit mindestens zehn Jahren auf einer Farm leben und arbeiten, ein lebenslanges Wohnrecht zu garantieren oder wenn sie sich Gewerkschaften anschlossen. Diese illegalen Maßnahmen werden viel zu selten geahndet, da die Entlassungen anders begründet werden und die FarmarbeiterInnen, wie erwähnt, ihre Rechte selten gut genug kennen. Und noch seltener haben sie die Möglichkeit, sie mit Hilfe von Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen vor Gericht einzuklagen. Gelingt es ihnen jedoch, werden die Fälle immer wieder zugunsten der ArbeiterInnen entschieden.

Ein Diskurs in Südafrika hat immer mehrere Ebenen, die oft von außen nur schwer zu durchschauen sind. So ist das Erbe der Apartheid, der allgegenwärtige Rassismus und Paternalismus auch Teil des Kampfes um gerechte Lebens- und Arbeitsbedingungen auf den Farmen. Ebenso die grundsätzlichere Landfrage: die gescheiterte Umverteilung mit Hilfe des willing seller - willing buyer Models ist grandios gescheitert. Nach wie vor sind knapp 70% des landwirtschaftlich nutzbaren Landes in weißer Hand. [1/typo3/ Aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung sind viele Umverteilungsprojekte gescheitert. Bisher sind alle gesetzlichen Vorstöße, an dieser Situation etwas zugunsten der Landlosen und armen Bevölkerung zu ändern auch deshalb gescheitert, weil die Betroffenen im Vorfeld nicht mit einbezogen worden waren und an ihren Bedürfnissen vorbei geplant wurde.

Auch das Beteiligungssystem für FarmarbeiterInnen, das sognannte equity-share scheme, erzielte nicht den erwarteten Effekt. Es wurde eingeführt, um den langsamen Prozess der Land- und Reichtumsumverteilung in der Landwirtschaft voranzubringen. Doch bereits die ersten Analysen zeigten (Hall et al. 2001), dass weder die Machtverhältnisse noch die Gendergerechtigkeit sich damit verändert hatten. 2009 verkündete die Regierung ein Moratorium, da es keine wirkliche Landumverteilung sei sondern von den Farmbesitzern nur dazu genutzt werden würde, um eine Finanzspritze für ihr Unternehmen sicherzustellen. Für die Farmarbeiter brachte der Anteil an der Farm hingegen keinerlei Vorteile: es fanden weiter Enteignungen statt und nur ein winzig kleiner Teil erhielt direkt Dividende aus den Anteilen. Zwei Jahre später wurde das Moratorium wieder aufgehoben, ohne dass allerdings etwas daran geändert worden wäre.

In den Gesprächen um die Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen wird gerade auch in der Fair Trade Debatte dieses System gerne als Beispiel genannt, wie fortschrittliche Farmer ihre FarmarbeiterInnen am Unternehmen teilhaben lassen und ihr Land in die Hände der ArbeiterInnen übergeben. Fragt man aber genauer nach, so ist es in der Tat über weitere gesetzliche Regelungen wie das Black Economic Empowerment möglich, Geldmittel für das Unternehmen zu generieren, da die Regierung die Anteile stellvertretend kauft oder für den Anteil der ArbeiterInnen zinslose Kredite zur Verfügung gestellt werden. Damit können die Farmer Investitionen tätigen, die sie finanziell sonst nicht hätten stemmen können. Denn waren die Agrarunternehmen während der Apartheidzeit hoch subventioniert, so fiel dies nach 1994 weg. Die alte weiße Elite sollte nicht weiter von den Steuergeldern profitieren, unrentable Farmen sollten aufgeben und auf den Markt kommen. Doch dies wurde gleichzeitig zum Problem für die jungen, sogenannten emerging farmer, die oft über Landrückgabe oder willing seller – willing buyer oder über Umverteilung an Land kamen, jedoch mit alteingesessenen und durch die erwähnten langjährigen Subventionen gut ausgestatteten Betrieben konkurrieren müssen.

Die Kredite, die so aufgenommen werden verhindern aber gleichzeitig, dass aus den Beteiligungen der FarmarbeiterInnen für diese konkreter Nutzen erwächst. Sie erhalten weder höhere Löhne – was sie sich ja im Rahmen ihres Mitspracherechts theoretisch erstreiten könnten, wären die Besitzverhältnisse fair – noch erhalten sie aus ihren Anteilen Dividende, da das Unternehmen ja verschuldet ist. In den meisten Fällen können die Anteile nicht akkumuliert, also von einzelnen aus dem Betrieb aufgekauft oder an Dritte veräußert werden, so dass für die FarmarbeiterInnen keine Möglichkeit besteht, mit den Anteilen ihre Situation direkt zu verbessern. Mercia Andrews von TCOE erläuterte, dass von den rund 400 Farmen, die ihre ArbeiterInnen am Unternehmen beteiligen würden, nur neun auch Dividende ausschütten würden. Und wie wir über den Generalsekretär der Gewerkschaft CSAAWU erfahren haben, schützen solche Beteiligungen weder vor der Entlassung noch vor dem Verlust des Wohnrechts auf den Farmen. Gleichzeitig aber schaffen es Betriebe wie etwa Robertson Winery, sich durch Tochterunternehmen und das damit verbundene mispricing Gewinne zu verschleiern und sich durch mehrere Direktorenposten doppelte Gehälter auszahlen zu lassen.

Solange diese Machtverhältnisse so sind, solange die Gewerkschaften keinen Zugang zu den FarmarbeiterInnen haben, um diese in ihren Rechten zu stärken und zu vertreten, solange die Gewerkschaften selbst so schwach und unterfinanziert sind, wird sich hier nichts ändern.

Der Dokumentarfilm „Bitter Grapes“ des dänischen Filmemachers Tom Heinemann hat gezeigt, dass es verstärkter Kontrollen von Seiten der südafrikanischen Regierung und auch der Fair Trade Organisationen braucht, um die gesetzlichen Vorgaben durchzusetzen. Von alleine werden die wenigsten Farmer die Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer Farmarbeiter an das 21. Jahrhundert anpassen, da ändern auch die freiwilligen ethischen Vereinbarungen zwischen den Farmern, Kellereien und den internationalen Aufkäufern südafrikanischen Weins nichts. Es braucht aber auch bessere Ausbildung für diejenigen, die die Kontrollen durchführen, damit sie in die Lange versetzt werden, hinter die Kulissen und hinter die vordergründigen Verbesserungen zu blicken.

Es kann nicht sein, dass ethische Standards oder Fair Trade Siegel verteilt werden, ohne dass mit den vor Ort agierenden Gewerkschaften oder mit den FarmarbeiterInnen arbeitenden NGOs gesprochen wird. Ganz zu schweigen davon, dass Aussagen von abhängig Beschäftigten wie es die Arbeiter auf den Farmen sind, nicht ohne geschützten Rahmen eingeholt werden dürfen.

Es tut Not, dass sich die internationale Weinbranche hier einmischt und zwar dort, wo Veränderungen tatsächlich greifen, will sie wirklich ethisch verträglichen Wein anbieten:

  • bei der Südafrikanischen Regierung, damit sie endlich das Agrarministerium so ausstattet, dass unangekündigte Kontrollen zeitnah durchgeführt werden können und die Strafen bei Gesetzesverstöße entsprechend empfindlich sind;
  • bei den Supermarktketten, die mit ihrem Preisdumping verhindern, dass bei den Farmern Spielraum für höhere Löhne entsteht;
  • bei den Fair Trade Labels, damit diese parallel Strukturen unterstützen, die die FarmarbeiterInnen tatsächlich in die Lage versetzen, sich ihre Rechte zu erstreiten.

Aber auch die Gewerkschaften sollten sich hier angesprochen fühlen und sich ihrer internationalen Solidarität wieder erinnern. Eine Gewerkschaft für FarmarbeiterInnen kann sich nicht allein aus ihren Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Hier braucht es Unterstützung und Förderung in vielfältiger Weise. Eine Norwegische gewerkschaftsnahe Stiftung hat zum Beispiel den dotierten Preis Norwegian Artur Svenssons 2017 international award an die Farmarbeitergewerkschaft CSAAWU verliehen.

Im Oktober werden zwei Mitglieder der Gewerkschaft auf Einladung von KASA und der Rosa Luxemburg-Stiftung nach Deutschland kommen. Geplant ist eine Tagung in Berlin Anfang Oktober, an der sowohl CSAAWU als auch weitere FarmarbeiterInnenorganisationen, die über Oxfam eingeladen werden, teilnehmen, um über die Situation vor Ort zu sprechen und mögliche gemeinsame Strategien zu entwickeln. Die Gäste können dann auch zu Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden im Bundesgebiet eingeladen werden. Nähere Infos demnächst auf der Homepage oder direkt bei simone.knapp*@kasa.de/typo3/