Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Glencore in Deutschland

Es gibt bereits zahlreiche enthüllende Artikel oder Dokumentationen über mächtige Rohstoffkonzerne, die in afrikanischen Ländern operieren und diese schonungslos ausbeuten, Menschenrechte verletzen und dabei nicht selten auch internationales Recht brechen. Dabei wird immer erklärt, wie der große Verwaltungsapparat dieser Konzerne die schwächeren Regierungsapparate der betroffenen Länder austrickst. Auch wenn diese Geschichten in Deutschland ab und zu für Schlagzeilen sorgen, ist das Interesse daran am Ende doch sehr überschaubar. Solche Praktiken sind doch vermeintlich nur „irgendwo in Afrika“ gang und gäbe, und unsere Regierungen haben mit solchen Konzernen bestimmt keine Probleme. Oder?

Um das Vorurteil aus dem Weg zu räumen, dass die betroffenen afrikanischen Regierungen einfach nur unzureichende Kapazitäten und eine schlechte Regierungsführung haben und deshalb von internationalen Großkonzernen ausgebeutet werden, hilft es vielleicht einen Blick nach Deutschland zu werfen, wo ähnliche Finessen von den gleichen Konzernen angewendet werden.

Schauplatz ist diesmal nicht der Ostkongo, Katanga oder der Copperbelt in Sambia, sondern die Kleinstadt Nordenham an der Nordseemündung der Weser in Niedersachsen. Hier plant der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore durch einen sogenannten „Asset-Deal“ die teilweise Übernahme der insolventen Weser-Metall GmbH[1]. Das bedeutet konkret, dass nur die Teile des Unternehmens übernommen werden, die für Glencore und den weiteren Betrieb relevant sind, und die problembehafteten Bereiche wie die Umweltaltlasten der Weser-Metall GmbH aufgrund der Insolvenz an die Allgemeinheit - also in dem Falle an das Land Niedersachsen - zurückfallen.

Überblick zu Glencore, Weser-Metall und Recylex

Was sind die Weser-Metall GmbH und Glencore? Wie läuft die Übernahme genau ab? Was haben Glencore und ein französisches Recyclingunternehmen damit zu tun? Und wieso werden die Altlasten eines Rohstoffkonzerns vom Land Niedersachsen übernommen?

Glencore ist mit Abstand der größte Rohstoffkonzern und liegt auf Platz 14 der größten Unternehmen nach Umsatz weltweit.[2] Laut der britischen Zeitung „The Guardian“ ist Glencore für 0,38 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen zwischen 1988 und 2015 verantwortlich und zählt damit zu den Haupttreibern des menschengemachten Klimawandels.[3] Wenn Glencore ein Land wäre, befände es sich mit diesen Zahlen im Jahr 2018 auf Platz 34 aller Länder, gemessen an ihrem CO2 Ausstoß, knapp hinter den Niederlanden und vor Belgien, Kolumbien, Österreich und Portugal.[4] Glencore und seine Tochterunternehmen sind laut eigenen Angaben in mehr als 35 Ländern und über 150 Standorten präsent und ihre Aktivitäten werden oft von massiven Menschenrechtsverletzungen, Steuermanipulation, Intransparenz, Korruption und Umweltverschmutzung begleitet.

Die Weser-Metall GmbH ist ein Bleiproduzent mit Sitz in Nordenham. Sie ist Teil der deutschen Recylex Gruppe. Die Muttergesellschaft Recylex S.A. ist ein börsennotiertes französisches Recyclingunternehmen, an dem Glencore mit 33 Prozent der größte Anteilseigner ist.[5] Recylex wurde im Jahr 2017 von der EU wegen illegalen Preisabsprachen beim Einkauf von alten Autobatterien für die Bleiproduktion zu einer Kartellstrafe in Höhe von 26,7 Mio. € verurteilt.[6] In einer Pressemitteilung vom 18. Juni 2020 heißt es außerdem, dass die deutsche Recylex Gruppe von Glencore zwei Kredite in Höhe von insgesamt 32 Mio.€ erhielt um weiter operieren zu können.[7] Glencore unterstützte die Weser-Metall GmbH im Jahr 2018 zusätzlich mit Hilfen in Höhe von 9 Mio.€ und die Recylex Gruppe im darauffolgenden Jahr mit einer Brückenfinanzierung von 10 Mio.€ zur Umstrukturierung der Schulden.[8] Im Mai 2020 meldete die Weser-Metall GmbH allerdings Insolvenz an.

Der Asset-Deal von Nordenham

Ein paar Monate später verkündete Glencore dann die Teilübernahme der Weser-Metall GmbH. Die Landesregierung, welche sich primär für den Erhalt der 330 Arbeitsplätze stark machte, war glücklich darüber, dass diese erhalten blieben. Der Umweltminister Olaf Lies (SPD) machte aber gleichzeitig deutlich, dass ein Asset-Deal also eine Teilübernahme die schlechtere Lösung für ihn sei.[9] Für diesen Deal gründete Glencore die Nordenham Metall GmbH, welche gemeinsam mit der bereits existierenden Nordenhamer Zinkhütte – ebenfalls in Besitz von Glencore – die Nordenham Zink Holding GmbH bildet. Sie alle sind hundertprozentige Tochterunternehmen von Glencore. Im Zuge des Asset-Deals übernimmt die Nordenham Metall GmbH also alle Infrastrukturen, Arbeitsplätze und sonstigen Bereiche der insolventen Weser-Metall GmbH, die sie für den weiteren Betrieb benötigt. Die Verantwortung, Kosten und Haftungsrisiken der Altlasten, für die vorher die Weser-Metall GmbH verantwortlich war, will Glencore natürlich nicht übernehmen. Es geht dabei um mehrere Deponien, auf denen die Abfälle der Bleiproduktion gelagert werden. Die Gespräche zwischen dem Umweltministerium und Glencore sind im vergangenen Jahr gescheitert.

Da der Betreiber der Deponien, also die Weser-Metall GmbH, insolvent ist und sich nicht mehr um die Altlasten kümmern kann, fallen diese an die Allgemeinheit und damit an das Land Niedersachsen zurück. Auch die Verträge mit den lokalen Landwirt:innen bezüglich der „Kompensationsentschädigungen für die kontaminierten Flächen“ würden bei diesem Asset-Deal nicht fortgeführt werden.[10]

Glencore kauft also Teile eines insolventen Unternehmens, an dem sie indirekt bereits der größte Anteilseigner sind und schafft es dann auch noch die juristische Verantwortung für die kostenintensiven Altlasten an das Land Niedersachsen zu übertragen, welches nur machtlos zuschauen kann. Aus unternehmerischer Sicht ist dies sicherlich eine Meisterleistung, wenn man von der Prämisse ausgeht, dass die Verantwortung für die Umwelt und auch die soziale Verantwortung zweitrangig sind. Die Kosten für die Altlasten werden schließlich auch von den Steuerzahler:innen übernommen. Wenn man bedenkt, dass Glencore auch noch die für die Produktion notwendigen Erze selbst liefert, macht die Rettung der Bleihütte aus wirtschaftlicher Sicht umso mehr Sinn.[11] Wie lange Glencore die Teilübernahme der Weser-Metall GmbH und den Deal mit den Altlasten bereits im Voraus plante, ist unklar.

Glencore und die Umweltfrage

Der Fall Nordenham passt so gar nicht zu dem neuen nachhaltigen und verantwortungsbewussten Image, mit dem Glencore wirbt. Im Gegenteil, die Altlasten-Affäre schadet dem guten Ruf, den Glencore sich mit der Rettung der Arbeitsplätze in Nordenham geschaffen hat, enorm. Zu einer nachhaltigen Zukunft gehört schließlich auch die Verantwortungsübernahme für vergangene Umweltsünden. Außerdem widerspricht der Asset-Deal den Aussagen des Glencore Verantwortlichen für Zink und Blei, Nick Popovic, welcher auch die Gespräche mit der Landesregierung führte, vollkommen: „Der mögliche Erwerb von Weser-Metall aus der Insolvenz wäre eine Investition, die unsere Umweltfragen von Anfang an mit wirtschaftlichen Erwägungen gleichstellt. Wir haben heute einen guten Anfang gemacht.“[12]

Von einer Gleichstellung der Umweltfragen mit den wirtschaftlichen Zielen ist Glencore allerdings meilenweit entfernt. Interessant zu beobachten ist dabei, wie stark die Gegensätze der Aktivitäten von Glencore in Ländern des Globalen Nordens wie Deutschland von denen des Globalen Südens abweichen. Auf deutschem Boden versucht sich das Unternehmen durch nachhaltige Projekte zu profilieren, während es in Ländern des Globalen Südens für die größten CO2-Emissionen und Umweltschäden verantwortlich ist. Obwohl man hinter die Altlastenproblematik ein großes Fragezeichen in Bezug auf die Nachhaltigkeit setzen kann, kündigte Glencore bereits an, sich von dem alten Konzept der Nordenhamer Bleihütte zu lösen und es zu einem modernen Recyclingunternehmen zu machen. Inwieweit diese Ankündigungen reines Greenwashing zur Imageverbesserung sind, bleibt vorerst ebenfalls offen.

Aber auch die anderen Aktivitäten Glencores in Deutschland erwecken auf dem ersten Blick den Anschein, es handle sich um ein umweltbewusstes und nachhaltiges Unternehmen. Der ehemals kanadische Agrarkonzern Viterra, den Glencore im Jahr 2012 für 4,7 Milliarden € schluckte,[13] hat beispielsweise zwei Niederlassungen in Rostock und Magdeburg, die ihrem spärlichen Internetauftritt zufolge einwandfrei nachhaltig seien. Laut eigenen Angaben sind die Viterra Produktionsstätten in Deutschland der größte Produzent von Biodiesel und Glycerin weltweit.

Während Glencore versucht sich in Europa ein nachhaltiges Image aufzubauen, scheint die Gleichstellung der Umweltfragen - und auch sozialer und ethischer Fragen! - mit wirtschaftlichen Erwägungen an anderen Produktionsstätten wie in Kolumbien, Sambia, DR Kongo oder Ecuador irrelevant zu sein. Doch wie bereits eingangs erwähnt, gibt es zu all diesen Fällen bereits ausreichend Artikel, Bücher oder Dokumentationen welche die skrupellosen Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden, Steuermanipulationen und Missachtungen des internationalen Rechts anschaulich aufbereitet haben.

Der Fall Nordenham und seine Folgen

Deshalb wollen wir an dieser Stelle nochmal auf den Fall Nordenham schauen und der Frage nachgehen, warum sowohl dem Landkreis als auch dem niedersächsischen Umweltministerium anscheinend die Hände gebunden waren. Aktuell sieht es so aus, als ob der Asset-Deal reibungslos über die Bühne gelaufen sei. Das Umweltministerium des Landes Niedersachsen wollte auf eine E-Mail zu diesem Thema nicht antworten und nahm auch keine Anrufe entgegen. Wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass ein Unternehmen eine Landesregierung „austrickste“ und was dies für das Land Niedersachsen bedeute, erklärt der grüne Landtagsabgeordnete Pancescu in einem Beitrag der Nachrichtenseite „Norderlesen“ wie folgt:

„Die öffentliche Hand übernimmt also für etwas die Verantwortung, wofür sie gar nichts kann. Dieser Fall zeigt, dass wir einen Systemwandel in Deutschland benötigen“ und weiter: „Wenn ein Unternehmen eine Genehmigung beispielsweise für eine Deponie beantragt, dann darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn das Unternehmen Geld hinterlegt, auf das im Falle einer Insolvenz zugegriffen werden kann. Dazu bedarf es einer Gesetzesänderung.“[14]

Dass Glencore Gesetzeslücken wie diese kennt und bewusst ausnutzt, haben sie in vielen Ländern des Globalen Südens bereits oft genug bewiesen. Auch in Niedersachsen haben sie im Endeffekt nichts Illegales gemacht und trotzdem einen Schaden für das Land und die Steuerzahler:innen verursacht. Am Ende der Verhandlungen mit dem Land Niedersachsen erklärte Glencore, dass sie für weitere Gespräche nicht mehr zur Verfügung stünden. Ein Fall wie der in Nordenham zeigt daher eindrucksvoll die Macht eines globalen Rohstoffkonzerns wie Glencore auf. Das partielle Regierungsversagen in Niedersachsen räumt zudem mit dem eingangs erwähnten Vorurteil auf, dass einzig und allein die schlechte Regierungsführung oder Inkompetenz der Länder des Globalen Südens für die wirtschaftliche und soziale Ausbeutung verantwortlich seien.