Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Mosambik und die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens

2013 besuchte das KASA-Team im Rahmen seiner jährlichen Dienstreise die mosambikanische Hauptstadt Maputo. Ziel des einwöchigen Aufenthalts dort war es, Gespräche mit Mitgliedern des mosambikanischen Parlaments zu führen, um die Notwendigkeit für Mosambik zu thematisieren, einen Weg der Umverteilung des Geldsegens aus dem Bergbausektor zur Vorbeugung bewaffneter Konflikte zu finden. Im Jahr zuvor hatten Vertreter von NGOs aus dem Südlichen Afrika in einer Tagung mit Beteiligung der KASA die Idee ins Gespräch gebracht, eine Kampagne für ein SADC-weites Bedingungsloses Grundeinkommen (BIG) ins Leben zu rufen, das durch eine konsequente Besteuerung des Bergbausektors finanziert werden sollte. Das KASA-Team war überzeugt, dass Mosambik aus vielen Gründe dafür prädestiniert ist, mit dieser Idee Pionierarbeit zu leisten. Heute, sieben Jahre später, wollen wir in den folgenden Zeilen Licht auf dieses Projekt im Hinblick auf die neusten Entwicklungen in Mosambik werfen.

Die Sicherheitslage ist besorgniserregend

Aus dem Abschlusscommuniqué des 40. Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika, der ursprünglich in Maputo/Mosambik und Corona-bedingt digital vom 16. zum 18. August stattgefunden hat, sind folgende Sätze zu Mosambik zu lesen:

„Das Gipfeltreffen begrüßte die Entscheidung der Regierung der Republik Mosambik, die SADC auf die Situation der gewalttätigen Angriffe im Land aufmerksam zu machen, und lobte das Land für seine anhaltenden Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus und der gewalttätigen Angriffe.“ Mehr ist diesem Communiqué nicht zu entnehmen, obwohl die Situation in Mosambik zum Zeitpunkt des digitalen SADC-Gipfels mehr als besorgniserregend war und ist: Islamistische Gruppen, die seit den letzten zweieinhalb Jahren in der Region Cabo Delgado aktiv sind, haben im Juni ihre Anschläge ausgeweitet. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden mindestens 700 Menschen getötet und mindestens 115 000 Menschen in die Flucht getrieben. Mit der Eroberung der Hafenstadt Mocímboa da Praia im Norden des Landes ist diesen Aufständischen ihr bisher größter PR-Coup gelungen. Zu beklagen auch in dieser letzten Eskalation der Gewalt ist nicht nur der Verlust unschuldiger Menschenleben, sondern auch ein fataler wirtschaftlicher Schaden, denn die gezielten Angriffe dieser bewaffneten Gruppen auf die Arbeiter in Gasprojekten, könnten langfristige Auswirkungen auf die Bereitschaft nationaler und internationaler Investoren haben, in diesem Teil Mosambiks zu investieren, wo sich die meisten Öl- und Gasvorkommen des Landes  befinden. Dass die Aufständischen Mitarbeiter von Gasprojekten angreifen, kann ein Hinweis auf ihre Unzufriedenheit mit der Umverteilung der Einnahmen aus dem Gasgeschäft sein, auch wenn der Aufstand mit religiösem Fanatismus maskiert wird. Bereits 2013, während des Besuchs des KASA-Teams in Maputo, war das Thema „Rohstoffe“ praktisch allgegenwärtig. In vielen Gesprächen war immer wieder zu hören, dass in Mosambik die großen Dimensionen der in den letzten Jahren entdeckten Ressourcen immer sichtbarer wurden. In der Tat gingen Prognosen davon aus, dass Mosambik ab 2015 gut 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Jahr fördern würde. Damit wäre es unter den zehn größten gasproduzierenden Ländern weltweit. Auch die Kohle-Reserven im Norden des Landes schienen gewichtiger zu sein als bis dahin angenommen. Obwohl solche Ressourcen das große Potential haben, Devisen ins Land zu bringen, Arbeitsplätze zu schaffen und den allgemeinen Lebensstandard im Land zu verbessern, betrachteten viele Mosambikaner*innen schon vor sieben Jahren die neu entdeckten Reserven mit viel Skepsis. Die maßgeblichen Gründe für diese Sorgen sind im politischen System zu finden. Wie in den meisten Ländern des Südlichen Afrika, ist die gegenwärtige politische Landschaft in Mosambik durch eine übermächtige Exekutivgewalt einer ehemaligen Befreiungsbewegung gekennzeichnet, die alle anderen Institutionen kontrolliert. Hier, wie in vielen anderen Ländern dieser Region, wurde die Demokratie auf formale Wahlprozesse reduziert, die auch unter der Kontrolle dergleichen Befreiungsbewegungen durchgeführt werden, die nach ihrem eigenen historisch begründeten Selbstverständnis keine Wahl verlieren können. Es ist allgemein bekannt, dass Wahlen keine Garantie dafür sind, dass institutionelle Reformen oder eine bessere Regierungsführung im allgemeinen Interesse des Volkes durchgeführt werden. Das lässt sich im Fall von Mosambik bestätigen. Das Land hätte ihre 1992 nach einem langen Krieg eingeleitete Demokratisierung konsolidieren sollen,  indem es die Beteiligung der Bürger*innen durch öffentliche Debatten über Fragen von nationalem Interesse und durch die Förderung der Ethik in der politischen und administrativen Praxis fördert. Mit der Vermeidung dieser Arbeit zur Konsolidierung der Demokratie hat sich ein politisches System entwickelt, das durch Korruption untergraben wurde und letztlich für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt unproduktiv ist. Heute ist Mosambik nicht nur aufgrund der von den Rebellengruppen ausgelösten Instabilität in seiner Existenz bedroht, sondern auch aufgrund der hohen Auslandsverschuldung, die ein korruptes Regime gefördert hat.

Ein BIG ist aktueller denn je

Was die Situation in Mosambik noch brisanter macht, ist die besondere Konstellation, dass viele der natürlichen Ressourcen, die die Wirtschaft des Landes tragen, im Norden liegen und die meisten Politiker*innen in Spitzenpositionen, die Mosambiks Schicksal auf nationaler Ebene geprägt haben, aus dem Süden kommen[1].  Da die Hauptstadt, von der aus alles kontrolliert wird, ebenfalls im Süden liegt, fühlen sich viele Menschen im Norden ungerecht behandelt. Dies, kombiniert mit der Perspektivlosigkeit einer sehr jungen und mit massiver Arbeitslosigkeit konfrontierten Bevölkerung erklärt, dass Rebellengruppen auf fruchtbaren Boden stoßen. Genau diese Gefahr hatte das KASA-Team vor sieben Jahren vorhergesehen, als die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens ins Gespräch gebracht wurde. Diese Initiative beruhte auf der Überzeugung, dass eine Konzentration der Einnahmen aus Öl und Gas bei ein paar wenigen der in der Hauptstadt lebenden Eliten, viele Frustrationen und eine Gefährdung des Friedens und der Stabilität mit sich bringen würde. Dies hat sich leider bestätigt. Unter der damaligen Wirtschaftskonjunktur war ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur finanziell möglich, sondern auch politisch notwendig, um die lokale und nationale Zugehörigkeit zu stärken und gerechten Frieden zu stiften. Heute herrschen in Mosambik Unruhen, die langjährige Misswirtschaft hat das Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geführt und der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie hat die Wirtschaftskrise und damit die Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler Menschen verschlimmert. Unter diesen Bedingungen scheint die Realisierung eines BIG ökonomisch etwas schwieriger geworden zu sein. Politisch jedoch scheint es dringender denn je, denn ein BIG wäre eine direkte Intervention e, die vielen Menschen Perspektiven öffnen und somit zur Überwindung der Instabilität beizutragen kann. So gesehen würde es sich für Mosambik lohnen, im jetzigen Kontext die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um ein BIG zu implementieren.

[1] Der aktuelle Staatschef Filipe Nyusi ist der erste aus dem Norden stammende Präsident.