Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

“Namibia: A Week of Justice. Colonial Repercussions: Reflecting on the Genocide of the Ovaherero and Nama Peoples 115 Years Later”

Unter dieser Überschrift hat eine Gruppe namibischer und namibischer Organisationen eine Konferenz vom 25. zum 29. März 2019 organisiert. Auch wenn der erste Genozid des 20. Jahrhunderts 115 Jahre alt und Namibia seit 1990 unabhängig ist, war diese Konferenz eine der ersten öffentlichen Konferenzen in Namibia, die sich mit diesem Völkermord und seinen politischen Folgen beschäftigte. Das KASA-Team war zu diesem Zeitpunkt zwar schon im Südlichen Afrika, konnte aber aufgrund der seit langem feststehenden Termine in Johannesburg und Kapstadt nicht an dieser Konferenz teilnehmen. Aber einige der Partnerorganisationen, die das KASA-Team in Windhuk besuchte, waren dabei und haben ihre Eindrücke und Erfahrungen mit uns geteilt. Die folgenden Zeilen gehen auf ihre Berichte zurück.

Eine zweiteilige Konferenz in Windhoek und Swakopmund

Wertgeschätzt wurde von KASAs Partnern, dass die Konferenz nicht nur zweiteilig und in zwei Städten durchgeführt wurde, sondern auch dass die unterschiedlichen Formate verschiedene Zielgruppen mobilisieren und dadurch verschiedene Akzente vermitteln konnten.

Der erste Teil zu „“Colonial Injustice—Addressing Past Wrongs”  fand in Windhoek statt, wurde als öffentliche Veranstaltung konzipiert und war offen für Alle. Dies ermöglicht eine Teilnahme selbst von VertreterInnen von Gruppen wie den DeutschnamibierInnen, die oft den Genozid relativieren und von Reparationsforderungen gar nicht hören wollen. Dies gilt auch in einem gewissen Maß für Vertreter*nnen der namibischen Regierung, die den Genozid als solchen anerkennen, aber schwierige Beziehungen zu den VertreterInnen der Opfergruppen pflegen. Die Anwesenheit von Vertreter*nnen ersterer Gruppe ermöglichte eine vertiefte Diskussion über die historischen Fakten zum Genozid und über die Notwendigkeit, mit dieser schmerzhaften Geschichte verantwortungsbewusst umzugehen.

Der zweite Teil der Konferenz zum “International Law in Postcolonial Contexts” stellte in den Mittelpunkt die direkt betroffenen Gemeinschaften und deren konkrete Forderungen nach offizieller Entschuldigung Deutschlands und nach Reparationen. Diese Fragen sind nach wie vor brisant, denn die bisherige Haltung Deutschlands von den betroffenen Gruppen in Namibia als erzwungene Entschuldigung empfunden wird. Der im Jahr 2004 von der ehemaligen SPD-BMZ-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul formulierten Entschuldigung wird in Namibia zumindest in Kreisen der vom Genozid direkt betroffenen Gruppen keine Bedeutung mehr beigemessen. Es wurde im Laufe der Zeit deutlich, betonte Uhuru Dempers vom Desk for Social Responsability der Evangeligical Lutherian Church in Namibia (ELCN), dass die Ministerin damals für ihre Entschuldigung kein Mandat hatte und diese wurde seitdem durch verschiedene Stellungnahmen und Handlungen faktisch rückgängig gemacht. Aus Uhuru Demphers Perspektive setzt eine ernst zu nehmende Entschuldigung die Anerkennung aller materiellen Spuren voraus, die den Genozid vorausgingen: Briefe, die damals zwischen den verschiedenen Protagonisten ausgetauscht wurden, Posters, Postkarten, Ergebnisse der Volkszählung in Namibia vor dem Genozid und danach etc. Es sind diese Elemente, aus seiner Sicht, die ermöglichen werden, den Schaden zu qualifizieren, den dieser Genozid angerichtet hat. Die Etablierung der Fakten und deren Akzeptanz sind umso wichtiger, als es breite Gruppen unter den Deutsch-Namibiern gibt, die nach wie vor, den Genozid leugnen. Dies tun sie nicht nur in Diskursen, sie schaffen auch Fakten, in dem sie die Erinnerungskultur in Namibia dominieren. An vielen Orten haben sie Denkmäler errichtet, an denen eine unerträgliche Verherrlichung der Truppen oder einzelnen Menschen stattfindet, die am Genozid beteiligt waren, während die Orte, an denen die Opfer des Genozids begraben wurden, vernachlässigt werden. Für diese letzte Aufgabe ist vor allem die namibische Regierung gefragt. Ihr obliegt die Aufgabe, den Dekolonialisierungsprozess in Namibia in Gang zu setzen, und dies nicht nur im Blick auf den Umgang mit dem Genozid, sondern in Bezug auf viele andere Aspekte: von der Bildungs- bis zur Wirtschaftspolitik. Bei der Konferenz in Swakopmund  wurde darüber diskutiert, mit welcher Absicht die namibische Führung nach der Unabhängigkeit nationale Narrative fast ausschließlich um den Befreiungskampf gegen Südafrika konstruiert hat und die Großereignisse vor der südafrikanischen Kolonialzeit vernachlässigt hat. Auch Deutschland ist gefragt, nicht nur im Blick auf die Erinnerungsarbeit, die hierzulande, geleistet werden muss, um erschreckende Unwissenheit über das eigene Wirken in der Kolonialzeit zu beheben, sondern auch im Blick darauf, wie das Land dazu beitragen kann, die Erinnerungskultur der Opfer des Genozids in Namibia zu unterstützen und den Deutsch-Namibiern in ihrem unverantwortlichen Umgang mit der Geschichte keine Unterstützung zu gewähren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der für Uhuru Dempers für die Entschuldigung berücksichtigt werden sollte, ist der Ort, wo diese gesprochen werden soll. In seinen Augen ist das namibische Parlament als Wirkungsstätte der VertreterInnen der Bevölkerung aus allen Landesteilen der geeignete Ort für eine offizielle Entschuldigung. Und diese sollte begleitet werden durch eine Reihe von Ereignissen an verschiedenen Orten in Namibia, die sowohl religiöse als auch kulturelle Zeremonien beinhalten sollten. Wichtig dabei ist zu vermitteln, dass eine Entschuldigung angesichts einer Katastrophe dieses Ausmaßes nicht mit einer Rede erledigt werden kann. Eine offizielle Rede, von wem auch immer, kann nur der Beginn der Auseinandersetzung sein. Zu dieser gehört auch die Landfrage, die aus der Sicht der durch den deutschen Genozid geschädigten Gemeinschaften einen Schlüssel zur Beilegung des Konfliktes darstellt.  Aber der Versöhnungsprozess sollte auch eine Fortsetzung in allen Austauschformen unter Miteinbeziehung von Schulen, Universitäten und anderen Gruppen finden, welche Orte der Begegnung und des gemeinsamen Lernens kreieren können, bei denen es darum gehen soll, sicher zu stellen, dass sich solch eine Katastrophe nicht wiederholt. Dies ist einfach gesagt als getan, denn dies impliziert auf allen Seiten eine intensive Arbeit an Selbst- und Fremdbild  mit der Absicht, Überlegenheit- und Unterlegenheitsdenk- und -verhaltensmuster abzulegen, um die Gleichheit aller Menschen anzuerkennen.

Eines der Probleme, zu deren Lösung die Versöhnungsarbeit zwischen Deutschland und Namibia beitragen sollte, ist wie Uhuru Dempers erkärte, die Berücksichtigung der Interessen der Nachfahren der Hereros und Namas, die aufgrund des deutschen Kolonialismus und des Genozids Namibia damals verlassen mussten und sich in Südafrika, Botswana und in weiteren Ländern etabliert haben. Diese Gruppen wollen eine Identität entwickeln, die ihren Beziehungen zu ihren Familien in Namibia Rechnung trägt. Auch ihre Interessen müssen als Bestandsteil des Versöhnungsprozesses Berücksichtigung finden.