Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Sambias steiniger Weg in die Zukunft

Sambia hatte bis zur Präsidentschaft Edgar Lungus den Ruf, ein überaus demokratisches Land zu sein. Nachdem Kenneth Kaunda als erster Präsident des unabhängigen Landes 1991 nach 27 Jahren bei den ersten Mehrparteienwahlen verlor, räumte er ohne Protest seinen Platz. Dies machten sich die nachfolgenden Präsidenten zum Vorbild, und das, obwohl einige danach mit Anklagen wegen ihrer Regierungsführung konfrontiert waren. Doch nun scheint diese Ära beendet. Präsident Lungu wird neben Machtmissbrauch auch Gewalt gegen politisch Andersdenkende in der Opposition und in den eigenen Reihen vorgeworfen. Viele Sambier*innen befürchten, dass ihr Land in eine Diktatur schlittert.

„Es nützt nichts, wenn wir alle Oppositionspolitiker verhaften, die anderer Meinung sind wie wir. Nur wir als Regierungspartei sind für unsere Politik – für den Niedergang der Wirtschaft oder der Rechtsstaatlichkeit – verantwortlich. Die Opposition kann sagen und machen was sie will, letztendlich sind wir die einzigen, die das Leben der Sambier*innen beeinflussen, egal welcher Partei sie angehören,“ so Kevin Bwaya Fube, bekannter Rechtsanwalt und Mitglied der Regierungspartei Patriotic Front (PF). Sein Kommentar bezog sich auf die Verhaftung von Oppositionspolitikern, die die Regierungsführung von Präsident Lungu massiv kritisieren, wie etwa Hakainde Hichilema. Doch Präsident Lungu schreckt auch nicht davor zurück, Mitglieder aus seinen eigenen Reihen unter dubiosem Vorwand zu verhaften, wenn sie ihm im Weg stehen könnten bei seinen Ambitionen, eine dritte Amtszeit bei den Wahlen 2021 anzustreben. So befindet sich etwa derzeit der Informationsminister Chishimba Kabwili in Polizeigewahrsam, weil er angeblich eine illegale Versammlung abgehalten haben soll. Doch innerhalb der Regierungspartei Patriotic Front (PF) wird er als aussichtsreichster Kandidat für das Präsidentenamt gehandelt, was Lungu nicht passt. Lungu, der nach dem plötzlichen Tod von Präsident Sata zu dessen Nachfolger gewählt worden war und dann im August 2016 – wenn auch umstritten – wiedergewählt wurde, strebt eine weitere Amtszeit an mit dem Argument, dass die ersten 18 Monate keine volle Amtszeit gewesen seien und er daher 2021 wieder antreten könne. Das Verfassungsgericht gab ihm Ende November Recht. Inwieweit die vehemente Einflussnahme des Präsidenten auf das Gericht diese Entscheidung beeinflusst hatte oder ob die Entscheidung auf eine objektive Meinungsbildung beruht, bleibt offen.

Im Gespräch mit der BBC am 11. November sagte Hichilema, dass er im Begriff sei, wegen der Anstiftung zur Gewalt für Kommentare über China, die er am 2. November in einem Radiointerview gemacht habe, angeklagt zu werden. Die Regierung wertete diese Kommentare als Auslöser für einen Aufstand in Kitwe drei Tage später. Der Aufstand begann als Protest wegen Gerüchten um den Verkauf des staatlichen Holzkonzerns Zambia Forestry and Forest Industries Corporation (Zaffico) an China. Sambias Wirtschaft ist unter Druck geraten und Gerüchte, wonach China die Kontrolle über wichtige Teile der Wirtschaft, einschließlich des nationalen Stromversorgers und des Flughafens, übernehmen wolle, weil die Regierung außer Stande sei, mit den Schuldenrückzahlungen Schritt zu halten, hat die Menschen auf die Straße getrieben. In der Tat hat Sambia bereits jetzt, so der IWF, ein massives Schuldenproblem, das sich ab 2022, wenn die Eurobonds bedient werden müssen, noch weiter verstärken wird.[1]

Diese Gerüchte wies die Informationsministerin Dora Siliya auf dem 2018 Bloomberg Africa Business Innovators Summit im November entschieden zurück. Auf dem Gipfeltreffen betonte Bloomberg-Chef Mathew Winkler, ausländische Direktinvestitionen aus China hätten mit dazu beigetragen, dass Sambias Wirtschaft hinter Äthiopien zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaften auf dem afrikanischen Kontinent gehören würde. Das allerdings spüren die wenigsten Menschen in Sambia in ihrem täglichen Leben. Genau darauf hatte Hichilema in seinem Radiointerview hingewiesen.

Rechtsanwalt Fubes Appell an die Regierungspartei PF, dass „wenn wir uns gegenseitig zerstören und das Land zerstören, wird es so viel schwieriger sein, sich als Nation zu erholen”, konnte diese jedoch nicht davon überzeugen. Wenn Hichilema verhaftet werden würde, würde die politische Landschaft, die aufgrund des zunehmend autoritären Regierungsstil Lungus bereits tief gespalten sei, weiter polarisiert werden.

Hichilema, der im April 2017 wegen einer angeblichen Blockade der Autokolonne des Präsidenten verhaftet worden war, ist trotz der Anschuldigungen derzeit noch frei und konnte das zwanzigjährige Bestehen seiner Partei United Party for National Development (UPND) begehen. Die jüngste Repressionswelle hatte aber ein breites Spektrum von Regierungskritiker*innen, darunter einflussreiche Vertreter*innen zivilgesellschaftliche Gruppen und Akademiker*innen, erreicht.

Eher unbemerkt von der öffentlichen Debatte versucht Sambias Regierung derzeit, die Steuern für Minen um 1,5 Prozent zu erhöhen, wie Finanzministerin Margaret Mwanakatwe bei der Vorstellung des Haushalts für 2019 verkündete. Darüber hinaus soll eine zehnprozentige Tantiemenrate eingeführt werden für den Fall, dass der Kupferpreis über  USD7.500 pro Tonne steigt. Diese sogenannte Windfall Tax hatte Präsident Lungu 2015 nach der Amtsübernahme von Sata abgeschafft, als einige Minengesellschaften ihn massiv unter Druck gesetzt hatten. Daher war es auch nicht erstaunlich, dass die in der Zambia Chamber of Mines zusammengefassten Minenbetreibergesellschaften lautstark den wirtschaftlichen Ruin prophezeiten, sollte diese wieder eingeführt werden. Sie hatten im Vorfeld angeboten die Fördermenge zu verdoppeln, wenn im Gegenzug die sechsprozentige Steuer gesenkt werden würden.

„Wir sind nicht daran interessiert, die Fördermenge zu erhöhen, denn je mehr die Minen abbauen, umso mehr verlieren wir als Land. Denn das, was die Minen zurückgeben müssen, ist bei weitem nicht ausreichend,” argumentiert Dr. Lubinda Haabazoka, Direktor der Graduate School of Business der University of Zambia. Mit dieser Meinung steht er nicht allein. Der Minensektor trägt nur 12 Prozent zum BIP bei und ist aber für 70 Prozent des Exportwerts verantwortlich. Haabazoka weist darauf hin, dass Minengesellschaften immer wieder die Regierung erpressen würden – wie etwa kürzlich der Schweizer Konzern Glencore, der damit drohte, tausende Arbeiter*innen zu entlassen, sollte die Steuererhöhung kommen. „Minengesellschaften sollten aufhören, die Regierung in Geiselhaft zu nehmen. Es ist schlimm, dass, jedes Mal, wenn die Regierung etwas gut machen will, die Minenbetreiber damit beginnen, Arbeiter zu entlassen.“ Von den Rohstoffen, die jährlich im Wert von sechs Milliarden USD verkauft werden, erhält die sambische Regierung lediglich 300 Millionen USD. Damit, so Haabazoka, entwickelt sich Europa auf Kosten von Sambia weiter. An einer solchen Steuer müssten zumindest die Geberländer, die auf die Rückzahlung sambischer Schulden warten, ein Interesse haben.

Um dem Druck der Minengesellschaften standzuhalten, könnte Lungu durchaus das Wohlwollen und die Unterstützung der Opposition und auch seiner eigenen Parteigenoss*innen gut gebrauchen. Warum er diese Chance vertut, als gewichtiger Präsident in die sambische Geschichte einzugehen, könnte daran liegen, dass ihm Bereicherung im Amt vorgeworfen wird und er Angst hat, ebenfalls nach Ende seiner Amtszeit vor Gericht gezerrt zu werden.


[1] Siehe dazu ausführlich https://www.kasa.de/fileadmin/user_upload/downloads/news/kasa/2015_10_08_fachtagung_rueckkehr_der_schuldenkrise_chongo.pdf