Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Simbabwe, COVID-19 und die Schuldenkrise

Auch Simbabwe kämpft mit der Corona-Pandemie. Bis dato (15.12.2020) wurden in Simbabwe 11.358 Fälle und 306 Todesfälle verzeichnet, Tendenz steigend. Doch Simbabwe ist nicht allein mit dieser Pandemie konfrontiert – was für die meisten Staaten ja allein schon eine enorme Herausforderung darstellt – es sind auch seit langem schwelende sozioökonomische und politische Probleme wie der Zyklon Idai, chronische Dürre, schlechte Regierungsführung, illegale Finanzströme, endemische Korruption und eine hohe Auslandsverschuldung, die die Lage derzeit destabilisieren. Wie in anderen Ländern auch zeigen sich die Auswirkungen besonders deutlich im öffentliche Gesundheitssystem, das über Jahre hinweg nicht ausgebaut, wenn nicht gar vernachlässigt wurde. Die simbabwische Zivilgesellschaft befürchtet darüber hinaus, dass das Virus viel größeren Schaden anrichtet, als es die relativ niedrigen Zahlen vermuten lassen, weil zu wenig getestet wird oder die Ergebnisse nicht kommuniziert werden. Welche Auswirkungen konkret etwa die Auslandsverschuldung des Landes auf den Kampf der Regierung gegen das Virus hat, analysierte Janet Zhou von ZIMCODD in einer Online Veranstaltung, die die KASA in Zusammenarbeit mit Erlassjahr im November durchgeführt hatte.

Auslandsschulden sind eine schwere Last im Kampf gegen Covid-19

Simbabwe braucht frische finanzielle Ressourcen, um das Virus und seine Folgen bekämpfen zu können. Doch daran ist aufgrund der hohen Schulden an sich und darüber hinaus wegen der hohen Zahlungsrückstände derzeit nicht zu denken.

Laut Statistik der Landeszentralbank (RBZ) liegen die Inlandsschulden derzeit bei auf 10,4 Milliarden US-Dollar und die Auslandsschulden bei13,1 Milliarden USD. Das Land hat Zahlungsrückstände in Höhe von 5,97 Milliarden US-Dollar (74%). Es wird erwartet, dass die Wirtschaft um -6,4% schrumpfen wird. Die Gesamtverschuldung in Prozent zum BIP ist bis Ende 2019 auf 75-80 Prozent deutlich angestiegen. Dies verstößt gegen die Schwellenwerte, die in den gesetzlichen Instrumenten wie dem Public Debt Act von 2015 vorgesehen sind, und gegen die Verfassungsbestimmungen, die dem Parlament die Aufsichtsfunktion über die Schuldenaufnahme und -verwaltung zuweisen.

Simbabwes Auslandsverschuldung ist das Ergebnis von schlechten politischen Entscheidungen: Sparmaßnahme, grobe Misswirtschaft, Missbrauch staatlicher Ressourcen, Korruption, schlechter Haushaltsführung… Gleichzeitig haben aber Menschenrechtsverletzungen und fehlende Rechtsstaatlichkeit zu internationaler Isolation und Sanktionen geführt.

Sowohl die Mugabe- als auch die Mnangagwa-Regierung hat bisher nichts gegen die immer größer werdenden Schulden gegenüber der Weltbank, der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Europäischen Investitionsbank sowie dem Pariser Club unternommen. Dadurch ist die Regierung aber auch abgeschnitten von neuen Krediten oder internationalen Investitionen, die gerade jetzt in der Pandemie für Ausstattung der Krankenhäuser sowohl für die Behandlung von Patient*innen als auch für den Schutz des Gesundheitspersonals dringend benötigt werden. Denn im Gesundheitsbereich war Simbabwe auch schon vor Corona von Spendenmitteln abhängig.

Der coronabedingte Lockdown hat nicht nur die meisten Menschen, die in Simbabwe von informeller Arbeit leben, ohne Einkommen zurückgelassen, er hat auch der Regierung vieler der noch bis dato fließenden Einnahmen beraubt, die für die Eindämmung von Covid-19 dringend erforderlich sind. Die Regierung hat ein Konjunkturpaket in Höhe von 18 Milliarden ZWL eingeführt, was neun Prozent des BIP entspricht, ohne über die Finanzierung zu sprechen. Simbabwe kann aufgrund seiner Schuldenlast von keinen Finanzhilfen, die etwa IWF, Weltbank oder die G20 für die armen und wirtschaftlich schwachen Länder aufgelegt haben, profitieren. Zwar hat die Regierung seine Zahlungsrückstände gegenüber dem IWF im Jahr 2016 beglichen, doch solange sie die anderen nicht ebenfalls bedienen, erhalten sie keinen Zugang zu Finanzmitteln (Pari-Pasu-Prinzips).

Schuldenerlassoptionen für Simbabwe

Zwar sind die UN-Leitprinzipien zu Auslandsverschuldung und Menschenrechten nicht bindend, es ist jedoch sinnvoll, beim Blick auf das simbabwische Schuldenmanagement sich darauf zu beziehen:

  • Sicherstellung des Vorrangs von Menschenrechten
  • Gleichheit und Nichtdiskriminierung
  • Progressive Verwirklichung der Menschenrechte
  • Minimale menschenrechtliche Kernverpflichtungen werden trotz Schuldenrückzahlungsverpflichtungen erfüllt
  • Verpflichtung zur Vermeidung von Rückschritten bei menschenrechtlichen Verpflichtungen, die sich aus Schuldentilgungsverpflichtungen oder -zusagen ergeben
  • Gläubiger und Schuldner tragen gemeinsam die Verantwortung für die Verhinderung und Lösung nicht nachhaltiger Schuldensituationen
  • Transparenz, Partizipation und Rechenschaftspflicht der Staaten beim Schuldenabbau und -management.

Es gibt Finanzierungsalternative, die von multilateralen und bilateralen Gläubigern in der Regel übersehen bzw. vernachlässigt werden. Besonders interessant für den Fall Simbabwe erscheinen Sonderziehungsrechte (SZR), der Schuldenerlass, die Zuschussfinanzierung und der Schuldenstreik.

Sonderziehungsrechte (SZR) können ein praktikabler, schneller, einfacher und dabei schuldenfreier Mechanismus darstellen, um finanzielle Mittel zur Bekämpfung der Pandemie zu beschaffen. Die SZR sind eine Form von globalem Geld, das der IWF ohne Konditionalitäten und Diskriminierungen an seine Mitgliedsstaaten ausgibt. Sie werden in den Währungsreserven der Mitgliedsstaaten des IWF gehalten und können gehandelt oder für Überweisungen an die Zentralbank eines anderen Landes verwendet werden. Doch gerade die fehlende Konditionalität macht die praktisch kostenlose Maßnahme für einige G20-Staaten wie etwa den USA zum Problem. Daher scheint es für Simbabwe nur neues Geld für die Bekämpfung der Pandemie zu geben, wenn sie die vom IWF bereits im April 2020 formulierten Reformen umsetzen. Dazu gehören wirtschaftliche und politische Reformen, Korruptionsbekämpfung, Entschädigung enteigneter Farmbesitzer sowie eine Angleichung der nationalen Gesetze an die Verfassung von 2013.

Schuldenerlass

Die SZRs wären wirksamer, wenn sie mit einem Schuldenerlass gekoppelt werden. Simbabwe hat Kredite von bilateralen, multilateralen und privaten Gläubigern aufgenommen, zum Teil ohne die vorgeschriebenen demokratisches Überprüfungsverfahren einzuhalten. Oft verhandelte die Exekutive ohne ordnungsgemäßes Verfahren und ohne ein klares finanzielles Konzept für die Rückzahlung zu haben. Die Regierung ist nach eigenen Angaben weder in der Lage, die säumigen Kredite zu tilgen, noch die fällig werdenden zu begleichen. Umgekehrt wird jeder Versuch, Ressourcen aus anderen Haushaltsbudgets in die Schuldentilgung zustecken, das Gesundheitssystem, die Wirtschaft oder die Lebensgrundlagen der Bevölkerung weiter untergraben. Ein dauerhafter Schuldenerlass erscheint hier die einzige Lösung. Zwar würde Simbabwe nicht unmittelbar davon profitieren, da es bereits seit zwei Jahrzehnten zahlungsunfähig ist. Aber es würde der Regierung Spielraum verschaffen und sie könnte das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen, um die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen.

Doch ein solcher Schuldenerlass muss unbedingt mit einer verantwortungsvolleren Kreditaufnahme einhergehen, um die Versäumnisse vorheriger Schuldenerlasse vorzubeugen. Die simbabwische Zivilgesellschaft wird dabei darauf achten, dass keine neoliberalen Konditionalitäten an einen solchen Erlass geknüpft werden, die die sozio-ökonomische Lage des Landes weiter verschlechtern könnten. Dazu gehören etwa Sparmaßnahmen im Staatshaushalt, Privatisierung, Handelsliberalisierung, Deregulierung, Abschaffung von Kontrollen, Zinserhöhungen sowie Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung.

Zuschussfinanzierung

Schuldenerlass würde erst mal kein frisches Geld in die Wirtschaft bringen, wäre eher eine langfristige Sache – auch politisch – und würde keine Lösung für das massive Liquiditäts- und Finanzproblem darstellen. Das Land braucht jetzt humanitäre und finanzielle Hilfe oder Zuschüsse von multilateralen Institutionen, bilateralen Partnern, Unternehmen und Philanthropen, um die benötigten Gesundheits- und Sozialausgaben zu tätigen. Dies würde sicherstellen, dass solche Nothilfemaßnahmen keine weiteren Schulden kreieren würden.

Doch aufgrund der Misswirtschaft und Korruption sind Geberländer derzeit sehr zurückhaltend mit jedweder Art von Unterstützung. Einige internationale Organisationen lassen ihre Mittel direkt den bedürftigen Gemeinschaften oder Projekten zukommen. Doch auch hier appelliert die Zivilgesellschaft, etwa ZIMCODD dafür, dass ein von der Regierung unabhängiger Treuhandfonds einrichtet wird, der für die Sammlung und Verwaltung aller Ressourcen zuständig ist, die zur Bekämpfung der Covid-19-Krise mobilisiert werden.

Schuldenstreik

Für den Fall, dass die globalen Finanzinstitutionen und G20-Mitglieder keine der obigen Möglichkeiten in Betracht ziehen, wäre ein Schuldenstreik eine weitere Option, die allerdings nicht ein Land allein in Angriff nehmen könnte, sondern eher im Kontext der Afrikanischen Union diskutiert und umgesetzt werden muss. Hier müssten die Finanzminister kollektiv Zahlungen aussetzen und hätten damit sofort Zugang zu freiwerdenden Haushaltsmitteln. Doch ein einseitiger Schuldenstreik kann Strafen wie Verweigerung von Marktzugängen, Handelsbeschränkungen, Wirtschaftsembargos oder sogar der Abbruch diplomatischen Beziehungen durch die Gläubiger nach sich ziehen.

Rechenschaftspflicht und Überwachungsmechanismus

Die Wirtschaft Simbabwes wurde durch Korruption, illegale Finanzströme und Missmanagement stark in Mitleidenschaft gezogen, daher werden potenzielle Geber Zusicherungen verlangen, dass ihre Gelder nicht durch Korruption verloren gehen oder im Zusammenhang mit schwachen Institutionen und schlechter Regierungsführung verschwendet werden, bevor sie in einen Fonds einzahlen. Aber auch die Zivilgesellschaft kann nur dann einen Schuldenerlass fordern, wenn sie sich vergewissert hat, dass die öffentlichen Mittel nicht zum persönlichen Vorteil der Politiker*innen verwendet werden. Es liegt nun an der Regierung, ob sie dies gewährleisten kann – und will, dass ein solcher Treuhandfonds transparent geführt wird. Sie muss bereit sein, mit entsprechenden zivilgesellschaftlichen Organisationen und vertrauenswürdigen Personen zusammenarbeiten.

Die Aufgabe der Zivilgesellschaft ist es nun, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Schuldenerlasses, der Ausgabe von Sonderziehungsrechten (SZR) und der Zuschussfinanzierung als die wirksamsten Mittel zur Finanzierung des Kampfes gegen die globale Pandemie zu schaffen und mit Regierungsstellen in einen offenen Diskurs darüber treten.

Schlussfolgerung

Simbabwe kann die Auswirkungen von Covid-19 nicht in den Griff bekommen, ohne sich mit der Schuldenlast auseinanderzusetzen. Sollte die Regierung von den oben beschriebenen Maßnahmen profitieren können, würden dies die dringend benötigte Liquidität und den fiskalischen Spielraum für die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie schaffen, ohne dass die Wirtschaft durch die Schuldenlast weiter belastet wird. Es liegt daher in der Verantwortung der Regierung Simbabwes, sich mit der internationalen Gemeinschaft ernsthaft für Verhandlungen über einen Schuldenerlass einzusetzen und sich voll und ganz für Reformen einzusetzen, die das Leben vieler Simbabwer*innen, die unter der vielschichtigen Krise leiden, verbessern können.