Kameeta hat nun ein Grundeinkommen für Arbeitslose im Alter von 30 bis 59 Jahren in Höhe von 380N$ (23€) vorgeschlagen. Außerdem sollen Kindergeld und Mutterschaftsgeld universell aber auf Antrag gestaltet werden. Die bisherige Bedürftigkeitsprüfung etwa beim Kindergeld würde entfallen, wonach ein Elternteil beweisen muss, dass er weniger als 1000N$ pro Monat verdient oder dass das Kind ein Waisenkind ist. Derzeit wird für diese Kinder unter 18 Jahren 250N$ ausgezahlt. Es soll in den nächsten drei Jahren um 10 Prozent erhöhen werden.
Beim Mutterschaftsgeld schlägt der Minister eine einmalige Zahlung von 2.000N$ (121€) vor. Laut Kameeta soll das universelle Mutterschaftsgeld besonders arbeitslose, selbständige und schutzbedürftigen Frauen, die schwanger sind und stillen, unterstützen und der Einkommensausfall für drei Monate Mutterschutz ausgeglichen werden.
Diese Vorschläge werden nun von Experten geprüft, bevor sie dem Kabinett zur Genehmigung vorgelegt werden können. Sie würden die Sozialausgaben verdoppeln, von bisher 5 Mrd. N$ auf 10 Mrd. N$. Umso wichtiger wird die Debatte mit den Sozialexperten, um in einer immer angespannten Haushaltslage genügend fundierte Argumente für diese Erhöhung auszuarbeiten.
„In Verbindung mit der bereits bestehenden universellen Altersvorsorge sind die Ausweitung des Kindergeldes und des Mutterschutzes ein wichtiger Schritt hin zu einem integrativen sozialen Sicherheitsnetz“, kommentiert Herbert Jauch die von Kameeta vorgestellten Pläne. Der Gewerkschafter und Vorsitzende des Economic and Social Justice Trust war Teil der BIG-Koalition, die das Pilotprojekt in Otjivero gemeinsam mit Kameeta umgesetzt hatte. Aus dieser Erfahrung heraus speist sich auch seine Kritik an dem Begriff Grundeinkommen für Arbeitslose. Es handle sich, so Jauch, vielmehr um Arbeitslosengeld für Arbeitslose zwischen 30 und 59 Jahren und nicht um ein „Basic Income Grant (BIG)". Die Gruppe der 18-29jährigen, die die Mehrheit der Arbeitslosen ausmachen, wären jedoch ausgeschlossen. Grundsätzlich schwierig ist aus Sicht des Gewerkschafters, dass überhaupt im Kontext von Namibia mit dem Begriff Arbeitslosigkeit agiert wird.
„Nur eine Minderheit der erwerbstätigen Namibier*innen genießen einen unbefristeten Beschäftigungsstatus mit Sozialschutz, während die Mehrheit „informelle" Beschäftigungsbedingungen und erhebliche Schwachstellen ertragen muss. Dies macht die Identifizierung der vorgeschlagenen Begünstigten schwierig, sozial problematisch und administrativ teuer.“
Subsistenzlandwirtschaft, jede Art von informeller Beschäftigung, Kindererziehung oder andere familiäre Care-Arbeit wird weder erfasst noch mitgedacht und Frauen erneut besonders diskriminiert
„Der vom Ministerium vorgeschlagene Arbeitslosenzuschuss wird somit die in der Politik festgestellte Lücke im sozialen Netz nicht schließen, da er auf zielgerichtete Maßnahmen setzt und äußerst schwierig umzusetzen ist. Angesichts der Art der Beschäftigung in Namibia und der daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung der vorgesehenen Begünstigten sowie der kostspieligen Verwaltungsverfahren zur Umsetzung eines gezielten Arbeitslosengeldes erscheint es effizienter, ein universellen Grundeinkommen für Personen zwischen 18 und 59 Jahren einzuführen.“
Jauch argumentiert mit den Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt aus Otjivero für die Einführung eines universellen Grundeinkommens, doch dafür scheint es in Namibia derzeit keine Mehrheiten zu geben. Es gibt auch keine BIG-Koalition mehr, die dieses Window of Opportunity, solange diese Themen in der Politik diskutiert und verhandelt werden, mit Hilfe des öffentlichen Drucks für die Einführung eines BIGs nutzen könnte. Wenn überhaupt, so ist die sukzessive Umsetzung von unproblematischen Zahlungen wie etwa Kindergeld die Option der Stunde, zumal dies international bereits gute Praxis ist. Ein BIG hingegen wäre nicht nur für Namibia Neuland.
Ohne das Pilotprojekt in Otjivero wäre die internationale Debatte heute nicht da, wo sie ist, wären weitere Versuche der Umsetzung in Kenia, Indien oder Finnland nicht denkbar.
Aber nach wie vor verweigert sich die namibische Regierung den Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt – und auch den Erfahrungen, die das Nachbarland Südafrika mit seiner Sozialpolitik gemacht hat. Die sozialen Unruhen, die steigende Einkommensungleichheit und die immer wieder aufflammende Gewalt sprechen eine überdeutliche Sprache. Namibia hätte mit seiner überschaubaren Bevölkerungszahl und seinen großen natürlichen Ressourcen die Voraussetzung für eine Umsetzung eines universellen Grundeinkommens, das mit geschätzten fünf Prozent des BIP immer noch im Rahmen des Realistischen erscheint.