Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Ujama – Die Khayelitsha’s Guerilla Gardeners

Am letzten Tag der EKD-Konferenz in Cape Town besuchte das KASA-Team das Ujama Projekt in Khayelitsha. Das Projekt ist aus der Notwendigkeit heraus entstanden, der herrschenden Gewalt in vielen Teilen Khayelitsha’s, dem größten Township Südafrikas, etwas entgegen zu setzen. Ujama verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Seine Mitglieder wollen junge Menschen befähigen, an sich selbst zu glauben und ihre Talente zu nutzen, um auf diese Weise der „Straße und deren Gefahren zu entkommen“ und einen Beitrag zum Leben der Gemeinschaften, in denen sie leben, zu leisten. Die Mitglieder von Ujama versuchen Bereiche zu identifizieren, in denen sie und ihre Zielgruppen Lernbedarf haben und holen sich dafür Expertise von Universitäten oder NGOs, um somit die Handlungsspielräume zu nutzen, die sich in Südafrika auftun. So fand am Tag unseres Besuchs dort zum Beispiel eine Fortbildung zur Nutzung von sozialen Medien statt. Es ging an dem Tag konkret um die Frage, wie die Anwesenden soziale Medien nutzen können, um ihre Angebote als KünstlerInnen oder Kleinunternehmer bekannter zu machen.

Innovativ war nicht der Inhalt der Fortbildung an sich, sondern die Tatsache, dass ein solches Angebot im Township stattfindet, in einer Kneipe, die von jemandem aus der Community betrieben wird, und der durch die Nutzung seiner Räumlichkeiten auch Einnahmen erzielen kann. In der Regel sind es professionelle NGOs, die solche Fortbildungen für Menschen aus armen Vierteln in ihren Räumlichkeiten anbieten. Diese liegen meistens in schicken Wohnvierteln, weit von den Zielgruppen entfernt, die sie zu erreichen behaupten. Nicht selten finden auch Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen in noblen Hotels statt, für die die NGOs viel Geld ausgeben, was den Business-Strukturen (Restaurants, Hotels, Kneipen, Veranstaltungsräume) benachteiligter Viertel stärken würde, würden solche Aktivitäten direkt dort stattfinden.  Hinzu kommen die Fahrtkosten für die Zielgruppen aus benachteiligten Stadtvierteln hin und zurück. Mit Ujama werden solche Angebote von den Mitgliedern der Initiative selbst organisiert und zwar ausgehend von den Bedürfnissen, die sie in ihrer Gruppe und ihren Gemeinschaften selbst ermitteln. Die Durchführung solcher Fortbildungen, die, wie das KASA-Team erfährt, regelmäßig stattfinden, hat den Vorteil, dass Menschen aus noblen Stadtvierteln, die an solch eine Fortbildung leiten, die Wirklichkeit der Peripherie auch wahrnehmen. An diesem Tag war es ein afrikaanssprachiger weißer Südafrikaner von der Universität von Cape Town, der bei Ujama zu Gast war. Dies ist wichtig zu erwähnen, denn in Südafrika wird nach wie vor die Apartheidgeographie fortgesetzt. Die rassifizierten Gruppen leben noch überwiegend an den Orten, die das Apartheidregime ihnen zugewiesen hatte. Dass es immer wieder schwarze Menschen gibt, die den Aufstieg zur Mittelschicht schaffen und in überwiegend von „Weißen“ bewohnte Viertel umziehen, ändert nichts an diesem Phänomen. Sobald sie sich mehrheitlich an einer Straße niederlassen, ziehen die „Weißen“ um, insofern sie  sich das leisten können und diese Straße oder das Viertel wird den „Schwarzen“ überlassen. So wird die räumliche Trennung auf subtile Weise fortgesetzt.

Khayelitsha entstand 1985 als Wohngebiet für Schwarze, gemäß dem 1950 erlassenen Group Areas Act. Die meisten Menschen in Khahelitsha haben dieses Privileg nicht, den Wohnort wechseln zu können. Sie sind schon froh, wenn sie dort in anständigen Häusern leben können, denn weite Teile von Khahelitsha werden immer noch von „illegalen“ Siedlungen bestimmt, in denen die Häuser aus Blech-, Holz- oder Papphütten bestehen. Es gibt zwar Bemühungen der lokalen Behörden, das „Housing-Programm“ zu beschleunigen, damit mehr Menschen in anständigen Häusern leben können, aber die Wartelisten sind so lang, dass viele Menschen mittlerweile die Hoffnung aufgegeben haben, diesen Traum eines eigenen Hauses in ihrer Lebenszeit verwirklicht zu sehen. Diese illegalen Siedlungen sind in den letzten Jahren sogar  immer größer  geworden, je mehr Menschen die ländlichen Gebiete Südafrikas verlassen haben, um sich hier am Rande von Kapstadt auf der Suche nach Jobs niederzulassen. Die Perspektivlosigkeit treibt viele dieser Menschen dazu,  ihre Existenz auf dem Land aufzugeben. In Khahelitsha werden sie jedoch in der Regel mit einer noch härteren Realität konfrontiert. Auch hier sind die Menschen mit chronischer Arbeitslosigkeit und somit auch Armut konfrontiert. Es sind mehr als 400 000 Menschen, die auf diesem engen und sandigen Boden leben. Diese Bevölkerungsdichte, die Arbeitslosigkeit und die Armut, kombiniert mit der tristen Realität der Umgebung – notdürftiger Bauart der Behausungen, fast keine Grünflächen, wenige Bäume – dies verursacht oft Gewalt. Darunter leiden besonders Frauen und Kinder.

Auf diese Wirklichkeiten versucht das Ujama-Projekt zu reagieren. Der Name ist eine bekennende Anspielung auf den afrikanischen Sozialismus und auf die Ideen des mittlerweile verstorbenen Präsidenten Tansanias Julius Kambarage Nyerere. Er war von der Bedeutung von Kooperativen überzeugt, mit denen er die Bereicherung der Einzelnen beenden wollte, indem er die Produktion am Beispiel der Landwirtschaft kollektiv zu organisieren versuchte.  Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen Nyerere damals konfrontiert war, sind die Ujama-Mitglieder überzeugt, dass Südafrika sozialistische Ideen implementieren solle, denn das aktuelle System funktioniere nur für ein paar wenige. Einige dieser Ideen versuchen sie im Kleinen zu leben. Sie wollen dazu beitragen, dass die Menschen in Khahelitsha in Harmonie nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit ihrer Umwelt, die leider alles andere als freundlich ist, leben. Um die Heilung der Beziehungen zu ihrer unfreundlichen Natur einzuleiten, haben sie u.a. eine ehemalige Mülldeponie bereinigt und daraus einen Garten für Obst und Gemüse gemacht. Damit konnten sie vermitteln, dass es möglich ist, die paar wenigen freien Plätze, die es in Khahelitsha gibt, freundlich zu gestalten. Sie konnten die Menschen ermutigen, die kleinen Flächen neben oder vor ihren Häusern zu nutzen, um Kräuter, Gemüse, Blumen oder Obstbäume anzubauen. So lernen viele Menschen, wieder in Beziehung mit der Natur zu sein. Der Hauptgarten von Ujama wurde in Form eines Amphitheaters gebaut. Somit kann er auch als Versammlungs- und Rückzugsort dienen. Alles, was die Ujama-Mitglieder anbauen, wird nicht verkauft. Jede/r ist frei, sich in diesen „Guerilla-Gärten“ zu bedienen. Damit will Ujama auf eine andere Problematik aufmerksam machen, die in Südafrika hohe Wellen schlägt: Die Monopolisierung der Nahrungsmittelproduktion und die  daraus resultierende Machtposition, welche die Supermarktketten für die Ernährung der Menschen besitzen. Ujama tritt deswegen dafür ein, Land und Wasser umzuverteilen und den Menschen in den Townships Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten zu ermöglichen, damit mehr Menschen in die Produktion von Grundnahrungsmitteln einbezogen werden können, als dies bis jetzt der Fall ist. Um Wasser für ihre Gärten zu gewinnen, kooperieren die Projektmitglieder mit den direkten Nachbarn, bei denen sie Tanks installiert haben, um Regenwasser aufzufangen. In Khahelitsha wird die Wasserkrise Kapstadts noch spürbarer als anderswo, denn hier haben die meisten Menschen immer schon einen rationierten Zugang zu Wasser gehabt. Was im Blick auf die noblen Viertel als neue Krise thematisiert wurde, war in Khahelitsha immer schon Alltagsrealität. Ujama hat schweren Herzens zusehen müssen, wie sein großer Garten neben der Kirche austrocknete, weil der Regen viel zu lange ausblieb und an diesem Ort keine Wasserreserven vorhanden waren, um den Garten zu bewässern. Trotzdem haben die Ujama-Mitglieder die Hoffnung nicht verloren, auch diesen Garten wieder aufblühen zu lassen, damit einige Menschen ab und zu mal Gemüse und Obst essen können, das in der Community angebaut werden und damit sich zumindest einige Menschen in diesem großen und sandigen Gebiet ab und zu mal einen Einblick ins Grüne gönnen können, der ihre Beziehungen zur Natur und zueinander heilt. Damit es weiter geht, hoffen sie, wie viele andere Kapstadt, dass der nächste Winter, der im Juni beginnt, viel Regen mit sich bringt.