Swasiland – oder eSwatini, wie der König kürzlich beschlossen hatte – hat am 21. September 2018 gewählt. Doch was bedeuten Wahlen in einer absoluten Monarchie? Haben sie etwas mit Demokratie zu tun? Oder wäre das System gar nicht so schlecht, wenn diejenigen, die es kontrollieren, im Sinne des Volkes handeln würden? Wäre dem Land tatsächlich geholfen, wäre es demokratischer, wenn Parteien an der Macht wären?
Werfen wir zunächst ein Blick auf das unter dem Namen Tinkundla bekannte Wahlsystem des kleinen, von Südafrika und Mosambik umschlossenen Landes, das als letzte absolute Monarchie auf dem afrikanischen Kontinent gilt.
König Mswati III., seit dem Tod seines Vaters König Subhuza II. 1986 an der Macht, ist Oberbefehlshaber von Armee, Polizei und Gefängnisverwaltung. Kein vom Parlament beschlossenes Gesetz kann ohne seine Zustimmung in Kraft treten. Ihm zur Seite steht ein Rat bestehend aus Verwandten und „verdienten“ Personen. Außerdem ernennt er den Premierminister und kann das Parlament auflösen. Er steht selbst über der Verfassung.
In Swasiland ist eine Inkhundla (Plural: Tinkhundla) eine administrative Unterteilung, die kleiner als ein Bezirk, aber größer als ein Chiefdom ist. Swasiland hat vier Regionen (Hhohho, Lubombo, Manzini, Shiselweni) und 55 Tinkhundla.
Laut Verfassung ist die Regierung ein demokratisches, partizipatorisches, auf Tinkhundla basierendes System, das die Dezentralisierung der Staatsgewalt von der Zentralregierung auf Tinkhundla-Gebiete betont. Wahlen finden zunächst auf der Ebene der Chiefdoms statt. Zur Wahl stellen sich Personen als Unabhängige oder Einzelkandidat*innen, die aber von den Chiefs zugelassen werden müssen. Die Chiefs selbst werden ebenfalls vom König ernannt und sind „die Augen des Königs in den Gemeinden“, so König Mswati III.[1] Die Sieger*innen dieser Wahlen kandidieren dann in den Tinkhundla. Die Person mit der höchsten Stimmenzahl wird schließlich Parlamentarier*in. Das Parlament hat maximal 76 Mitglieder, von denen maximal 60 in Tinkhundla vom Volk gewählt und bis zu zehn vom König ernannt werden.
Der Senat von Swasiland ist die obere Kammer des Zweikammersystems, vergleichbar mit dem deutschen Bundesrat, und wird auf fünf Jahre gewählt. 20 seiner Mitglieder werden vom König ernannt, zehn vom Parlament. Mindestens fünf der vom König und mindestens acht der vom Parlament ernannten Senatoren sollen laut Verfassung Frauen sein. Bestimmte Gesetze müssen vom Senat gebilligt werden, um in Kraft treten zu können.
So weit, so gut.
Es gibt in Swasiland viele Menschen, die dem monarchischen System treu ergeben sind, auch wenn sie sich – mehr oder weniger öffentlich – gegen die massiven Menschenrechtsverstöße und die Ausblutung der Wirtschaft, gegen die Vertreibung von Menschen und Zerstörung der Lebensgrundlagen durch den König und seiner Familie zur Wehr setzen. Sie wären glücklich mit einem König, der zum Wohle des Volkes arbeitet. Zu ihnen gehört etwa Tengetile Dlamini, die in einer staatlichen Stelle für HIV und AIDS-Prävention arbeitet. In diesem Bereich hat Swasiland enormes geleistet und wird dafür auch international anerkannt, so Dlamini bei der Vorstellung des Buches „Swasiland – Monarchie ohne Menschenrechte“[2] im Berliner Missionswerk im September diesen Jahres. Gleichzeitig lesen wir in den sozialen Medien, dass das größte staatliche Krankenhaus in der Hauptstadt Mbabane keine Lebensmittel mehr hat, weil die Regierung die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Hier fällt es selbst treuen Monarchist*innen schwer, keine Kritik über die enormen Ausgaben der königlichen Familie zu äußern.
Diejenigen, die lautstark Kritik üben, sind meist Anhänger*innen politischer Parteien, die im Mehrparteiensystem die Lösung aller Probleme sehen. Sie kämpfen dafür, dass nicht nur Individuen sondern auch politische Parteien für die Tinkundla kandidieren dürfen und begründen dies mit der Forderung von mehr Demokratie und Transparenz. Dass dies nicht per se hilft, zeigt das Nachbarland Simbabwe, in dem zumindest seit 2000 mehrere Parteien in Wahlen um die Macht rangen, die Elite der regierenden Partei eine echte Demokratie aber ebenfalls zu verhindern wusste – übrigens mit ähnlichen Mitteln, die auch König Mswati II. anwendet: Überall in der Wirtschaft ist die königliche Familie oder deren Investmentfonds Tibiyo involviert, zieht Gewinne ab, muss keine Steuern zahlen und vertreibt Kleinbauern von ihren Feldern, um dort selbst Landwirtschaft zu betreiben. Kritiker*innen werden gnadenlos verfolgt, eingeschüchtert und gefoltert, auf Demonstrant*innen oder Streikende – wie kurz vor den Wahlen etwa die Lehrer*innen - wird scharf geschossen.
Doch auch Journalist*innen und Gewerkschafter*innen bekämpfen das bestehende System, das ihnen keine Freiheit lässt, denn Kritik an den wirtschaftlichen Machenschaften ist gleichbedeutend mit Kritik am König und dies wird mit aller zur Verfügung stehenden Staatsgewalt unterbunden. In der Verfassung werden politische Parteien explizit nicht zugelassen, obwohl Artikel 25 eine Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vorsieht. Seine eigene Geschichte von Verfolgung und Folter hat der junge Journalist Sicelo Vilane ebenfalls bei der Buchvorstellung erzählt. Er berichtete auch von Vertreibungen von den Zuckerrohrfarmen. Denn obwohl die Bauern gerichtlich gegen die Vertreibung und Zerstörung vorgegangen waren und sogar Recht bekommen hatten, ist dies in Swasiland nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben steht. Da der König über dem Gesetz steht, kann er machen, was er will.
Warum er so vorgeht, ist letztlich nicht nachvollziehbar, denn er bringt damit immer mehr Menschen gegen sich auf; auch auf dem Land und auch unter Frauen, die in Swasiland noch stärker auf Gehorsam getrimmt sind und wie so oft an unterster Stelle des Machtgefüges stehen. Obwohl etwa ein Drittel der Parlamentarier*innen Frauen sein sollen, müssen sie ihre Kandidatur beim Inkundla kniend vortragen und die Chiefs lehnen diese häufig ab. Eine der in der SADC stärksten Vereinigung der Frauen vom Land (Rural Women’s Assembly) kommt aus Swasiland. Sie kämpfen für mehr Selbstbestimmung und gegen Gewalt an Frauen und zählen damit zu einer Gruppe in Swasiland, die mit dem Führungsstil der Regierung und damit des Königs nicht einverstanden sind.
Die Königstreuen werfen den Anhänger*innen politischer Parteien oft eine hohe Gewaltbereitschaft vor, die die Polizei auf den Plan rufen würde. Diese wiederum reagieren mit Unverständnis, denn bisher sind alle Versuche, mit der Regierung oder gar mit dem König ins Gespräch zu kommen, gescheitert. Öffentliche Demonstrationen hingegen werden brutal niedergeknüppelt, ohne dass von den Demonstrierenden tatsächlich ein akutes Gewaltpotential ausgehen würde.
Bei Gesprächen wird deutlich, dass eine große gesellschaftliche Debatte über Demokratie und Einhaltung der Menschenrechte dringend nötig ist und dass gerade Demokratie mehr bedeutet, als eine*n Vertreter*in wählen zu dürfen. Sie bedeutet Gleichstellung etwa der Frauen und Toleranz gegenüber anderen Meinungen – zumindest wenn sie sich innerhalb des Verfassungsrahmens befinden. „Die Menschen in Swasiland vermissen die internationale Solidarität, die anderen Ländern zuteilwurde“, so Vilane. Ob sich daran so schnell etwas ändern wird, ist fraglich. Demokratisierung ist nicht einfach und muss eingeübt werden. Dafür ist der internationale Austausch enorm wichtig.
[1] www.swazilive.com/Swaziland_News/Swaziland_News_Stories.asp
[2] www.kasa.de/publikationen/detail/swasiland-monarchie-ohne-menschenrechte/