So lautet die Überschrift der Veranstaltung, die die KASA in Kooperation mit der Katholischen Arbeitsnehmerbewegung (KAB Rothenburg-Stuttgart) und Brot für die Welt im Rahmen des Katholikentages in Stuttgart durchführte. Konzipiert wurde sie vor dem Hintergrund der neuen Offensive der EU in Afrika. Diese findet Ausdruck in den Verhandlungen um ein umfassendes Abkommen mit einigen Ländern der Region Östliches und Südliches Afrika (ESA) und mit Kenia in Ostafrika. Darüber hinaus enthält das Postcotonou-Abkommen viele handelspolitische Aspekte. Die Verhandlungen mit ESA sollen bis Oktober abgeschlossen werden. Sie sind nicht nur problematisch im Blick darauf, dass nur fünf der Mitglieder dieser Gruppierung an den Verhandlungen teilnehmen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass diese fünf Länder (Simbabwe, Mauritius, Madagaskar, die Komoren und die Seychellen), die miteinander keine Landesgrenzen teilen, auch Mitglieder der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) sind. Mit dieser Region hat die EU das erste Nichtinterimsabkommen mit einer afrikanischen Region ausgehandelt. Es wurde in 2016 unterzeichnet und in diesem Jahr steht die erste Revision an. Auch wenn dieses Abkommen als umfassend bezeichnet wird, handelt es sich um ein reines Güterabkommen. Eine Liberalisierung in den Bereichen der Dienstleistungen, Wettbewerbs- und Investitionsregeln, im Öffentlichen Beschaffungswesen, Schutz des geistigen Eigentums und E-Commerce, die die EU mit der ESA nun verhandelt, stellt eine Gefahr dar für die gesamte SADC-Region. Gleichzeitig spaltet die Vertiefung der Handelsbeziehungen mit Kenia die ostafrikanische Gemeinschaft und die Interimsabkommen mit Kamerun in Zentralafrika und mit Ghana sowie der Elfenbeinküste in Westafrika verschärfen Spannungen in diesen Regionen. Vor dem Hintergrund dieser „Teile und Herrsche“-Strategie der EU hatte die Veranstaltung das Ziel, Vertreter:innen der Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit Vertreter:innen der Bundesregierung und des Europa-Parlaments ins Gespräch zu bringen, um darüber nachzudenken, wie ein Ausweg aus dieser anhaltenden Krise aussehen kann, welche bei fast allen EU-Afrika-Gipfeln, vor allem in den letzten acht Jahren, schön geredet wird. Zur Erinnerung: werden die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) werden seit 22 Jahren verhandelt.
Aufgrund krankheitsbedingter Absagen beider Vertreter:innen der Politik, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BWK) Sven Giegold und Pierrette Herzberger-Fofana vom EU-Parlament, musste das Konzept der Veranstaltung umgestellt werden. Trotzdem bot sie den Anwesenden eine gute Gelegenheit, mit hervorragenden Referenten in einige der aktuellen Auseinandersetzungen in den EU-Afrika-Beziehungen einzutauchen.
Thomas Hoyer, Geschäftsführer von WeltPartner eG in Ravensburg skizzierte zu Beginn, wie diese Genossenschaft versucht, Kleinbauernfamilien und den ökologischen Anbau zu fördern, aber auch immer mehr die Notwendigkeit einsieht, angesichts der Grenzen des Fairen Handelsansatzes verstärkte Mobilisierungs- und Lobbyarbeit in Deutschland und in der EU zu betreiben, um strukturelle Benachteiligungen im Welthandel abzubauen.
Prof. Helmut Asche, der in seinem neuen Buch "Regional Integration, Trade and Industry in Africa“ u.a. die Rolle internationaler Handelsabkommen für die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung in Afrika analysiert, dekonstruierte die falsche Kritik an den Wirtschaftsabkommen, die sich etwa am Vorwurf der Überschwemmung afrikanischer Agrarmärkte durch europäische subventionierte Produkte abarbeitet. Er sieht eines der zentralen Probleme eher in der Einschränkung der Handlungsspielräume (Policy Space). Bei den Verhandlungen wurden die Länder und Regionen gezwungen, sich auf eine eng gefasste Liste sensibler Produkte festzulegen und die fehlende Flexibilität in der Gestaltung dieser Liste raubt den Regionen die Möglichkeit, auf die neuen Dynamiken ihrer Ökonomien zu reagieren. Dies schreckt zu Recht einige afrikanische Regierungen, wie die von Tansania ab. Lösungen im Sinne von Kompromissen sind möglich, leider lehnt die Generaldirektion für Handel der EU-Kommission Nachverhandlungen kategorisch ab.
An diese Kritik knüpfte Africa Kiiza an. Er war bis vor kurzem Mitarbeiter von Southern and Eastern Africa Trade, Information and Negotiations Institut (SEATINI) mit Sitz in Kampala/Uganda. Seit kurzem promoviert er zur Digitalisierung und E-Commerce in Afrika an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Africa Kiiza erinnerte an eines der zentralen Ziele der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: die Förderung der regionalen Integration. Am Beispiel der Ostafrikanischen Gemeinschaft zeigte er, wie die EU durch ihre Verhandlungen mit Kenia dieses zentrale Ziel konterkariert und die Spannungen innerhalb der Region verstärkt. Was in Ostafrika passiert, ist, seiner Meinung nach, exemplarisch für alle anderen Regionen und daraus ergibt sich eine große Gefahr für die entstehende Panafrikanische Freihandelszone (AfCFTA). Produkte aus der EU können über Kenia jedes Land in Ostafrika und über Ghana jedes Land in Westafrika erreichen, es sei denn, strenge Ursprungsregeln wirken dem entgegen. Letztere hätten negative Konsequenzen auf die regionale und kontinentale Integration, zum Beispiel indem an den Grenzen noch stärker kontrolliert wird, was die AfCFTA eigentlich abschaffen will.
Francisco Mari, Referent für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik bei Brot für die Welt, informierte die Teilnehmenden über den Bericht des EU-Parlaments zur Zukunft der EU-Afrika Handelbeziehungen. Darin wird gefordert, dass die EU eine völlig neue Grundlage für ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem afrikanischen Kontinent schafft und auf eine Partnerschaft hinarbeitet, die gleichberechtigt ist und auf gegenseitigem Respekt und Verständnis beruht. Zivilgesellschaftliche Organisationen aus der EU und aus Afrika wurden für diesen Bericht konsultiert und einige von Ihnen haben den alten Vorschlag wieder belebt, dass die EU für mindestens 10 Jahre alle EPAs einfriert und allen afrikanischen Ländern einen freien Marktzugang ohne Bedingungen gewährt, damit sie unbedrängt ihren Binnenmarkt aufbauen können. Ob dieser Vorschlag im Endbericht des EU-Parlaments zu finden sein wird, bleibt abzuwarten. Francisco Mari thematisierte auch, dass die EU eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) anstrebt, in der die Doha-Entwicklungsrunde keine Rolle mehr spielt. Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen in dieser Entwicklung die Gefahr, dass die EU und andere Industrieländer wieder eine Integration armer Länder in den Welthandel versuchen wollen, die die Sonderregeln zum Schutz ihrer Agrarmärkte und Kleinindustrien, die diese Länder brauchen, außer Acht lässt. Besonders für afrikanische Länder wäre dies kontraproduktiv.
Die Fragen vom Publikum, die im Anschluss diskutiert wurden, drehten sich wie so oft bei fast allen Veranstaltungen zur Handelspolitik der EU mit afrikanischen Ländern, um die Rolle Chinas, aber auch um den von Frankreich unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl eingebrachten Vorschlag, die bevorstehende Reform des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) in der EU zu nutzen, um eine Konditionalität einzubauen, die vorsieht, dass afrikanische Länder, die ihre als Asylbewerber:innen abgelehnten Staatsbürger:innen nicht aufnehmen, den bevorzugten Marktzugang zur EU verlieren. Man darf gespannt sein, wie sich die Bundesregierung in dieser Frage positioniert.