Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

BIG-Festival in Windhoek: kreative Ideen für die Mobilisierung

Das Bedingungslose Grundeinkommen (Basic Income Grant, BIG) hat in Namibia eine lange und bedeutende Geschichte. Nach den Vorschlägen der NAMTAX-Kommission der namibischen Regierung für ein BIG im Jahr 2002 und der Bildung einer breiten Koalition aus Kirchen, Gewerkschaften, Nichtregierungs- sowie Jugendorganisationen zur Einführung eines BIG im Jahr 2004 gewann die Kampagne mit dem Pilotprojekt in Otjivero in den Jahren 2008 und 2009 an Schwung.

Damals erhielten alle Dorfbewohner:innen unterhalb des Rentenalters zwei Jahre lang monatlich 100 N$ (8€), was trotz des geringen Betrags zu beeindruckenden sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen führte. So ging schon nach einem halben Jahr die Unterernährung bei Kindern signifikant zurück, damit einhergehend verbesserten sich die schulischen Leistungen der Kinder zusehends. Es entstanden Kleinunternehmen und die Anzahl der festen Anstellungen erhöhte sich. Die Polizei verzeichnete einen Rückgang bei der Kriminalitätsrate und insgesamt konnten sich Frauen besser behaupten, weil sie über eigenes Geld verfügten. Aufgrund dieser empirischen Erkenntnisse bestand große Hoffnung, dass ein BIG in Namibia eingeführt werden würde. Und als der ehemalige Vorsitzende der BIG-Koalition, Bischof Dr. Zephania Kameeta, 2015 zum Minister für Armutsbekämpfung ernannt wurde, schien diese Hoffnung mehr als begründet. 

Zu früh gefreut – die Regierung lavierte um eine Einführung herum und letztendlich geschah nichts. Trotz der Enttäuschung darüber nahm die BIG-Koalition inmitten der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 wieder ihre Kampagne auf. Dieses mal sollte der Fokus auf der Mobilisierung der Bevölkerung und die Rekrutierung junger Aktivist:innen als "BIG Champions" liegen. Unter Federführung des Economic and Social Justice Trust (ESJT) wurde die Kampagne auf vielen Social-Media-Plattformen, aber auch durch physische Veranstaltungen in ärmeren Gemeinden sowie durch ein BIG-Konzert im Jahr 2021 sichtbarer. 

Die internationale BIG-Woche 2022 

Während der Internationalen Woche des Grundeinkommens vom 19. bis 24. September 2022 unternahmen wir als BIG-Koalition eine Reihe von Aktivitäten, die ihren Höhepunkt in einem Festival im Zentrum Windhoeks fand. Zuvor sollten täglich mehrere Werbe- oder besser Aktivierungsveranstaltungen auch in verschiedenen Stadtteilen von Windhoek und Katutura stattfinden. Die Menschen in diesen Orten sollten mit Unterhaltungsangeboten wie Musik und Tanz angelockt und auf das bevorstehende Hauptereignis aufmerksam gemacht werden. Die Öffentlichkeit sollte so über das BIG informiert werden und verstehen können, warum die Einführung eines universellen BIG in Namibia notwendig ist.  

Diese Veranstaltungen liefen gut. Freiwillige Helfer:innen organisierten zusammen mit der Koordinatorin der Kampagne, Rinaani Musutua, Musik und Aufführungen und verteilten Broschüren über das BIG und die bevorstehenden Konzerte. Dabei wurde deutlich, dass die BIG-Broschüre unbedingt in lokale Sprachen übersetzt werden muss, um möglichst viele zu erreichen. Es war toll zu sehen, wie die Begesterung der Jugendlichen auf alle übersprang. 

Am Freitag den 23. September fand im Wahlkreis von Tobias Hainyeko in Katutura eine Podiumsdiskussion über die Finanzierung des BIG und dessen Bedeutung für die Jugend statt. Obwohl die Teilnehmendenzahl geringer war als erwartet (15 Personen), gab es eine lebhafte Debatte. Die jungen BIG-Freiwilligen hatten diese Veranstaltung organisiert und moderiert. Sie konnten damit viel Erfahrung und neues Selbstvertrauen sammeln und wurden durch das Interesse an der Idee eines universellen BIG weiter ermutigt.  

"Ich habe durch die Podiumsdiskussion sehr viel gelernt. Ich habe vorher noch nie moderiert. Am Anfang war ich nervös, aber im Laufe der Diskussion wurde ich selbstbewusster und fing an, mich beim Moderieren wohl zu fühle," so Claudios Riruako. 

Beim Verteilen der BIG-Flyer in dder Öffentlichkeit und bei den Gespräche mit vielen verschiedenen Menschen mussten die „BIG-Champions" eine Fülle von Fragen beantworten können. Sie stellten auch fest, dass das Tragen der neuen BIG-T-Shirts (#NoOneIsLeftOut) das Interesse der Öffentlichkeit weckte und dadurch Diskussionen entfachte.  

Die Freiwilligen schlugen vor, dass mehr T-Shirts gedruckt werden sollten und dass alle, die ein T-Shirt erhielten, gut über das BIG informiert und in der Lage sein sollten, Fragen aus der Öffentlichkeit zu beantworten. 

Hauptveranstaltung 

Die Hauptveranstaltung unter dem Motto #NoOneIsLeftOutFestival am Samstag begann früh am Morgen und umfasste eine Vielzahl von Aktivitäten wie Hüpfburgen für Kinder sowie eine Modenschau und Konzerte am Nachmittag und Abend.  

Für das Festival konnten einige bekannte namibische Künstler:innen gewonnen werden, wie Cota Mushe, Ou Billem, Maranatha, Banger Drums, Tashen, Franklin, Tapz und Hartley Drums auf. Es traten auch junge, aufstrebende Musiker:innen auf, darunter Elle Mwanaka Chokwe, Namlife Style, Star Keys, YMZ, Rock Star Wetu, Rap King, Gaddess, Ori, Cutty (cutti3), Mareo & SamZoo, Hosei Legitimate und Dope Dance Boys.  

Zu den weiteren Aktivitäten gehörten traditionelle Tänze sowie Stände von kleinen und mittleren Unternehmen, die etwa Kosmetikprodukte, Mode oder traditionelle Lebensmittel verkauften und sehr erfolgreich waren.  

Aufgrund eines sehr eng gesteckten Budgets erhielten die Freiwilligen und Künstler:innen zwar nur eine kleine Aufwandsentschädigung, wurden aber dafür gut versorgt. 

Das Festival richtete sich vor allem an ein junges Publikum, das aufgefordert werden sollte, sich im Kampf gegen die Armut hinter die BIG-Koalition zu stellen und das Grundeinkommen als bedingungsloses Recht einzufordern. Bei einer Jugendarbeitslosenquote von 50 Prozent sind es vor allem junge Menschen, die von der Armut betroffen sind und daher diejenigen sein sollten, die Sozialleistungen vom Staat fordern. Mehrere hundert Menschen waren den ganzen Tag über anwesend und erlebten eine abwechslungsreiche Veranstaltung.  

Herausforderungen und gewonnene Erkenntnisse 

Für die BIG-Koalition und die Freiwilligen war es die erste Veranstaltung dieser Größenordnung, und es gab einige Herausforderungen zu bewältigen. Diese reichten von einigen Lücken in den Sicherheitsvorkehrungen bis hin zu Herausforderungen im Umgang mit den spezifischen Anforderungen der vielen Künstler:innen. Einige kamen zu spät oder wollten die ihnen zugewiesene Zeitspanne ändern. Es wurde daher beschlossen, dass es in Zukunft einen Vertrag geben soll, in dem die erwartete Leistung und die Vergütungsbedingungen für sie klar festgelegt werden. Auch die Einhaltung der Zeitvorgaben wird durchgesetzt werden, und ein Treffen mit allen Künstler:innen im Vorfeld wäre hilfreich gewesen, um die Rolle und die Verantwortlichkeiten aller zu klären.  

Da die übliche Kameraperson unter den Freiwilligen für die Aufzeichnung der Hauptveranstaltung nicht verfügbar war, musste ein Ersatz organisiert werden, der jedoch nicht alle Auftritte aufzeichnen konnte.  

Eine weitere Lektion, die wir gelernt haben, ist, dass bei künftigen Veranstaltungen spezielle Gruppen von Freiwilligen gebildet werden, die für die Durchführung bestimmter Aufgaben verantwortlich sind und klare Richtlinien haben. Dies wird dazu beitragen, die Koordination und Kommunikation innerhalb und zwischen den Teams zu verbessern.  

Am Veranstaltungsort gab es Probleme mit der Stromversorgung, da die Steckdosen überlastet waren, aber einer der Freiwilligen fand eine Lösung und mit Hilfe einiger schnell gekaufter Kabel konnte das Problem behoben werden. Wieder einmal haben die jugendliche Energie und die Fähigkeit zu improvisieren den Tag gerettet. 

Schlussfolgerung 

Das übergeordnete Ziel der Woche war es, die Öffentlichkeit über das BIG und seine Vorteile zu informieren und Präsident Geingob dringend aufzufordern, die Krise der Armut und Ungleichheit mit einem BIG von 500 N$/Person/Monat für alle Namibier:innen im Alter von 0-59 Jahren zu bekämpfen. Dies konnte durchaus erreicht werden. Aber es wurde auch deutlich, dass über das Konzept eines universellen BIG weiter aufgeklärt werden muss. Der Hashtag #NoOneIsLeftOutFestival sollte Präsident Geingob an sein Versprechen erinnern, das er dem namibischen Volk bereits 2015 gegeben hatte, als er sagte, er werde die Armut ausrotten und dass niemand in Namibia bei den Bemühungen dabei außen vor gelassen werden solle. 

Es wurde deutlich, dass Flugblätter in weiteren namibischen Sprachen benötigt werden. Außerdem müssen alle Freiwilligen gründlich über die verschiedenen Aspekte eines BIG informiert sein, um die Fragen aus der Öffentlichkeit beantworten zu können. Es hat sich bewährt, auf der Rückseite der Einladungsbroschüren für die Veranstaltung einige grundlegende Informationen über BIG abzudrucken. 

Die neuen BIG-T-Shirts zogen Aufmerksamkeit und Fragen auf sich und sind eine gute Möglichkeit, BIG bekannt zu machen. Eltern und ältere Menschen waren beeindruckt davon, wie die jungen Leute die Notwendigkeit eines universellen Grundeinkommens erklärten und motivierten. Künftig sollen Veranstaltungen auch außerhalb Windhoeks stattfinden, um Menschen in anderen Regionen zu erreichen. 

Insgesamt war die Veranstaltung dank des Engagements der Koordinatorin und des Teams von Freiwilligen, die großartige Arbeit leisteten und eine aufregende und lebendige Woche voller Aktivitäten auf die Beine stellten, sehr erfolgreich. Großveranstaltungen wie die BIG-Woche erfordern ein großes Budget, und in Zukunft müssen daher Sponsoren mindestens sechs Monate vor solchen Veranstaltungen gesucht werden. Wir als BIG-Koalition haben wertvolle Lehren daraus gezogen und ist entschlossen, die Debatte zu intensivieren und weiterhin die Einführung eines universellen BIG zu fordern. 

 

Der Artikel wurde von den beteiligten Freiwilligen für den KASA-Newsletter verfasst.