Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Dammbruch in der Diamantenmine Jagersfontein, Südafrika

Am 11. September brach der Damm des Absetzbeckens der Diamantenmine Jagersfontein im südafrikanischen Free State. Die vom Dammbruch ausgelöste Flutwelle hatte verheerende Auswirkungen auf die Gemeinde: Mindestens drei Menschen kamen ums Leben, etwa 40 Personen wurden verletzt, über neun Häuser wurden von der Flut mitgerissen und 20 weitere schwer beschädigt. Insgesamt verloren etwa 200 Menschen ihr Zuhause. Die Spur der Verwüstung führte bis acht Kilometer weit über das Becken hinaus. Der unweit von Jagersfontein verlaufende Fluss Prosesspruit, bis dato ein Lebensquell, ist heute mit giftigem Schlamm aus der Mine verschmutzt. Das vom Fluss gespeiste Ökosystem, das vielen Tier- und Pflanzenarten eine Heimat bot, wurde infolge des Dammbruchs empfindlich zerstört. Auch die umliegenden Weideflächen wurden in Mitleidenschaft gezogen; eine Fläche von mehr als 2000 Hektar Land ist unbenutzbar geworden.

Die Katastrophe hätte vermieden werden können, wenn die Verantwortlichen ihren Pflichten nachgekommen wären. Der weltgrößte Diamantenproduzent De Beers war viele Jahre Besitzer der Mine und legten diese im Jahr 1971 still. Der flüssige Minenabfall wurde nicht entsorgt. Diese Hinterlassenschaft nahm sich ab 2010 das Superkolong Konsortium an, das den Abfall nach unentdeckten Diamanten durchsiebte. Von Seiten der Bevölkerung von Jagersfontein, von Kommunalpolitiker:innen und der örtlichen Wasserbehörde wurde seit langem gefordert, die Entsorgung von Abwässern aus dem Minenunternehmen in den Stausee aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Stabilität des Damms einzustellen. Bereits vor zwei Jahren[1] wies das Free State Department of Water and Sanitation (DWS) die Jagersfontein Mining Company an, den Betrieb einzustellen, nachdem sie Regeln zur Wasserentsorgung nicht eingehalten hatte. Das Unternehmen hatte das erlaubte Wasservolumen im Absetzbecken um 70 Prozent überschritten. Dass diese Forderungen vom Unternehmen folgenlos ignoriert werden konnten, sei laut der Bench Marks Foundation[2] Ausdruck systematischer Vernachlässigung der kommunalen Anliegen durch das Ministerium für Bodenschätze und Energie, sowie von der Abwesenheit einer wirksamen und unabhängigen Regulierung. Trotz seiner Bedenken revidierte das DWS am 31. Mai 2021 seine Entscheidung und hob das Verwendungsverbot des Absetzbeckens auf. Und das auch, obwohl das Versagen von Absetzbeckendämmen keine Neuheit ist – immer häufiger und drastischer kommt es zu Vorfällen mit gravierenden Folgen für Gemeinschaften und Ökosysteme. Südafrika ist weltweit das Land mit den meisten vorgelagerten Absetzbecken. Diese gelten schon lange aufgrund ihrer unsicheren Bauweise als unsicher und sind teilweise sogar verboten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen aus Südafrika, den Vereinigten Staaten und Kanada fordern nun Regulierungsbehörden und Investoren dazu auf, die Verbesserung der Sicherheit von Absetzbecken vor eine Gewinnmaximierung zu stellen. Unabhängige Sicherheitskontrollen sollten in der Planung, im Bau, in der Stilllegung sowie in der Nachsorge von Absetzanlagen und Dämmen verpflichtend eingeführt werden, so Jamie Kneen von MiningWatch Canada, um Katastrophen derartiger Größenordnung in Zukunft zu verhindern.

Jagersfontein – ein Blick in die Geschichte[3]

Der Name Jagersfontein führt auf den Namen der Farm zurück, auf deren Land die Kleinstadt errichtet wurde. Die Farm im Oranje-Freistaat, der 1854 seine Unabhängigkeit von der britisch kontrollierten Kapkolonie erhielt, befand sich ursprünglich im Besitz von Jan Jagers und umfasste einen Brunnen, der als Jagers‘ Fountain bekannt war.

Ende 1850 wurde die Farm von Cornelius Visser aufgekauft. De Klerk, ein Verwandter der Vissers, entdeckte 1869 den ersten Diamanten auf dem Grundstück und damit gleichzeitig den ersten nicht-alluvialen Diamanten der Welt. Da die Gattin von Visser ausländischen, erfahrenen Wanderarbeitern mit Skepsis begegnete und zunächst nur Farmern aus der Umgebung oder Familienangehörigen das Schürfen nach dem wertvollen Mineral erlaubte, wuchsen die Jagersfontein-Schürfstellen nur sehr langsam, bevor Jagersfontein 1871 zur „offiziellen Schürfstelle“ ernannt wurde und auch englischsprachigen Freistaatsangehörigen mit Schürferfahrung den Diamantenabbau genehmigte.

Das durch die Diamantenfunde wiedererweckte Interesse der Briten an der Region führte noch im gleichen Jahr (1871) zur Re-Annexion des Oranje-Freistaats durch die Kapkolonie. Doch die Annexion des Gebiets und somit der Diamantenmine ging nicht kampflos vonstatten. Nach fünfjährigen Auseinandersetzungen über den Besitz der Mine wurde 1876 schließlich ein Abkommen abgeschlossen, das eine Entschädigung für den Freistaat in Höhe von 90.000 Pfund für den Verlust der Diamantenfelder vorsah.

Währenddessen zog Jagersfontein immer mehr Bergleute an, die provisorische, prekäre Unterkünfte errichteten – denn die Zukunft der Mine war ungewiss. Und auch der illegale Diamantenabbau wurde in der wachsenden Stadt ein einträgliches Geschäft. 1887 verkaufte Frau Visser ihre Farm an die Jagersfontein Mining and Exploration Company sowie an die United Diamond Mining Company, die sich 1891 unter dem Vorstand Cecil John Rhodes‘ zusammenschlossen. Rhodes war im Vorjahr zum Premierminister der britisch kontrollierten Kapkolonie gewählt worden. Durch seineBesitzanteile an der Mine sicherte sich Großbritannien zu einem gewissen Maß die Kontrolle über die Mine. Rhodes war zudem einer der Mitgründer der De Beers Consolidated Mines (1888), die 1930 unter dem Vorsitz der Familie Oppenheimer die Jagersfontein-Mine übernahm.

Aufgrund der großen Erfolge der Mine – zwei der zehn weltweit größten Diamanten Excelsior (1893) und Reitz/Jubilee (1895) wurden hier entdeckt – und trotz der Verwicklung der Mine in der brutalen und für manchen auch tödlich endenden Niederschlagung von Streiks der Bergbauarbeiter*innen in den Jahren 1913 und 1914, erhoffte sich De Beers großen Profit. Doch das 20. Jahrhundert war gekennzeichnet von den beiden aufeinanderfolgenden Weltkriegen und der Depression. Da der Wohlstand Jagersfonteins ausschließlich von einem Exportprodukt abhing, wirkten sich diese historischen Ereignisse höchst gravierend auf die Stadt und die Diamantenproduktion aus. Zwischen 1932 und 1949 blieb die Mine geschlossen.

Nach ihrer erneuten Inbetriebnahme 1949 erlebte Jagersfontein eine erneute Blütezeit, bis die Produktion 1971 endgültig gestoppt wurde. Jäh wurde die Periode des Wachstums von einer des Stillstandes abgelöst. Die Stilllegung der Mine bedeutete verheerende Konsequenzen für eine Stadt, in der außerhalb des Bergbaus keine Einkommensmöglichkeiten bestehen. Heute zählt Jagersfontein mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten landesweit zu den wirtschaftlich schwächsten Städten des Free State. Damit Städte, die durch den Diamantenabbau entstanden sind, künftig besser geschützt sind, wurde 2008 der Companies Act, Nr. 71 verabschiedet, der für soziale Verantwortung der Unternehmen plädiert und einen Sozial- und Ethikausschuss in jedem Unternehmen vorschreibt.

Fast vierzig Jahre später, im Jahr 2010, wurde die Diamantenmine an das Superkolong-Kosortium verkauft. Der Verkauf fand unter den Bedingungen der Einrichtung eines Community Trusts für die Gemeinde Jagersfontein sowie eines Know-How-Transfers an die Gemeindemitglieder statt, um dort qualifizierte Arbeitskräfte heranzubilden. 2011 fusionierte das Konsortium mit dem luxemburgischen Unternehmen Reinet Investments zu Jagersfontein Developments, welches bis heute die Mine betreibt. Es wurde erwartet, mit der neuen Anlage bis zu 28.000 Karat im Monat zu produzieren und rund 50 Millionen US-Dollar im Jahr zu erwirtschaften. Im April 2022 verkaufte Reinet Investments seine Minenanteile an das Unternehmen Stargems, das seinen Sitz in Dubai hat.

Trotz des Community Trusts brachte die Wiederaufnahme der Mine nicht den erhofften Wohlstand für die Gemeinde, da der hochmechanisierte Bergbaubetrieb zur Diamantengewinnung nicht arbeitsintensiv ist und daher nicht viele Arbeitsplätze bietet. Es ist offensichtlich, dass auf allen Regierungsebenen ein stärkerer Fokus auf Strategien zur Armutsbekämpfung erforderlich ist. Beispielsweise hätte Jagersfontein touristisch beworben werden können – viktorianische Architektur, die beeindruckende tiefste von Menschenhand geschaffene Tagebaumine, der Ort der ersten Entdeckung eines nicht-alluvialen Diamanten. Dieses schöne Bild hat sich leider heute zerschlagen: Die riesigen Schlammmassen, die die Stadt und die umliegenden Grünflächen bedecken, haben nicht nur die ökologische, sondern auch die ökonomische Lage in Jagersfontein verschärft – von Tourismus wird dort wohl in absehbarer Zeit nichts zu sehen sein.