Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Eindrücke aus vier Ländern

Seit Gründung der KASA 1996 waren Sambia, Namibia, Südafrika und Simbabwe im Fokus unserer Arbeit. In diesem Jahr konnte ich diese Länder nacheinander bereisen und erhielt dadurch einen Einblick in die Situation vor Ort und damit auch in ihre Unterschiedlichkeit – wenn auch sehr eklektisch.

Junge Gesellschaft

Das Durchschnittsalter in Sambia beträgt 17,1[1], in Simbabwe 18,2, in Namibia 21,4, in Südafrika 27,4 – und in Deutschland 44,6. Dies bedeutet, dass etwa in Sambia mehr als die Hälfte der Bevölkerung noch nicht volljährig ist und damit politisch kaum eine Stimme hat. Bei jeder neuen Wahl kommt gleichzeitig eine große Menge an Erstwähler:innen hinzu, die es zu motivieren gilt. Die Struktur sieht vor, dass sich Menschen jedes Mal wieder registrieren lassen müssen, bevor sie wählen können. Ein doppelter Aufwand, der etwa in Simbabwe dazu genutzt wird, schon im Vorfeld viele Hürden für die Wahlbeteiligung zu errichten. Dort etwa ist es wichtig zu kontrollieren, ob das Verzeichnis der Wahlberechtigten auch korrekt ist, ob eine Person auch dort registriert ist, wo er:sie wohnt, um dann am Wahltag auch an der richtigen Stelle für die Wahl anzustehen. Junge Menschen werden von den Parteien mit verschiedenen Versprechungen umworben. Simbabwe hat zehn zusätzliche Parlamentssitze für Jugendliche nach dem Verhältniswahlrecht vorgesehen.

„Wir müssen jungen Menschen zeigen, dass sie eine Stimme haben und diese nutzen können. Wir müssen die Parteien auf ihre Inhalte abklopfen und sie später für ihre Versprechungen in die Pflicht nehmen. Dafür müssen wir neue Wege gehen, kreativ sein. Denn derzeit fressen die alten Seilschaften in der Politik unsere Zukunft wortwörtlich auf!“, beschreibt Tatenda Wachenuka von der jungen NGO WeLead Trust in Harare die Herausforderung.

Ganz anders ist die Situation in Sambia seit der Wahl von Hakainde Hichilema. 2006 kandidierte er das erste Mal für das Präsidentenamt – 2021 gewann er schließlich gegen den damaligen Präsidenten Edgar Lungu. Hichilema startete eine Dezentralisierungskampagne und holte sich unter anderem Expert:innen aus der Zivilgesellschaft in die Regierung. Dazu zählt beispielsweise der unter Lungu verfolgte Rapper und Menschenrechtsaktivist Fumba Chama – besser bekannt als Pilato – den Hichilema als Staatssekretär ins Ministerium für Jugend, Sport und Kunst berief. Pilato kann sich nun für die die Jugend in den Bereichen Kunst und Musik einsetzen. „Wir müssen sichtbar machen, dass auch Künstler:innen Unternehmer:innen sind, dass sie Arbeitsplätze schaffen und Familien ein Einkommen ermöglichen. Auch hier muss der Staat investieren und etwa Theater bauen oder unterhalten, Filmindustrie fördern oder Aufnahmestudios einrichten. Wir brauchen aber auch ein soziales Sicherungssystem für diese Branche.“, beschreibt er seine vor ihm liegenden Aufgaben, als wir ihn in seinem Büro in Lusaka besuchen.

Schon seit vielen Jahren beschäftigt uns auch die Frage nach Einbeziehung der jungen Generation in Namibia. Mit dem Economic and Social Justice Trust versuchen Herbert Jauch und Rinaani Musutua junge Menschen für den Aktivismus zu begeistern. Derzeitiges Fokusthema sind das bedingungslose Grundeinkommen (BIG) und das grüne Wasserstoffprojekt. Wir treffen auf eine Gruppe, die die Comrades Association School of Activists durchlaufen haben und sich jetzt besonders für die Einführung eines BIG einsetzen. Sie berichten von ihrem familiären Hintergrund und warum sie aktiv geworden sind. „Da läuft etwas total falsch in einem Land, wenn das Einkommen so ungleich verteilt ist wie in Namibia. Hier bekommen Geflüchtete Essen und andere lebenswichtige Sachen, aber die eigene Bevölkerung bekommt nichts. Das schafft Spannungen. Deshalb setze ich mich für das BIG ein, auch wenn ich selbst als Simbabwer gar nicht davon profitieren werde!“ Oliver und Caspar engagieren sich, weil sie glauben, dass die Debatte um ein Grundeinkommen die Denkweise der Menschen verändern kann.

Auch Südafrika hat Probleme mit Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen. Es wird sich zeigen, wie sich dies auf die Wahlen im Mai auswirken wird. Doch gleichzeitig hat Südafrika auch ein ganz anders geartetes Problem. Es gibt eine wachsende Gruppe von Menschen, die es sich leisten kann, in sogenannten Gated Communities zu leben: eine fast autarke Wohnsiedlung mit Zaun, Security-Guards und homogener Nachbarschaft. Wir besuchen eine langjährige Freundin und Kollegin, Thembela Njenga, die vor einigen Jahren unsere Partnerorganisation ESSET geleitet hat. Aktuell leitet sie die Frauenorganisation WomaNiko. „Unsere von Frauen geführte Organisation kultiviert authentische Führungsqualitäten, damit Frauen in und außerhalb der Arbeit erfolgreich sind.“, so die Beschreibung auf der Webseite: Mit und für Frauen in einer Gesellschaft, die ihnen viele Bürden auflädt und sie damit allein lässt. Es ist spannend, wie sie die kleine Organisation von zu Hause aus leitet. Auch die Kolleginnen arbeiten im Homeoffice und haben sich gut organisiert. Doch interessant wird es, als Thembela und ihr Mann über ihre Kinder erzählen: „Hier wachsen Kinder in einer Blase auf, sie wissen gar nicht, wie die überwiegende Mehrheit der Menschen in Südafrika leben, womit sie sich beschäftigen. Für viele Kinder hier im Viertel sind ausschließlich Geld, Statussymbole und die Frage, wie sie Karriere machen können, um so einen Lebensstil zu gewährleisten, zentral. Unsere Kinder haben von sich aus beschlossen, auf eine öffentliche Schule zu gehen. Wir haben das sehr begrüßt, auch wenn das jeden Tag mehr als eine Stunde Fahrtzeit bedeutet!“

So entfernt sich ein Teil der heranwachsenden Generation nicht nur von ihren kulturellen Wurzeln, sondern auch von den Problemen, die sie umgeben.

Shrinking space

Seit dem 7. Oktober 2023 ist dies auch in Deutschland zum Problem geworden, obwohl sich die Zunahme schwindender Handlungsräume für zivilgesellschaftliche Organisationen per definitionem eher auf autokratische Systeme bezieht. In Sambia etwa haben wir hingegen seit dem Machtwechsel eine sich spürbar umkehrende Situation. Unser Fahrer in Lusaka macht, wie wir auch, seine ersten Erfahrungen mit dem lokalen App-System Yengo auf dem Weg zu der Menschenrechtsaktivistin Laura Miti und ihrer Organisation Alliance for Community Action (ACA). Der kürzeste Weg führt durch eine Straße, die eher an ein ausgetrocknetes Flussbett erinnert. Im Gegensatz dazu die modernen Straßen und Brücken im Zentrum Lusakas, deren Investition Lungu auch nicht vor der Wahlniederlage gerettet hat. Bei ACA angekommen, fällt uns die große Beschriftung auf der Mauer auf. „Zu Lungus Zeiten mussten wir uns verstecken, wurden wir immer wieder verhaftet und bedroht. Das ist jetzt vorbei. Die Tür der Regierung steht offen, die Zusammenarbeit wird gesucht.“, erklärt uns Laura. Aber, so erklärt sie, wenn Hichilema die enorm hohen Schulden nicht in den Griff bekommt, wird das böse enden. Die Armut ist so eklatant, dass gute Absichten allein nicht ausreichen. Wenn die Regierung unter Hichilema es nicht schafft, hier eine Entlastung herbeizuführen, wird sie dass bei den nächsten Wahlen in Form von Stimmverlusten zu spüren bekommen, obwohl auch keine der anderen Partei eine Lösung anbieten kann.

Wie viel schon passiert ist, welche positiven Entwicklungen sich abzeichnen, erfahren wir von Harry Kamboni, dem Abgeordneten, der ebenfalls aus der Zivilgesellschaft kommt. Vor vielen Jahren hat er das Cash Transfer Projekt der GIZ in Sambia koordiniert. Er beschreibt, was eine Region mit den dezentralisierten Mitteln des Constituency Development Fund (CDF) erreichen kann, wenn die lokalen Verantwortlichen und Politiker:innen zusammenarbeiten. Doch das ist nicht in jeder Lokalregierung so, wie wir vom Centre for Environmental Justice (CEJ) erfahren, die wir vor zwei Jahren nach Chirundu begleiten konnten. Dort hatte weder das Projekt der CEJ signifikante Verbesserung der Wassernot herbeiführen können noch die Finanzmittel des CDF. Wir merken, dass die Regierung Sambias noch deutlich mehr sowohl über ihre Erfolge als auch über ihre Bemühungen kommunizieren muss, will sie dauerhaft erfolgreich sein und das Vertrauen der Bevölkerung halten. Wir haben schon zu viele positive Ansätze in der Region scheitern sehen. Sambia sollte nicht dazugehören.

[1] Zahlen von 2022