Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Invasion aus Afrika? Achille Metonou Demagbo und die AfD

Achille Metonou Demagbo hat die deutsche Öffentlichkeit im buchstäblichen Sinne schockiert als er Anfang Dezember anlässlich der Vorwahlen der AfD für die Europa-Wahlen von Mai 2019 in Kiel eine Rede hielt, in der er einige der kühnsten Behauptungen „seiner“ Partei über Migration reproduziert hat. Die Tatsache, dass eine schwarze Person auf einem Parteitag der AfD eine Rede hält, ist an sich schockierend, da viele AfD-Mitglieder Rassismus offen an den Tag legen. Noch schockierender jedoch war das, was Metonou Demagbo in seiner Rede zu sagen hatte. Unter frenetischem Applaus der anwesenden AfD-Mitglieder, die es anscheinend genossen haben,   ihn als Verbündeten zu erleben, erzählte er, dass obwohl er stolz auf sein Herkunftsland Benin sei, betrachte er es als Privileg in Deutschland leben zu dürfen. Er wolle deswegen die Deutschen vor einer großen Gefahr, ja einer Plage warnen, die darin bestünde, Türen für Menschen aus Afrika aufzumachen. Deutschland dürfe keine Invasion durch MigrantInnen aus Afrika zulassen, Migration aus Afrika müsse mit allen Kräften verhindert werden. „Invasion“ aus Afrika sei eine große Gefahr für die Entwicklung Deutschlands und diese Gefahr liege u.a. an den gewaltigen kulturellen Unterschieden zwischen Deutschen und Afrikanern.

Wie erwartet hat diese Rede von Achille Metonou Demagbo heftige Reaktionen besonders auf sozialen Medien hervorgerufen. Viele haben sich gefragt, wie es zu erklären sei, dass ein Afrikaner oder Deutscher afrikanischer Herkunft sich so naiv und abfällig über Afrika und Menschen aus Afrika äußern kann. Die Reaktionen gingen von Kopfschütteln bis zu Beleidigungen, wobei die meisten Reaktionen  sachlich blieben. Das war u.a. der Fall in der Sendung der französischen Redaktion der Deutschen Welle „L‘ arbre á palabre“[1], Palaversbaum ins Deutsche übersetzt. Die Gäste in dieser Sendung versuchten Metonou Demagbo zu erklären, dass die Statistiken eine andere Sprache sprechen und sehr weit davon entfernt sind, die These einer Überflutung oder Invasion Deutschlands oder Europas durch Menschen aus Afrika zu belegen. Sie erinnerten ihn daran, dass Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland nicht mal 1% der Bevölkerung ausmachen, dass MigrantInnen aus Afrika zu keinem Zeitpunkt die Mehrheit der Geflüchteten ausmachten und dass selbst unter Berücksichtigung aller Zugewanderten seit 2015, das Jahr in dem der größte Anstieg der Geflüchteten registriert wurde, von einer Invasion nicht die Rede sein kann. Invasion ist wohl der geeignete Begriff zur Bezeichnung des Eindringens der EuropäerInnen in sämtliche Teile Afrikas, Ozeaniens, Asiens und Amerikas. Sie wanderten mit Waffengewalt aus und begannen die lokalen Bevölkerungen zu unterdrücken und in einigen Fällen bis zu deren Auslöschung. Ein Vergleich dieser Methoden mit der Ankunft von Schutzsuchenden in Deutschland in den letzten drei Jahren ist nicht nur fehl am Platz, sondern auch eine Beleidigung für all, die unter den Gräueltaten der Invasionen europäischer Mächte gelitten haben.  Genau dies tut Metonou Demagbo. Darüber hinaus wurde in dieser Sendung daran erinnert, dass die Mehrheit der Menschen aus Afrika, die ihre Heimatländer haben verlassen müssen, sich nicht auf dem Weg nach Europa machen, sondern in die direkt benachbarten Regionen ziehen, so dass Flucht und Migration in erster Linie regionale Phänomene bleiben. Viele bleiben in der Nähe ihrer Heimatländer, weil sie in der Hoffnung leben, so schnell wie möglich zurückkehren zu können. Sowohl von den Gefahren her als auch im Blick auf die Kosten und die Bereitschaft, ihrer Heimat endgültig den Rücken zu kehren, kommen die Strapazen einer Reise durch die Sahara und das Mittlermeer nur für einen Bruchteil der Menschen auf der Flucht in Frage. Dies lässt sich in  allen Statistiken zu Flucht und Migration belegen. Wichtiger für die meisten dieser Menschen ist nicht das Recht, auswandern zu dürfen, sondern das Recht zu bleiben. Wer von diesem Recht spricht, muss sich mit Fluchtursachen auseinandersetzen. Was die Teile des afrikanischen Kontinents angeht, aus denen Geflüchtete stammen, die Europa tatsächlich erreichen, gibt es neben hausgemachten Faktoren wie bestimmten Formen von schlechter Regierungsführung, ungerechter Verteilung von Ressourcen und Autokratien viele Fluchtursachen, an denen EU-Länder zumindest einen Teil der Verantwortung übernehmen müssen. Zu diesen Faktoren sind der Waffenhandel, eine ungerechte Handelspolitik, eine kriminelle Finanzarchitektur, die massive illegale Kapitalabflüsse begünstigt und die Unterstützung oder Tolerierung korrupter und autokratischer Regimes vor allem in ehemaligen französischen Kolonien zu zählen. Auch an diese Zusammenhänge wurde Achille Metonou Demagbo in der bereits erwähnten Sendung der Deutschen Welle erinnert.

Noch wichtiger als diese komplexen Zusammenhänge bleibt jedoch die Auseinandersetzung mit dem Selbst- und somit Fremdbild von Achille Metonou Demagbo von zentraler Bedeutung. Ohne Zweifel leidet er unter einem Minderwertigkeitskomplex. Er sieht sich selbst und alle, die ihm durch Biographie oder Hautfarbe ähnlich sind so weit unten und so anders gefährlich, dass er sie mit Begriffen wie „Überflutung“ und „Entwicklungsbremser“ in Verbindung bringt. Seine Attacken gegen Menschen aus Afrika sind nichts anders als Ausdruck einer persönlichen Identitätskrise. Somit glaubt er, gegenüber der AfD und der deutschen weißen  Mehrheitsgesellschaft zeigen zu können, er sei anders als die „anderen“ Menschen aus Afrika. Er glaubt dadurch eine Akzeptanz zu erlangen, die er anscheinend vermisst, was zu seiner Identitätskrise führt. Er kann dem Druck nicht standhalten, permanent erklären zu müssen, warum er dort ist, wo er ist. Er reagiert darauf, indem er sich von der Gruppe ausgrenzt, der er automatisch zugewiesen wird. So gesehen ist Achille Metonou Demagbo ein Parade-Beispiel derer die, angesichts von Situationen von Ungerechtigkeit oder Unterdrückung, die Denkmuster der Unterdrücker verinnerlichen und reproduzieren. Sie glauben dann sich selbst retten zu können, indem sie genauso oder sogar härter gegen die Gruppe schießen, deren Identität ihnen zugeschrieben wird. Und wenn Menschen wie A. Metonou beim AfD-Parteitag in Kiel Beifall erhalten, merken sie nicht, dass sie für extremistische Gruppen wertvolle Hilfe leisten. Solche Gruppen genießen es, wenn sie für die Expansion ihrer Ideologien selbst nicht mehr in Erscheinung treten müssen, weil diese von denen verinnerlicht und reproduziert werden, die darunter leiden oder leiden können.  Aus dieser Perspektive gilt es festzuhalten,  dass, was Achille Metonou Demagbo am meisten braucht sind keine Statistiken, die ihm beweisen, wie falsch er liegt. Auch Häme wegen seiner Naivität  hilft ihm nicht wirklich. Was ihm helfen würde, wäre Empathie, besonders von der schwarzen Community in Deutschland, damit er Selbstbewusstsein wieder gewinnt, um sich selbst,  die afrikanische Community und die Communities von Menschen mit Migrationsvordergrund und Migrationsgeschichte wieder lieben zu können. Dazu zählen bekanntermaßen viele mehr Menschen als gewöhnlich angenommen wird. Die Frage bleibt, wie weit zurück Migrationsgeschichte rekonstruiert wird.

 


[1] www.dw.com/fr/lafd-et-la-peur-de-linvasion-de-lallemagne-par-des-africains/av-46523475