Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Neuer Vorsitz der SADC: Der Stillstand ist vorprogrammiert

Mitte August fand der Gipfel der Southern African Development Community (SADC) in Kinshasa, der Hauptstadt der DR Kongo, statt. In der Tradition bisheriger Handhabung übernahm der Gastgeber des diesjährigen ordentlichen Gipfels der Staats- und Regierungschefs den Vorsitz des Zusammenschlusses für ein Jahr. So folgte auf den Präsidenten von Malawi, Lazarus Chakwera, der Präsident der DR Kongo. Was auf den ersten Blick wie eine logische Umsetzung der Protokolle und Praxen der SADC erscheint, birgt eine große Gefahr: die des Stillstands, etwas, was sich die Region angesichts der Sicherheitslage in Mosambik, der potenziell explosiven bevorstehenden Wahlen in Simbabwe und der DR Kongo selbst und vor allem angesichts der Destabilisierungsgefahren für viele Länder der Region, nicht leisten kann. Die Destabilisierungsgefahren ergeben sich sowohl aus den sozioökonomischen Auswirkungen der Covid-Maßnahmen als auch aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine und den damit zusammenhängenden geopolitischen Spannungen, sowie der Nahrungsmittel- und Energiekrise, die die Krisensituation zusätzlich verschärfen. In dieser Situation darf sich die SADC keinen Stillstand erlauben. Dieser ist jedoch unter dem Vorsitz von Félix Tshisekedi vorprogrammiert. Mit ihm hat jemand den Vorsitz der SADC übernommen, der anscheinend an diese Region nicht glaubt. Anders ist seine Aussage vom 29. März 2022 nicht zu erklären. Anlässlich der Aufnahme der DR Kongo als neuestes Mitglied in der East African Community (EAC) erklärte er:  “I have always considered the East African community was the best compared to other sub-regional economic blocs in Africa, in terms of free movement of people and goods, infrastructure, integration and trade." Diese Erklärung disqualifiziert F. Tshisekedi vom Vorsitz der SADC nicht nur, weil sie politisch und diplomatisch unangebracht, sondern auch weil sie schlicht und einfach falsch ist.

EAC: Alles andere als ein Vorbild

Die Ostafrikanische Gemeinschaft mit ihren Mitgliedern Burundi, Kenia, Ruanda, Südsudan, Tansania und Uganda läuft, wie die anderen regionalen Blocks Afrikas, ihren Ansprüchen hinterher. Gegründet im Jahr 1967, brach sie 1977 zusammen, bevor sie im Jahr 2000 wieder aktiviert wurde. 2010 beschloss die EAC einen eigenen gemeinsamen Markt für Waren, Arbeit und Kapital innerhalb der Region zu errichten. Als weitere Ziele wurden die Einführung einer gemeinsamen Währung und schließlich die Schaffung einer vollständigen politischen Föderation definiert. Die Region ist sehr weit weg davon, diese Ziele zu verwirklichen. Im Gegenteil haben in den letzten drei Jahren immer wiederkehrende Konflikte zwischen Uganda und Ruanda, Ruanda und Burundi und zwischen Kenia und Tansania die Handelsbeziehungen in der Region erschwert. Nicht selten führten die Konflikte bis zur Schließung der jeweiligen Grenzen oder zumindest zur Einschränkung der Austauschmöglichkeiten. In den Konflikten zwischen Tansania und Kenia spielt auch das Handelsabkommen der EU mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft eine Rolle. Dieses Abkommen wurde 2016 parafiert, jedoch wurde es nur von Ruanda und Kenia unterzeichnet und ratifiziert. Uganda und vor allem Tansania verweigerten die Unterschrift. Kenia, zu diesem Zeitpunkt als einziges Land der Region mit mittlerem Einkommen,<s> </s>sah sich gezwungen zu unterzeichnen, um seinen präferentiellen Marktzugang zur EU zu retten. Obwohl sein Marktzugang mittlerweile durch einen Sonderweg gesichert ist und das Land dabei ist, mit der EU das Warenhandelsabkommen<s>,</s> um weitere Bereiche zu erweitern, wird dort sowohl in der Presse als auch in politischen Kreisen immer wieder kolportiert, dass Tansania die Exportinteressen Kenias gefährde. So bekommt Tansania Druck sowohl von der EU als auch von Kenia selbst. Je länger Tansania Widerstand leistet, desto schlechter wird die Stimmung zwischen den beiden großen Wirtschaften des ostafrikanischen Raumes, und diese Spannungen spiegeln sich in der gesamten Region wider. Zwar bemühen sich Länder wie Tansania und Kenia, Infrastrukturen regionaler Bedeutung voranzubringen, die eine wichtige Voraussetzung für die Zirkularität von Menschen und Waren sind. Aber von einer Vorbildfunktion der EAC in Sachen regionale Integration kann nach jetzigem Stand der Dinge nicht die Rede sein, geschweige denn von konkreten Schritten zur Verwirklichung des großen Ziels einer vollständigen politischen Föderation. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die Mitgliedschaft der DR Kongo in der EAC rechtfertigt.

Die DR Kongo und die EAC

Die Mitgliedschaft der DR Kongo in der EAC geschah ohne jegliche Konsultation des Parlaments, der Zivilgesellschaft, der Wirtschaftsakteure und der Armee der DR Kongo. Unter den Think Tanks und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich mit ökonomischen Fragen beschäftigen, wundern sich viele über die Entscheidung. Es fällt ihnen schwer, herauszufinden, was diese weitere Mitgliedschaft ihres Landes neben den Mitgliedschaften in der Wirtschaftsgemeinschaft zentralafrikanischer Staaten (CEEAC) und in der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) der DR Kongo bringe. Der binnenafrikanische Handel wird dann attraktiv, so der Trend der letzten Jahre, wenn die Länder wettbewerbsfähige verarbeitete Produkte zu bieten haben, die ihnen ermöglichen, auf den Märkten der Nachbarn Fuß zu fassen. Die DR Kongo, deren Ökonomie sehr abhängig von Bodenschätzen ist, hat den Nachbarn im Osten, genauso wie denen im Süden und in der zentralafrikanischen Region, nicht viel zu bieten. Rein geographisch betrachtet kann das Land beanspruchen, zu den Regionalblöcken Zentralafrikas, Ostafrikas und des Südlichen Afrika zu gehören. Die fehlende politische Stabilität, die schlechte Regierungsführung kombiniert mit den fehlenden Infrastrukturen für Transport und Energie und die schwache industrielle Basis machen die Nutzung dieses geostrategischen Vorteils unmöglich. So gesehen macht eine neue Mitgliedschaft in einem regionalen Block keinen Sinn, da der Kongo von den bisherigen Mitgliedschaften nicht profitieren konnte.

Eine Mitgliedschaft für den persönlichen Machterhalt

Wenn diese neue Mitgliedschaft ökonomisch und politisch für die DR Kongo als Land keinen Sinn macht, dann um so mehr für das Tshisekedi-Regime. Zur Erinnerung: F. Tshisekedi wurde Präsident der DR Kongo nach den Präsidentschaftswahlen 2018. Aus denen ging er - nach Einschätzungen aller ernst zu nehmenden Wahlbeobachter:innen im In- und Ausland - nur als Dritter hervor, hinter dem Kandidaten der oppositionellen Koalition Fayulu und dem Kandidaten des Kabila-Regimes, Emmanuel Shadary. Die Koalition, die hinter ihm stand, wurde in Nairobi unter der Vermittlung des kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta gegründet. Letzterer war auch der einzige Staats- und Regierungschef, der bei seiner Amtseinführung erschien. Dass er durch eine so offensichtlich gestohlene Wahl Präsident wurde, wurde selbst in Afrika, wo viele Wahlprozesse alles andere als fair und gerecht verlaufen, als so skandalös empfunden, dass alle eingeladenen Staats- und Regierungschefs bis auf Uhuru Kenyatta beschlossen, der Amtseinführung fern zu bleiben. Nach den Wahlen sah Tshisekedi in Uganda und Ruanda die Hauptfaktoren zur Stabilisierung seiner Macht, auch um sich dadurch von Kabila ein Stück zu befreien. So versprach er Ruanda und Uganda, die seit 1998 Milizen in Ostkongo  unterhalten, ihre Interessen im Kongo zu garantieren, wenn sie im Gegenzug seinem Machterhalt nicht gefährlich werden. All diese egoistischen Interessen Tshisekedis haben in seiner Entscheidung, die DR Kongo zu einem Mitglied der EAC zu machen, die Oberhand gewonnen. 

Mit ihrem Beitritt in die EAC, trotz offensichtlicher Feindseligkeit von Ruanda und Uganda  ihr gegenüber, hat sich die DR Kongo zusätzlich in die Strategien der Nachbarn im Osten einwickeln lassen, die  mehr Potentiale haben, vom kongolesischen Markt Gebrauch zu machen. Hier sind vor allem Tansania und Kenia zu nennen, aber auch Uganda und Ruanda - zwei Länder, die die DR Kongo selbst bezichtigt, bewaffnete Gruppen sowohl politisch als auch finanziell und logistisch zu unterstützen, um über diese die Ressourcen der DR Kongo zu kontrollieren. Es ist bezeichnend, dass sowohl Ruanda als auch Uganda in den letzten Jahren Raffinerien für Gold und Coltan haben bauen lassen, obwohl es bekannt ist, dass diese Länder darüber kaum oder nur in begrenztem Maße verfügen. Diese Investitionen wurden mit der klaren Absicht getätigt, die Ressourcen der DR Kongo zu nutzen. Diese Länder erhoffen sich von der Mitgliedschaft der DR Kongo in der EAC eine Normalisierung der Plünderung der Ressourcen der DR Kongo.

Dass Tshisekedi in der Öffentlichkeit in Ignoranz aller Fakten die EAC als den besten regionalen Block Afrikas lobt, hat mit dem Versuch zu tun, die egoistischen Motive zu vertuschen.  Dieser in der Wortwahl misslungene Versuch ist auf seine Inkompetenz zurückzuführen. Mit seinem Bildungsniveau und seiner politischen Unerfahrenheit (die Präsidentschaft der DR Kongo ist seine erste formale Arbeit überhaupt) fällt es ihm offensichtlich schwer, komplexe Sachverhalte geschickt zum Ausdruck zu bringen. Aber der Schaden ist bereits verursacht. Die SADC hätte daraus Konsequenzen ziehen und Tshisekedi damit leben müssen. Die SADC hätte darauf reagieren müssen, dass Tshisekedi mit seinem Kommentar nicht würdigt, dass es die SADC durch Simbabwe, Angola und Namibia war, die ab 1998 militärisch gegen Ruanda und Uganda in der DR Kongo intervenierte und dadurch dazu beitrug, die territoriale Integrität dieses Landes zu retten. Und wenn die SADC als Region ihren Ansprüchen hinterherhinkt, dann beruht dies darauf, dass neben Simbabwe, Angola und Mosambik u.a. vor allem die DR Kongo ihre Hausaufgaben nicht erledigt: politische Instabilität, prekäre Sicherheitslage durch bewaffnete Konflikte im Nord- und Südosten, schlechte Infrastrukturen wie Häfen, Flughäfen, Straßen, unzureichende Energieversorgung, schlecht funktionierendes Gesundheits- und Bildungswesen, ineffiziente und korrupte Verwaltung etc. kennzeichnen das Land. All das trägt dazu bei, dass die DR Kongo, die bei in ihrem SADC-Beitritt 1997 in sie gesetzte Hoffnung, mit ihren unermesslichen natürlichen Ressourcen zur Entwicklung der Region beizutragen, nie erfüllt hat. Diese Zustände sind unter F. Tshisekedi nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil hat seine bisherige Amtszeit das Land sowohl sicherheitspolitisch als auch, was gute Regierungsführung angeht, zurückgeworfen.  

Fazit

Dass F. Tshisekedi nach dem Besagten die Präsidentschaft der SADC übernehmen durfte, zeigt, dass keine der Regierungen in der Region diese Institution ernst nimmt, obwohl alle immer wieder von der Notwendigkeit der regionalen Integration sprechen.  Dies erklärt auch, warum die SADC den eigenen Ansprüchen hinterherläuft. Ohne starke Institutionen kann die regionale Integration nur ein Traum bleiben und Institutionen leben von den Menschen, die sie führen. Für die SADC ist unter F.Tshisekedi ein Stillstand programmiert. Dies hat bereits die Afrikanische Union erfahren, die er im Jahr 2021 geleitet hat. So gesehen ist es erstaunlich, dass selbst soziale Bewegungen und NGOs, die sich am Rande des Gipfels der Staats- und Regierungschefs auch in Kinshasa trafen, diese Ausnutzung des regionalen Zusammenschlusses für interne Machtspiele nicht thematisierten. Für Tshisekedi wie auch vor ihm mit E. Mnangagwa aus Simbabwe und João Lourenço von Angola als seinen Nachfolger ist die Präsidentschaft der SADC nichts anders als Instrument der Machtdemonstration nach innen. Damit zeigen denjenigen nach innen, die ihre Legitimität in Frage stellen, wie wichtig sie international sind.  

Darüber hinaus ist der Beitritt des Kongo in die EAC deswegen auch fehl am Platz, weil der afrikanische Kontinent dabei ist, die Panafrikanische Freihandelszone (AfCFTA) zu implementieren. Diese will die bereits existierenden Regionalblöcke als Fundament für die kontinentale Integration nutzen. Eines der Probleme der afrikanischen Regionalblöcke ist die mehrfache Mitgliedschaft einiger Länder, ein sogenanntes Spaghetti-Modell mit vielzähligen juristischen, administrativen und politischen Implikationen. Die DR Kongo hat mit ihrer Entscheidung, der EAC beizutreten, das Problem verschärft. Dabei wäre dieser Beitritt vor dem Hintergrund der bevorstehenden Implementierung der AfCFTA gar nicht notwendig gewesen. Welche Marktzugänge hat die DR Kongo durch diese Mitgliedschaft gewonnen, die sie durch die AfCFTA nicht haben kann? Diese Frage stellten viele Analyst:innen in Kinshasa nach der Bekanntgabe des Beitritts der DR Kongo in die EAC. F. Tshisekedi und seinen Berater:innen konnten bis jetzt keine überzeugende Antwort darauf liefern.