Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Rural Women´s Assembly

Zur Konferenz “Climate Emergency Speak out” vom 14. November in Johannesburg

Der Konferenzraum des Frauengefängnisses des imposanten Constitutional Hill in Johannesburg wurde von der Rural Women´s Assembly (RWA) als Austragungsort für die Konferenz „Climate Emergency Speak Out. COP 27: „We, in Southern Africa, demand climate debt payment!“ ausgewählt. Die Konferenz fand am 14. November, also vier Tage vor Abschluss der COP 27 in Charm el-Cheikh (Ägypten) statt. Vor dem Hintergrund der COP 27-Klimaverhandlungen in Ägypten, bei denen sich die Frauen aus den ländlichen Gebieten des Südlichen Afrika nicht vertreten fühlten, wollten sie sich eine Plattform geben, um ihre Forderungen zu äußern und zu teilen.

Die Auswirkungen der Klimakrise auf das Leben insbesondere von Frauen auf dem Lande wurden in den Mittelpunkt gestellt. Bäuerinnen, Landarbeiterinnen und Fischerinnen sind die Hauptleidtragende der Klimakrise, da ihr Leben und ihre Existenzgrundlage ständig bedroht sind. In den letzten Jahren kam es in der SADC-Region immer häufiger zu extremen Wetterereignissen wie Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Dürreperioden. Viele Menschen, die 2018 vom Tropensturm Idai betroffen waren, leben immer noch in provisorischen Lagern und Zelten und sehen sich mit extremer Armut konfrontiert, sodass es praktisch unmöglich für sie ist, sich ihr Leben und ihre Existenzgrundlage wieder aufzubauen.

Aus den drei Ländern Mosambik, Simbabwe und Malawi, die von diesem gewaltigen Naturereignis direkt betroffen waren, kamen viele Delegierte zum „Climate Emergency Speak Out.“. Sie nahmen, genauso wie die Frauen aus Sambia, bis zu zwei Tage Busfahrt in Kauf, um ihre Stimmen hörbar machen zu können. Ihre Berichte waren herzergreifend. Alle SADC-Länder, bis auf die DR Kongo und Tansania, waren physisch vertreten, Delegierte aus Madagaskar, die auch die Anliegen anderer Inselstaaten vortrugen, wurden digital zugeschaltet. Selbst die Frauen aus Swasiland nahmen große Strapazen auf sich, um sich trotz der äußerst angespannten Sicherheitslage in ihrem Land mit Frauen aus anderen Ländern der Region austauschen zu können. Ich wurde eingeladen, diese Konferenz als Beobachter zu begleiten.

Die Ungerechtigkeit bleibt fortbestehen

Im ersten Vortag dieser Konferenz zum Thema „Wer die Verantwortung für die Klimakatastrophe tragen muss“, wurde skizziert, wie die industrielle Revolution das Klima veränderte. Diese brachte nicht nur technische und ökonomische Fortschritte, die das Leben der Menschen in den betroffenen Teilen der Welt positiv veränderten und heute als selbstverständlich und unverzichtbar empfunden werden. Sie hatte und hat auch eine Kehrseite: Krisen, die sich in Gestalt von Umweltverschmutzung, Aussterben der Artenvielfalt, CO2-Ausstoß und globaler Erderwärmung zeigen.

Sowohl der Segen als auch die Kehrseiten der industriellen Revolution sind ungleich verteilt. Wenn wir aber über historische Schulden sprechen, wäre es zu kurz gegriffen, mit der industriellen Revolution und ihren positiven und negativen Auswirkungen zu beginnen. Vielmehr sollte die industrielle Revolution als Ergebnis eines Prozesses angesehen werden, zu dem neben Faktoren wie technische Innovationen auch die Akkumulation von Kapital und die Nutzung vielfältiger agrarischer, mineralischer und energetischer Ressourcen beitrugen. Ohne die Verdinglichung der schwarzen Menschen im Kontext der Versklavung, die daraus resultierende Plantagenarbeit mit ihren Monokulturen und massiven Angriffen auf Ökosysteme auf dem amerikanischen Kontinent und ohne die Ausbeutung der Ressourcen aus dem globalen Süden, ist die Geschichte sowohl des Kapitalismus als auch der Industrialisierung zu kurz erzählt. In dieser historischen Phase, in der einige der großen Kapitalgesellschaften entstanden sind, die heute noch die Weltwirtschaft prägen, und in der die ersten großen Angriffe auf die Mitwelt begannen, waren die Menschen im globalen Süden auf der Verliererseite. Und sie sind es immer noch. Der Globale Süden leidet heute überproportional unter den Auswirkungen des Klimawandels, den er nicht verursacht hat. Diese historische Kontinuität muss im Blick behalten werden: Verlierer:innen gestern - Verlierer:innen heute.

Energiewende: zu den Gefahren des grünen Kolonialismus

Nun ist davon die Rede, dass die bisherigen Klimasünder die fossilen Energien hinter sich lassen und ihre Ökonomien auf erneuerbare Energien umstellen wollen. Afrika wird wieder als der Ort ausgemacht, der die Ressourcen liefen soll, um dieses große Projekt etwa in der EU voranzubringen: Kobalt, Lithium, Coltan, Platin und viele weitere Ressourcen, die für die Entwicklung der erneuerbaren Energien oder Technologien benötigt werden, sind dabei in Afrika zu finden. Zu diesen Ressourcen gehören auch Landflächen, Wasser, sowie Sonne aus den heißen Regionen des Kontinents und Wind aus den Küstenregionen. All diese Ressourcen sollen etwa für die Produktion von grünem Wasserstoff mobilisiert werden, der für die Schwerindustrie in der EU benötigt wird.

Der Wettlauf um diese Ressourcen birgt Gefahren eines neuen grünen Kolonialismus. Diesem kann nicht allein dadurch entgegengesetzt werden, dass die Produktion der erneuerbaren Energie dazu beitragen wird, die Energiearmut in afrikanischen Ländern zu reduzieren. Vielmehr wird grünem Kolonialismus entgegengewirkt, wenn die koloniale Arbeitsteilung nicht unter dem Vorwand der Dekarbonisierung der Ökonomien neu stabilisiert und legitimiert wird. Die koloniale Arbeitsteilung besteht darin, dass die energetischen, mineralischen und agrarischen Ressourcen aus afrikanischen Ländern in den (ehemaligen) Kolonialmächten verarbeitet werden, wo auch die Wertschöpfungsketten und die gut bezahlten Arbeitsplätze entstehen.

Es wäre ein notwendiger Schritt der Dekolonisierung, die Wertschöpfungsketten dahin zu verlagern, wo die Energiequellen (etwa Wasserstoffe aus Namibia) und die strategischen Ressourcen des 21. Jahrhunderts sind. So wäre die Energiewende nicht nur eine Grünfärbung der bestehenden Verhältnisse, sondern auch ein Mittel der Umverteilung der Profite aus den natürlichen Ressourcen in den Globalen Süden. Wenn unter der Legitimität der grünen Transformation am kolonialen extraktivistischen Modell festgehalten wird, dann nur unter der Bedingung einer gerechten Verteilung der Profite. Der Weg dafür ist die Verlagerung der Wertschöpfungsketten in die rohstoffreichen Länder.

Der Kolonialismus hat in afrikanischen Ländern im Bereich der Energie ein weiteres Erbe hinterlassen: das Monopol von ein paar wenigen staatlichen oder privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Energieproduktion und -verteilung kontrollieren. Diese versorgten zur Kolonialzeit die Produktionszentren (Minen, Plantagen) und die urbanen Zentren, in denen die selbsternannten Eliten lebten, und ließen die ländlichen Räume und selbst die Siedlungen am Rande der Stadtzentren außen vor. So geschieht es leider noch heute. Die Nutzung von Ressourcen wie der Sonne, öffnet eine Chance, die Energieproduktion und -verteilung zu dezentralisieren und zu demokratisieren. So können etwa Ortsgruppen der Rural Women Assembly-die Energie, die sie für ihre verschiedenen Aktivitäten brauchen, selbst produzieren. Sich auf dieses Dezentralisierungsprojekt der Energieproduktion und -nutzung zu konzentrieren und eine Finanzierung dafür bei den aktuellen Klimasündern zu erkämpfen, ist für afrikanische Regierungen prioritärer, als sich auf Narrative von Energiewende aus anderen Kontexten einzulassen, welche unter dem Vorwand der Energietransition die Fortsetzung monopolistischer Strukturen der Energieproduktion und -verteilung garantieren wollen. Wasserstoffproduktion kann sich nicht jeder leisten.

Frauenstimmen müssen zählen

Im Laufe dieser Tagung hat das große Netzwerk Rural Women’s Assembly gezeigt, mit welcher Kreativität die Frauen ausgestattet sind:  Wir haben viele Innovationen kennengelernt, die mit ganz wenigen oder mit wieder verwerteten Ressourcen geschaffen wurden, und Leben und Arbeit der Frauen erleichtern.

Diese Tagung hat solidarische Praxen sichtbar gemacht, die es den Frauen ermöglichen, trotz aller Widrigkeiten Resilienzen zu bilden. Sie leisten Widerstand gegen das Agrobusiness und zeigen auch angesichts von Klimawandel, dass sie in der Lage sind, unter Einbindung der Agrarökologie Anpassungsmöglichkeiten zu entwickeln. Ihre Stimmen und Lösungskompetenz werden nicht nur auf multilateraler Ebene ignoriert, sondern auch von nationalen Regierungen, die in erster Linie ihre Bemühungen für Anpassung an den Klimawandel unterstützen sollten. Dass die Frauen sich wie an diesem Tag mobilisieren, um dem Ignorieren ihrer Stimmen entgegenzuwirken, kann nur begrüßt werden. Nur durch starke Mobilisierung der Frauen und ihrer Stimmen kann es gelingen, das, was sie „Klima-Apartheid“ nennen, zu beenden.