Vom 16. bis 18. August 2022 trafen sich in Kinshasa soziale Bewegungen und progressive zivilgesellschaftliche Organisationen aus der SADC-Region für ihren jährlichen SADC People's Summit unter dem Motto 'Challenging extractivism and taking ownership of our resources for people centred development.” Wie jedes Jahr fand der People´s Summit am Rande des Gipfels der Staats- und Regierungschefs statt. Aufgrund der Explosion der Flugkosten besonders für binnenafrikanische Verbindungen in Folge der Corona-Pandemie und der Energiepreise, der großen Entfernungen zwischen den meisten Ländern der SADC und der Hauptstadt der DR Kongo, der fehlenden Direktverbindungen nach Kinshasa vom Südlichen Afrika aus, da viel Fluggesellschaften der Region nicht mehr existieren, und der damit zusammenhängenden indirekten Verbindungen über Nairobi oder Addis Abeba haben es nur wenige Organisationen geschafft, Vertreter:innen nach Kinshasa zu entsenden. Entsprechend klein ist der diesjährige SADC People´s Summit ausgefallen, anders als von den Veranstalter:innen gewünscht. Letztere wollten den Gipfel in Kinshasa wie eine Art Neubeginn nutzen, nachdem die zwei letzten Auflagen des People´s Summit in Mosambik und Malawi aufgrund der Corona-Pandemie digital oder bewusst klein gehalten wurden.
Inhaltlich befassten sich die in Kinshasa anwesenden Delegierten sowohl mit länderspezifischen als auch mit länderübergreifenden thematischen Schwerpunkten. Die länderspezifischen Schwerpunkte nahmen besonders die Länder der Region in den Blick, die sich in einer besorgniserregenden politischen Krise befinden: Simbabwe, Eswatini und die DR Kongo. Die spezifischen Empfehlungen zu diesen drei Ländern befinden sich unter dem thematischen Schwerpunkt „Demokratie, Menschenrechte und Regierungsführung“. Neben diesem wurden folgende weitere Themen behandelt: Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte, Jugend, Governance für natürliche Ressourcen und Klimagerechtigkeit, Wirtschaftliche Gerechtigkeit und Ungleichheit, Schrinking Space, Ernährungssicherheit und Agrarökologie. All diese Themen sind aus der Perspektive der KASA wichtig, relevant und höchst aktuell für die Region. Interessant ist jedoch der Vergleich zwischen den Empfehlungen zu den Unterthemen „Handelsgerechtigkeit“ und „Schulden“, die beide unter dem Oberthema „Wirtschaftliche Gerechtigkeit und Ungleichheit“ behandelt wurden. Zum ersten wurden nur zwei Forderungen formuliert, die lauten:
(a) Wir fordern die Staats- und Regierungschefs der SADC auf, die nichttarifären Handelshemmnisse abzubauen und ein vereinfachtes SADC-Handelsregime umzusetzen.
(b) Wir fordern die Staats- und Regierungschefs der SADC auf, die Einbeziehung des informellen Sektors, der Kleinbäuer:innen und der grenzüberschreitenden Händler: innen (SACBTA) in die Umsetzung der regionalen und panafrikanischen Handelsabkommen zu erleichtern.
Was die Schuldenfrage angeht, sind folgende Empfehlungen nachzulesen:
(a) Wir fordern die dringende Ausarbeitung eines umfassenden regionalen Schuldentragfähigkeitsplans, um die Region von einem schuldenfinanzierten Wirtschaftswachstum auf Kosten der Bevölkerung zu befreien.
(b) Wir bekräftigen unsere Forderung nach einem sofortigen Schuldenerlass als eine Frage der Gerechtigkeit.
(c) Wir fordern die südafrikanische Regierung als Mitglied der G20 auf, die Bemühungen um rechtsverbindliche Maßnahmen zu führen, um private Gläubiger zu zwingen, sich an den bereits begrenzten und unzureichenden globalen Umschuldungsmaßnahmen, wie z.B. dem Common Framework for Debt Treatments der G20, zu beteiligen.
(d) Wir fordern die Staats- und Regierungschefs der SADC ferner dringend auf, gemeinsam die Forderung nach der Entwicklung eines umfassenden globalen Mechanismus zur Umstrukturierung von Staatsschulden zu unterstützen.
(e) Wir fordern die SADC auf, die parlamentarische Rechenschaftspflicht, Überwachung und Kontrolle bei der Schuldenreduzierung und -rückzahlung zu stärken.
Es fällt auf, dass nicht nur die Empfehlungen zur Schuldenproblematik ausführlicher sind, sondern auch und vor allem, dass sie sowohl die Verantwortung der Länder der Region als auch die der Akeur:innen außerhalb der SADC adressieren. Die zwei Empfehlungen zur Handelspolitik dagegen erwähnen nur Aspekte des regionalen Handels. Somit wurden zwei wichtige Prozesse ignoriert oder nur vorläufig erwähnt. Zum einen handelt es sich um die Panafrikanische Freihandelszone (AfCFTA), an der sich die SADC-Länder beteiligen, und die, wenn umgesetzt, nicht ohne Konsequenzen auf die Produktions- und Handelsstrukturen der einzelnen Länder der SADC bleiben wird. Hier wird die AfCFTA nur im Blick auf die Integration der Kleinbäuer:innen und der der grenzüberschreitenden Händler: innen erwähnt, als ob sich die damit zusammenhängenden Probleme darauf beschränken würden. Zum anderen geht es um die Wirtschaftsabkommen (WPA) der EU mit den Ländern dieser Region. Die Länder der SADC sind in der SADC-WPA-Gruppe und in der ESA-WPA-Gruppe zu finden. Einig Tansania und die DR Kongo sind jeweils der zentralafrikanischen WPA-Gruppe und der EAC-EPA-Gruppe zugeordnet. Für beide Subregionen SADC-WPA und ESA-WPA laufen in diesem Jahr wichtige Prozesse. Während für das SADC-Abkommen nach fünf Jahren Umsetzung eine erste Revision in Gang ist, verhandelt die EU mit den ESA-Ländern um Simbabwe, Madagaskar, die Seychellen, die Komoren und Mauritius eine Erweiterung des Interimsgüterhandels auf ein umfassendes Abkommen. Die Verhandlungen rund um Handelsbereiche wie Dienstleistungen, Investitions- und Wettbewerbsregeln, Öffentliches Beschaffungswesen, E-Commerce, Schutz des geistigen Eigentums, Nachhaltigkeitskapitel sind fortgeschritten und sollten ursprünglich sogar in diesem Jahr abgeschlossen werden. Eine starke Stellungnahme der progressiven Kräfte der Region zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen dieser beiden SADC-Subgruppen wäre für die Mobilisierungs- und Lobbyarbeit in der Region und darüber hinaus hilfreich gewesen. Bei vielen SADC People´s Summit vor der Corona-Pandemie, bei denen die KASA vertreten wurde, sorgte sie immer dafür, dass die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit den Ländern der Region, nicht in Vergessenheit geraten, weil sie für die wirtschaftliche Entwicklung der Region von zentraler Bedeutung sind.