Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Simbabwe ein Jahr vor den Wahlen: Zwischen legalisierter Oppression und Infrastrukturentwicklung

Die für spätestens Ende Juli dieses Jahres geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen waren das dominierende Thema in Simbabwe während unserer Dienstreise. Viele der von uns besuchten Organisationen und Gruppen machen sich keine Illusionen über den Ausgang dieser Wahlen. Es gibt noch keine erkennbare Bereitschaft der Regierungspartei ZANU-PF, die demokratischen Spielregeln so gelten zu lassen, dass die Bevölkerung Simbabwes tatsächlich darüber entscheiden kann, wer über das Land regieren soll.

Die Führung der ZANU-PF sieht sich nach wie vor von einer Art göttlicher Mission getragen, Simbabwe gegen seine äußeren Feinde schützen zu müssen. Die Opposition und all die, die ihre schlechte Regierungsführung und endemische Korruption anprangern, werden als Agent:innen jener Kräfte abgestempelt, die vom Ausland aus Simbabwe angeblich zerstören wollen. Dies erklärt die von der ZANU-PF-Regierung im Vorfeld der Wahlen in Gang gesetzten Gesetzinitiativen, die zivilgesellschaftlichen Organisationen Kopfzerbrechen bereiten und unsere Gespräche dominierten. Zurecht, denn sollten sie in Kraft treten, könnten sie über die Existenz zivilgesellschaftlicher Organisationen entscheiden.  

PVO- und Patriotic Bill wie ein Damokles-Schwert

Zivilgesellschaftliche Organisationen in Simbabwe merken, dass sich die Atmosphäre im Lande ändert, je näher die Wahlen rücken. Viele engagieren sich für friedliche Wahlen mit möglichst unumstrittenen Ergebnissen und vor allem ohne Gewalt. Jedes Mal sehen sie sich im Vorfeld der Wahlen mit Initiativen der Regierungspartei konfrontiert, die ihr Tun und Wirken erschweren. Für die Wahlen 2023 sind es Gesetzentwürfe, die sich für manche zivilgesellschaftliche Organisationen als fatal erweisen könnten. Es geht um das Gesetz zu privaten Freiwilligenorganisationen (PVO), das dem neu eingerichteten Amt des Registrators für private Freiwilligenorganisationen als Aufsichtsbehörde für zivilgesellschaftliche Organisationen unverhältnismäßige Befugnisse einräumt. Diese Behörde hätte die Möglichkeit, die Eintragung von NGOs zu prüfen, zu bewilligen oder abzulehnen, wobei gegen solche Entscheidungen kaum oder gar keine Rechtsmittel eingelegt werden können. Das andere Gesetz, das im Gespräch war, wird „Patriotic Bill“ genannt. Es soll darauf abzielen, die Interessen Simbabwes zu schützen, indem das alleinige Mandat des Staates, andere Nationen in Fragen der Außenbeziehungen einzubeziehen, garantiert wird. Durch dieses Gesetz soll es möglich werden, Simbabwer:innen außerhalb und innerhalb des Landes zu bestrafen, die sich für Sanktionen einsetzen oder Demonstrationen planen, die mit wichtigen internationalen und regionalen Veranstaltungen oder Besuchen von Würdenträger:innen zusammenfallen. Beide, Demonstrationen und Sanktionen, würden nationale Interessen untergraben.

Die beiden Gesetze zielen darauf ab, den zivilgesellschaftlichen Raum und das Recht auf Vereinigungsfreiheit im Land stark einzuschränken und die Kriminalisierung abweichender Stimmen zu erleichtern, um sie zum Schweigen zu bringen. Seit 2019, als die ersten Entwürfe der Gesetze bekannt wurden, protestieren NGOs dagegen. Selbst die UN äußerte bereits in 2021 Bedenken über die Vereinbarkeit dieser Gesetzentwürfe mit internationalen Menschenrechtsverpflichtungen, insbesondere dem Recht auf Vereinigungsfreiheit. Die Regierungspartei arbeitete nichtsdestotrotz weiter an den Gesetzentwürfen, und so sahen sich viele Partnerorganisationen im November damit beschäftigt, darüber nachzudenken, ob sie im neuen Jahr weiter operieren dürften und unter welchen Voraussetzungen dies möglich sein würde.

Mittlerweile liegen die Gesetze vor, und die Unterschrift durch den Präsidenten wäre der letzte Akt, bevor sie in Kraft treten. Zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts in Simbabwe war noch unklar, ob die Regierungspartei ihre Gesetzinitiativen tatsächlich durchziehen würde, aber ein erstes Ziel wurde auch so bereits erreicht: Verunsicherung auszulösen und zivilgesellschaftliche Organisationen dazu zu bringen, sich neu aufzustellen, anstatt sich auf ihre eigentliche Arbeit in den verschiedensten Bereichen zu konzentrieren. Während dieser Zeit war die Regierungspartei bereits in der Vorbereitung der Wahlen aktiv, vor allem im ländlichen Raum.

ZANU-PF und der ländliche Raum

In den zwei Städten Harare und Bulawayo war von politischen Aktivitäten im Blick auf die bevorstehenden Wahlen nichts zu sehen. Aber fast alle Organisationen, die wir besuchten, berichteten darüber, dass die Regierungspartei zu dem Zeitpunkt schon sehr aktiv in ländlichen Gebieten gewesen war. Dort hat sie traditionell ein großes Reservoir an Stimmen, deren Loyalität sie sich durch Einschüchterungsmechanismen in Kooperation mit lokalen Autoritäten sichert. Hier mobilisiert sie zahlreiche Menschen, die für sie abstimmen, nicht nur auf dem Land, wo sie wohnen, sondern auch in städtischen Wahlbezirken. An Wahltagen werden Wahlberechtigte vom Land mit Bussen in die Städte transportiert, um anstelle derer abzustimmen, die dort wohnen, und die die ZANU-PF aus Wahllisten streichen lässt, weil sie sich schwertut, sie für sich zu gewinnen.

Ein weiteres Instrument, das die ZANU-PF geschickt einsetzt, um die Landbevölkerung zu zwingen, sie zu unterstützen, ist die Nahrungsmittelhilfe in Zeiten von Hungersnöten, oder die Verteilung von Agrarinputs zu Beginn der Saison: Saatgut, Dünger und vieles mehr, was Menschen für die Landwirtschaft brauchen, erhält nur, wer seine Loyalität zur Partei schon unter Beweis gestellt hat oder verspricht, sie zu wählen. Kaum waren wir auf dem Land in der Nähe von Masvingo, trafen wir auf eine Familie, die als einzige in ihrem Dorf keine Düngemitteln bekam, weil die für die Verteilung zuständigen Personen sie für zu oppositionsnah hält. Eine tatsächliche Mitgliedschaft in einer der oppositionellen Parteien musste niemand aufweisen, der Verdacht darauf genügte für die Verteilungsbeauftragten, um so eine gravierende Entscheidung in einem Kontext zu treffen, in dem die Menschen für ihr Überleben auf die Landwirtschaft und die damit zusammenhängende staatliche Hilfe angewiesen sind.

Damit die ZANU-PF die Kontrolle über die ländlichen Räume beibehält, setzt sie außerdem alles in Gang, um der Opposition den Zugang dazu zu verwehren. Unter vorgeschobenen Argumenten werden die Verteter:innen der Opposition daran gehindert, ihre Parteibasis zu treffen. Selbst bei besonderen Anlässen wie Beerdigungen ist es nicht garantiert, dass sie Bewegungsfreiheit genießen. Sogar westliche Diplomat:innen werden zunehmend damit konfrontiert, sich nicht mehr frei auf dem Land bewegen zu können. Deswegen hatten sie beschlossen, Reisen in ländliche Gebiete vermehrt in größeren Gruppen von Botschafter:innen zu unternehmen. Der deutsche Botschafter in Simbabwe befand sich auf einer solchen konzipierten Reise an dem Tag, an wir einen Termin in der Botschaft hatten.

Unsere Ansprechpartne:innen in der Zivilgesellschaft waren sich einig, dass solche Isolierungs- und Einschüchterungsstrategien in ländlichen Räumen entscheidender für die Wahlen seien, als die wahlbezogenen Aktivitäten, die unmittelbar vor dem Wahltag durchgeführt würden. Es sind solche Aktivitäten, die internationale Wahlbeobachter:innen wahrnehmen, um beurteilen zu können, ob der Prozess frei und fair stattfand. Viele NGOs berichteten davon, dass sie Strategien entwickelt hätten, um trotz Einschränkungen durch den Sicherheitsapparat ein langfristiges Monitoring durchführen zu können. Dafür fehle ihnen leider das Geld, das sie oft nur kurzfristig im Wahljahr erhalten. So agiert die Regierungspartei ungehindert lang im Voraus, um ihre traditionelle Hochburg zu sichern. Aber dies ist nicht die einzige Strategie, mit der die ZANU-PF die kommenden Wahlen gewinnen will.

Die Regierungspartei redet sich ihre Bilanz schön

Schon früh hatte die ZANU-PF damit begonnen, das Narrativ zu verbreiten, dass - im Gegensatz zu den letzten Jahren unter der Herrschaft Mugabes, in denen in Simbabwe ein Stillstand herrschte und im Blick auf Infrastrukturentwicklung das Land quasi von allen Nachbarländern überholt wurde - Simbabwe sich seit der Machtübernahme durch Mnangagwa auf dem richtigen Pfad befände. Um dies zu untermauern, wird auf sämtliche großen Infrastrukturprojekte verwiesen: Neues Parlament, Zim Cyber City, Kariba South Power Station, Robert Mugabe International Airport, Matabeleland Zambezi Water Project, Beit Brigde Border Post, Hwange Power Station und Zimbabwe Roads Development Project. Es scheint, dass die ZANU-PF es mit der Modernisierung der Infrastrukturen ernst meint. Durch mehr Kapazitäten an Stromproduktion soll zudem etwa die Produktivität der Landwirtschaft und der Industrie erhöht werden. Auf der Fahrt von Harare nach Masvingo befuhren wir den bereits fertiggestellten Teil der neuen Straße zwischen den beiden Städten. Das Straßenbauprojekt wird zum Teil durch die Afrikanische Entwicklungsbank finanziert und soll als Teil der Verbindungsroute zwischen Kairo und Kapstadt die Implementierung der Panafrikanischen Freihandelszone unterstützen. Es sieht beeindruckend aus. Aber noch beeindruckender war zu hören, dass alle Firmen, die die öffentlichen Ausschreibungen gewannen, aus dem Land selbst kommen. So waren auch auf allen Baustellen simbabwische Arbeiter:innen zu finden, anders als in vielen Ländern, in denen der Infrastrukturmarkt von chinesischen und anderen ausländischen Firmen dominiert wird.

Die Kehrseite in Simbabwe ist jedoch, dass diese Firmen den Spitzenpolitiker:innen gehören, die die öffentlichen Ausschreibungen in Auftrag geben. Von viel Korruption und überteuerten Leistungen ist die Rede. Dies, kombiniert mit der Tatsache, dass die Infrastrukturprojekte den Weg in die Verschuldungsfalle pflastern, macht das Narrativ der ZANU-PF zum wiedergewonnenen Entwicklungspfad, unglaubwürdig. Darüber hinaus war sowohl in den Städten als auch auf dem Land von vielen Menschen, die nach so vielen Jahren schlechter Regierungsführung der ZANU-PF ruiniert sind, was die Covid-bedingten Lockdowns nur verschlimmerten, zu hören, dass sie von diesem anscheinend wiedergewonnenen Entwicklungspfad noch nichts spüren würden. Es scheint, als hätte die Regierungspartei noch Überzeugungsarbeit zu leisten, da die Infrastrukturen bisher keine konkreten Früchte tragen und einige sogar in den Anfängen stecken und niemand wirklich sicher sagen kann, dass sie auch zu Ende gebaut werden. Darauf zu verweisen, dass die Regierung Zeit brauche, um das Begonnene zu Ende zu bringen, könnte für viele Wähler:innen nicht überzeugend sein.