Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Simbabwe redet sich die Krise schön

Simbabwe ist eines der Länder der Welt, in denen die Regierung die Corona-Krise dafür instrumentalisiert hat, ihre wackelnde, aber nicht enden wollende Macht zu konsolidieren. Alle sozialen Indikatoren zum Zustand des Landes sind negativ: Die Zahl der Hungernden hat zugenommen, das Gesundheitssystem leidet nicht nur unter Brain-Drain, der Auswanderung von Ärzt*innen und Krankenpersonal nach Südafrika und Europa, sondern auch seit Jahrzehnten unter chronischer Unterfinanzierung.

Schon vor der Corona-Pandemie befand sich das Krankenpersonal seit über einem Jahr im Streik[1]. Was den Bildungssektor angeht, ist Simbabwe nur noch ein Schatten aus der Zeit als das Land die Reputation genoss, eines der besten, wenn nicht das Beste, Bildungssystem Afrikas zu haben. Die Ökonomie ist in den letzten 20 Jahren zusammengebrochen und hat viele Menschen in den informellen Sektor getrieben. So leidet das Land unter einer Rekordarbeitslosigkeit. Hinzu kommt die Unsicherheit des Finanzsektors mit einer der höchsten Inflationsraten der Welt. Simbabwe war als die Kornkammer des Südlichen Afrika bekannt. Heute ist das Land abhängig von Nahrungsmittelimporten aus Nachbarländern, vor allem aus Südafrika. Die chaotische Landreform und die fehlende Unterstützung der Regierung für Kleinproduzent*innen, die neben Kapital und Knowhow auch Rechtssicherheit brauchen, beeinträchtigen die Produktivität. Hinzu kommt der fortschreitende Klimawandel, der im Südlichen Afrika und Simbabwe je nach Region schwere Überschwemmungen oder langanhaltende Dürren verursacht[2]. Beide tragen dazu bei, Lebensgrundlagen im ländlichen Raum zu vernichten und auf nationaler Ebene die Versorgungsunsicherheit zu verschlimmern.

Dann kam Corona

So war die Situation in Simbabwe bereits vor Beginn der Corona-Pandemie von multiplen Krisen gekennzeichnet. Nach den ersten bestätigten Corona-Fällen Mitte März, entschied sich die Regierung Simbabwes für einen dem Kontext nicht geeigneten Weg: Einen harten Lockdown. Damit ist auch dem informellen Sektor, dem einzigen, der in Simbabwe in den letzten Jahren funktioniert hat, 60 PRozent der gesamten Wirtschaftsleistung ausmachte und vielen Familien das Überleben sicherte, ein Todesstoß verpasst worden. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten. Der Hunger trieb Menschen nicht nur dazu, auf der Suche nach Überlebensmöglichkeiten den Lockdown zu verletzten, sondern auch Versuche zu unternehmen, online und analog gegen eine Regierung zu protestieren, der nicht nur Sorglosigkeit angesichts der Krise vorgeworfen wird, sondern auch endemische Korruption, auch im Umgang mit den zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mobilisierten Ressourcen. Die Antwort der Regierung auf diese Proteste war das altbekannte Rezept: Inhaftierungen, Einschüchterung der Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, der Oppositionsparteien und einfacher Bürger*innen, die nichts anders taten, als angesichts einer sich verschärfenden Krise ihrer Perspektivlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Die Gewalt, die von der Regierung ausging, offenbarte jeden Tag immer mehr, dass es der Regierung Simbabwes nicht um die Bekämpfung der Pandemie ging, sondern nur noch darum, die Pandemie zum Anlass zu nehmen, um all diejenigen endgültig zum Schweigen zu bringen, die für sie schon immer eine Gefahr darstellten. So gerieten Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen ins Blickfeld der repressiven Maßnahmen der ZANU-PF-Regierung. Es wurde jeden Tag deutlicher, dass die Regierung von Simbabwe Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, anstatt sich den tatsächlichen Herausforderungen des Landes zu stellen. Die Frustration der Bevölkerung kulminierte in den für den 31. Juli geplanten landesweiten Protesten.  Im Vorfeld dieses Aktionstages haben die Sicherheitskräfte beispiellos hart durchgegriffen, die meisten Städte und Gemeinden belagert, die Transitrouten gesperrt und somit die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung eingeschränkt[3]. Die Einschüchterungen mit einer massiven Militärpräsenz zielten darauf ab, die Demonstrationen an dem Tag im Keim ersticken, was aus der Sicht der Regierung gut gelang. Trotzdem wurden landesweit mehrere Menschen wegen Teilnahme an Demonstrationen und Verletzung der Corona-Auflagen verhaftet und nach übereinstimmenden Berichten auch gefoltert[4]. Daraufhin entwickelte sich eine regionale und globale Online-Kampagne namens #Zimbabwelivesmatter, die schnell an Unterstützung gewann. In den Nachbarländern, allen voran in Südafrika, mobilisierten sich Mitglieder der simbabwischen Diaspora und ihre Solidaritätspartner, Oppositionsparteien, Gewerkschafter und Prominente aus der Unterhaltungsbranche[5].  Dies erhöhte den Druck auf die südafrikanische Regierung, die sich gezwungen sah, eine Delegation nach Simbabwe zu senden, um den Versuch zu starten, die Krise in diesem Land einzudämmen. 

„Es gibt keine Krise in Simbabwe“

Wie sich herausstellte, ist es nicht leicht, über die Krise in Simbabwe zu verhandeln, denn aus Sicht der Regierung dieses Landes, gibt es gar keine Krise. Dies gab die ZANU-PF-Regierung nicht nur der südafrikanischen Delegation unter der Federführung der ehemaligen Präsidentin des Parlaments, Baleka Mbete, zu verstehen, sondern auch der Kommission der Afrikanischen Union. Diese hat in einer am 07. August im Namen ihres Vorsitzenden Moussa Faki Mahamat veröffentlichten Erklärung die unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung der Covid-19-Notstandsmaßnahmen verurteilt und die Regierung Simbabwes darauf hingewiesen, in ihrer Reaktion auf friedliche Proteste Zurückhaltung zu üben.  „In Bezugnahme auf die bestehende gravierende sozioökonomische Situation im Land, so ist es in der Stellungnahme der AU zu lesen, fordert der Vorsitzende die Regierenden Simbabwes dringend auf, auf die Pandemie zu reagieren und dabei sicherzustellen, dass die nationale Reaktion auf den Menschenrechten basiert, wie sie in der Afrikanischen Charta der Menschenrechte von 1981 verankert sind.[6]“ Die AU erinnerte die Regierung Simbabwes daran, die Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten, welche Medien-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf Information zulässt. „Verletzungen dieser Rechte sind ein Verstoß gegen die Afrikanische Charta der Menschen- und Volksrechte und die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Staatsführung von 2007,“ warnte die AU. Die Regierung Simbabwes reagierte auf die Stellungnahme mit Ärger. Sie warf der AU vor, sich von Mächten vereinnahmen zu lassen, die in Simbabwe eine Krise herbeireden wollen, die es in Wirklichkeit nicht gebe.

Der SADC-Gipfel in Maputo schweigt zur Situation in Simbabwe

Vor diesem Hintergrund wurde mit Spannung erwartet, wie sich der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der SADC, der ursprünglich in Maputo stattfinden sollte, aber aufgrund der Corona-Pandemie vom 18. zum 19. August digital durchgeführt wurde, zur Situation in Simbabwe verhalten würde. Wer die Abschlusserklärung[7] liest, sucht vergeblich nach einem konkreten Hinweis auf Simbabwe, geschweige denn auf die jüngsten Menschenrechtsverletzungen dort. Es scheint, dass es der simbabwischen Regierung gelungen ist, die SADC mit ihrem Narrativ zu überzeugen, dass es gar keine Krise in Simbabwe gibt. Mit diesem Narrativ will die Regierung Simbabwes eine Normalität suggerieren.  Die Krise werde von ausländischen Mächten herbeigeredet und die #ZimbabweanLivesMatter-Kampagne sei nur Teil der anhaltenden Angriffe auf das Land, die von eben diesen von den USA angeführten feindlichen externen Kräften orchestriert würden. Damit glaubt die ZANU-PF-Führungsriege, die die überwiegende Mehrheit der Menschen in Simbabwe massiver Korruption selbst in der Corona-Zeit bezichtigt, sich zu entlasten. Es ist ein unbeschreiblicher Skandal, dass die Staats- und Regierungschefs der SADC sich dieser verharmlosenden und verzerrenden Darstellung der dramatischen Lage in Simbabwe angeschlossen haben, indem sie in ihrem Communiqué zur Situation in Simbabwe geschwiegen haben[8]. Darin kam Simbabwe nur vor, als es darum ging, den simbabwischen Präsidenten Emmerson Mnangagwa für seinen angeblichen Beitrag zur Förderung des regionalen Friedens in seiner Amtszeit als Vorsitzender des SADC Organ on Politics Defence and Security zu loben. Mit dem Gipfel in Maputo ging sein Mandat zu Ende. Als neuer Vorsitzender dieser zentralen SADC-Institution wurde der Präsident von Botswana, Mokgweetsi Masisi, gewählt. Auch dessen Nachfolger wurde in Cyril Ramaphosa aus Südafrika bereits festgelegt. Wo die Staats- und Regierungschefs der SADC einen Beitrag Mnangagwas zum Frieden in der Region gesehen haben wollen, bleibt angesichts der anhaltenden Unruhen in der DR Kongo, in Lesotho und besonders in Mosambik und Simbabwe selbst ein Geheimnis.

Und wenn der SADC-Gipfel die Mitgliedstaaten auffordert, „proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um die Einmischung von außen, die Auswirkungen von Fake News und den Missbrauch der sozialen Medien, insbesondere bei Wahlprozessen, zu minimieren,“ spielt er den Strategen der ZANU-PF in die Hände. Es ist genau jene Rhetorik, die sie in Simbabwe pflegen, um die Brutalität in der Niederschlagung jeglichen berechtigten Protests gegen Machtmissbrauch und Korruption zu rechtfertigen. So betrachtet war der letzte SADC-Gipfel, von dem sich Bürger- und Menschenrechtsorganisationen aus Simbabwe, der Region und dem Rest der Welt sehr viel versprachen, ein voller Triumph für die simbabwische Diplomatie. Dies verlangt, die Interventionen angesichts der Krise in Simbabwe zu überdenken. Viele Beobachter*innen sind überzeugt, dass die SADC die wichtigste Akteurin sein kann, wenn es darum geht, das ZANU-PF-Regime zu zwingen, sich zu reformieren oder, noch besser, Simbabwe von seiner Art Gefangenschaft zu befreien. Der letzte Gipfel hat gezeigt, dass die SADC selbst nicht nur von der Notwendigkeit dieser Druckausübung, sondern überhaupt von der Existenz einer Krise in Simbabwe noch überzeugt werden muss[9].

[1] https://www.nytimes.com/2020/07/31/world/africa/zimbabwe-coronavirus-protest.html

[2] https://foreignpolicy.com/2020/07/31/zimbabwe-cracks-down-on-protests-as-economy-crumbles/

[3] https://allafrica.com/stories/202008030743.html

[4] https://www.dailymaverick.co.za/article/2020-08-02-zimbabwean-government-lashes-out-at-anti-corruption-protesters-with-an-an-iron-fist/

[5] https://edition.cnn.com/2020/08/04/africa/zimbabwe-clamp-down-opposition/index.html

[6] https://au.int/en/pressreleases/20200807/auc-chairperson-urges-authorities-zimbabwe-uphold-rule-law-and-protect-human

[7] https://www.sadc.int/files/8115/9767/2537/Communique_of_the_40th_SADC_Summit_August_2020_-ENGLISH.pdf

[8] https://www.theafricareport.com/35715/zimbabawe-joint-statement-on-arrest-of-journalist-hopewell-chinono/

[9] https://www.capetalk.co.za/articles/391864/no-more-quiet-diplomacy-african-leaders-must-speak-out-against-zimbabwe