Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Warum es in Ruanda weniger COVID-19 Fälle gibt als in Südafrika

Auf dem gesamten Globus breitet sich die Corona-Pandemie immer weiter aus. Auch Ruanda und Südafrika sind betroffen. Allerdings sind die Infektionszahlen in den beiden Ländern sehr unterschiedlich hoch. Ruanda ist eines der in Afrika und weltweit am wenigsten von Covid-19 betroffenen Länder, Südafrika das mit Abstand am stärksten betroffene afrikanische Land und belegt im September 2020 weltweit hinter den USA, Indien, Brasilien, Russland, Peru, Kolumbien und Mexiko den achten Platz der höchsten Infektionszahlen[1]. Wie lässt sich dies erklären? 

Zunächst einmal ist ein genauer Faktencheck der beiden Länder wichtig. Im ostafrikanischen Ruanda, das in etwa der Größe des Bundeslandes Hessen entspricht, wurden bis zum 17. September 2020 insgesamt 4.653 Infizierte (0,038 % der Gesamtbevölkerung) und 23 Todesfälle[2] festgestellt. Die niedrigen Infektionszahlen sind bei einer Bevölkerungsdichte von rund 498,7 Einwohner*innen pro Quadratkilometer (Stand: 2018)[3] absolut bemerkenswert. Erste offiziell bestätigte Infektionen im Land traten schon am 14. März 2020 auf, Ende August erreichten die Fallzahlen mit beispielsweise 101 Neuinfizierten am 16. August neue Rekorde. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 0,47 %. In Südafrika wurden seit dem ersten gemeldeten Covid-19-Fall am 5. März 2020 bis zum 17. September 2020 insgesamt 655.572[4] Infizierte (1,13 % der Gesamtbevölkerung) gemeldet, sowie 15.705 Tote. Im Juli verzeichnete Südafrika den Höhepunkt der Neuinfektionen. Südafrika ist der am stärksten vom Virus betroffene afrikanische Staat, obwohl die Bevölkerungsdichte mit rund 47,6 Einwohner pro Quadratkilometer (Stand: 2018)[5] deutlich niedriger ist als beispielsweise die von Ruanda. Auch die Sterblichkeitsrate liegt mit 3 Prozent deutlich höher als die Ruandas und dies trotz zum Teil sehr guter medizinischer Versorgung in Privatkliniken der Großstädte wie Pretoria, Johannesburg, Durban und Kapstadt. In staatlichen Krankenhäusern sowohl in den Städten als auch in ländlichen Räumen ist in den meisten Fällen die Ausstattung schlechter und das Personal weniger motiviert.

Bislang wurden in Ruanda bis zum 16. September 468.121 Menschen kostenlos getestet, etwas über 0,31 Tests täglich pro 1000 Personen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden kann Ruanda 4.000 bis 5.000 Tests pro Tag ausführen. Auch in Südafrika sind Covid-19-Tests kostenfrei. Bis zum 13. September wurden 0,28 Tests täglich pro 1000 Personen durchgeführt (Stand 17.09.: insgesamt 3.983.533 Tests[6]). Verglichen mit den USA mit 1,83 Tests täglich pro 1000 Personen sind es relativ wenig.

Betrachtet man die medizinischen Grundvoraussetzungen, so kommen in Südafrika insgesamt 119.155 Krankenhausbetten auf die 59.620.000 Millionen Einwohner*innen[7], das entspricht 2 Betten auf 1000 Menschen. Im Jahr 2014 kamen auf 1000 Menschen 1,75 Ärzt*innen. In Ruanda ergibt sich eine schlechtere Bilanz. Die ruandische Regierung hat es geschafft, die Infektionszahlen besonders niedrig zu halten trotz einer schlechteren medizinischen Versorgung im Vergleich zu Südafrika. Pro 1000 Einwohner*innen stehen 1,6 Krankenhausbetten zur Verfügung[8]. Der weltweite Mittelwert liegt hier bei 2,7 Betten und innerhalb der EU stehen sogar 5,6 Betten für jeweils 1000 Einwohner*innen zur Verfügung. Mit rund 1.700 ausgebildeten Ärzt*innen in Ruanda stehen pro 1000 Einwohner*innen rund 0,13 Ärzt*innen zur Verfügung. Auch hier wieder der Vergleich: Weltweit liegt dieser Standard bei 1,50 Ärzten pro 1000 Einwohner*innen und in der EU sogar bei 3,57[9].

Trotzdem fällt Ruanda in seinem Umgang mit dem Coronavirus positiv auf, wahrscheinlich spielt auch seine Erfahrung im Umgang mit HIV eine Rolle. Tests werden kostenlos durchgeführt, Tausende von Menschen werden täglich auf den Straßen getestet. Sogar Roboter werden in den Covid-19 Kliniken eingesetzt, um die Patienten auf Fieber zu messen und sie zu versorgen. Vermutlich auch wegen seiner niedrigen Kapazitäten griff Ruandas Regierung besonders schnell und konsequent durch, als die erste Covid-19-infektion im Land Mitte März bekannt wurde, und verhing bis zum 1. Mai eine Ausgangssperre. Alljährlich groß begangene Feierlichkeiten zum Jahrestag des Völkermords an den Tutsi und moderaten Hutu wurden abgesagt, die Schulen und Universitäten sind seit März geschlossen. Obwohl die Zahlen der Neuinfektionen aktuell wieder steigen, ist seit dem 1. August 2020 wieder eine Einreise über den Flughafen Kigali möglich, die Landesgrenzen bleiben allerdings noch bis auf Weiteres geschlossen. Zwischen 21.00 und 05.00 Uhr gilt eine Ausgangssperre, im öffentlichen Raum ist das Tragen einer Maske verpflichtend. Auch in Südafrika wurden diverse Regulatorien und Richtlinien, ähnlich denen in Ruanda, eingeführt, um weiteren Infektionen vorzubeugen. Versammlungen mit über 100 Personen sowie Verbreitung von Fake News wurde verboten[10]. Seit dem 27. März 2020 gilt in Südafrika zudem eine landesweite Ausgangssperre, alle Landesgrenzen sind geschlossen, der reguläre internationale Flugverkehr ist ausgesetzt. Seit dem 18. August 2020 gilt die zweitniedrigste Risikokategorie „Alert Level 2“, dennoch ist das öffentliche Leben noch weiterhin wie auch in Ruanda sehr stark eingeschränkt. Beispielsweise dürfen Bürger*innen zwischen 22.00 und 04.00 Uhr das Haus nicht mehr verlassen[11] und Reisen zwischen Provinzen sind verboten. Südafrikanische Einzelhandelsgeschäfte und Einkaufszentren müssen geschlossen sein, es sei denn, es werden lebenswichtige Waren verkauft, Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen eingehalten. In Übereinstimmung mit der Verlautbarung des Präsidenten vom 15. März 2020 wurden auch in Südafrika die Schulen am 18. März 2020 geschlossen[12]. Heraus sticht ein fünfmonatiges Alkohol- und Tabakverbot, das in keinem anderen Land als Corona-Maßnahme eingesetzt wurde. Allgemein kann jedoch gesagt werden, dass die Corona-Verordnungen Ruandas und Südafrikas in ihren Ansätzen gleich sind. Warum gibt es dann bei gleichen Präventionsmaßnahmen und trotz besserer medizinischer Versorgung und geringerer Bevölkerungsdichte dennoch verhältnismäßig so viel mehr Corona-Fälle in Südafrika als in Ruanda?

Einer der Gründe dafür ist, dass, als Südafrika und Ruanda die Ausgangssperre verhängten, es im ersteren schon deutlich mehr Corona-Fälle gab als das in Ruanda der Fall war. Südafrika hatte zum Beginn des Lockdowns 1.170 Infizierte, Ruanda erst 17. Ebenfalls vergingen zwischen der ersten bekannten Infektion in Südafrika am 5. März und dem Lockdown am 27. März insgesamt 22 Tage, in Ruanda folgte der Lockdown am 21. März nur eine Woche nach dem ersten gemeldeten Fall am 14. März 2020. Ruanda reagierte also deutlich schneller als Südafrika und konnte so eine Häufung von Neu-Ansteckungen vermeiden.

Der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus führte die Erfolge Ruandas zudem auf eine Kombination aus starker Führung, universeller Gesundheitsversorgung, gut unterstütztem Gesundheitspersonal und klarer Kommunikation im Bereich der öffentlichen Gesundheit zurück[13]. Die effektive Durchsetzung der Maßnahmen durch Polizei und lokale Führer spielen ebenfalls eine Schlüsselrolle. Paul Kagame, der schon seit 2000 im Amt ist, bemühte sich schon sehr früh, in der Bevölkerung ein Verständnis für die präventiven Maßnahmen zu schaffen. Beispielsweise leitete er eine Medienkampagne zur Aufklärung der Bevölkerung ein. Die autoritäre Regierung schaffte es, die Bevölkerung zur Befolgung der Präventionsmaßnahmen zu bringen. Ob aus Vertrauen in die oder Angst vor der Regierung – die Ruander*innen hörten auf ihre Regierung, blieben zuhause oder trugen eine Maske. Die Einhaltung der Corona-Richtlinien wurde zwar auch in Südafrika mit aller Konsequenz durchgesetzt, allerdings kam die südafrikanische Bevölkerung ihrer Regierungsanweisungen nicht gut nach. Mehr als 17.000 Menschen wurden wegen Verstoßes gegen die strengen Maßnahmen allein nach der ersten Woche des Lockdowns verhaftet, in manchen Fällen griff die Polizei unrechtmäßig mit äußerster Härte durch[14] und forderte sogar Menschenleben.

Allerdings gab die südafrikanische Regierung schon im Mai 2020 dem Druck der Industrie nach und erlaubte ihnen die Wiedereröffnung. Somit war die Grundlage für neue Covid-19 Hotspots geschaffen. Auch ihre Regelungen zum öffentlichen Verkehr waren sehr inkonsequent im Gegensatz zu Ruanda. Denn noch bis Juli 2020 fuhren Kleinbus-Taxis voll ausgelastet. Die Missachtung der vorgeschriebenen Auslastung von nur 70 Prozent wurde größtenteils ignoriert. So konnte sich das Coronavirus in Südafrika einfach weiterverbreiten.

Auch immer mehr medizinisches Personal in Südafrika infiziert sich mit dem Virus. „Wir haben viele Mitarbeiter*innen, die infiziert sind. Wir hatten eine Woche, in der wir unsere Pförtner verloren haben. In der folgenden Woche war es unser Radiologe. Eine Woche danach unser Personal aus dem Labor“, berichtet Dr. Ayanda Trevor Mnguni, Leiter der Inneren Medizin im 300-Betten-Distriktkrankenhaus Khayelitsha[15]. Bei den hohen Infektionszahlen in Südafrika trägt das Krankenhauspersonal ein großes Ansteckungsrisiko, in Ruanda hält sich dieses bislang in Grenzen.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied und Grund für die Diskrepanz zwischen den Infektionszahlen in Südafrika und Ruanda ist außerdem die Korruption. Ruanda liegt weltweit auf Platz 47 des Korruptionsindex (Durchschnitt Afrika: 67,6)[16], Südafrika folgt dahinter auf Platz 56[17]. Die Korruption in Südafrika hat die Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie erheblich beeinträchtigt, indem sie die Kosten für das öffentliche Beschaffungswesen in die Höhe getrieben und gleichzeitig das Vertrauen der Öffentlichkeit in die staatlichen Institutionen untergraben hat. Besonders schnellten die Fälle von Polizeikorruption während der Ausgangssperre in die Höhe, aber auch bei der Lieferung von Lebensmittelpaketen und der Warenbeschaffung[18], mit fatalen Folgen.

Den beiden Ländern ist gemein, dass die sozialen Auswirkungen der Krise verheerend sind. Schon jetzt lebt 40 Prozent der ruandischen Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze, viele haben nun auch ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren[19] und finden sich in großer wirtschaftlicher Not wieder. Vor allem in der Tourismusbranche gingen in Ruanda und Südafrika viele Jobs verloren, doch auch im Bergbau, Handel, Verkehr und Baugewerbe. Innerhalb des ersten Monats nach der Ausgangssperre hatten 3 Millionen Südafrikaner*innen ihren Job verloren. Die Situation der schon im Vorhinein schwächelnden Wirtschaften wurde in der Corona-Krise noch weiter verschärft. Die Ausgangssperren gefährden Existenzen und tragen zur Ernährungsunsicherheit und Armut bei.

Die Prognosen für Südafrika sehen düster aus, auch wenn die Regierung viele Maßnahmen ergreift, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Und auch in Ruanda ist die Situation der Bevölkerung prekär, allerdings scheint die Regierung zumindest die Infektionszahlen im Griff zu haben.

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1090985/umfrage/fallzahl-des-coronavirus-2019-ncov-nach-laendern/
[2] https://reliefweb.int/report/rwanda/update-covid-19-17-september-2020
[3]  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/746826/umfrage/bevoelkerungsdichte-in-ruanda/
[4] https://sacoronavirus.co.za/2020/09/17/update-on-covid-19-17th-september-2020/
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/254749/umfrage/bevoelkerungsdichte-in-suedafrika/
[6] https://sacoronavirus.co.za/2020/09/17/update-on-covid-19-17th-september-2020/
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdafrika
[8] https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/Tabellen/Basistabelle_Krankenhaus.html
[9] https://www.laenderdaten.info/Afrika/Ruanda/gesundheit.php
[10] https://www.ufs.ac.za/south-african-covid-19-regulations
[11] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/suedafrika-node/suedafrikasicherheit/208400
[12] https://sacoronavirus.co.za/
[13] https://www.standardmedia.co.ke/business/article/2001383326/what-helps-rwanda-suppress-covid-19-early
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_S%C3%BCdafrika
[15] https://www.bbc.com/news/world-africa-53256879
[16] https://www.laenderdaten.info/Afrika/Ruanda/korruption.php
[17] https://www.laenderdaten.info/Afrika/Suedafrika/korruption.php
[18] https://en.wikipedia.org/wiki/COVID-19_pandemic_in_South_Africa
[19] https://www.kfw-entwicklungsbank.de/Internationale-Finanzierung/KfW-Entwicklungsbank/%C3%9Cber-uns/Die-Corona-Lage-in-unseren-Au%C3%9Fenb%C3%BCros/Ruanda/