Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Afrika: der getriebene Kontinent. Deutschland bietet mit.

Am 20. und 21. November 2023 fanden in Berlin verschiedene Aktivitäten im Rahmen der 5. Compact with Africa-Konferenz (CwA) statt. Dieser Artikel will nicht die Ergebnisse der diesjährigen Konferenz beurteilen, sondern CwA in einen Kontext einzuordnen versuchen, in dem sich der afrikanische Kontinent mit einem neuen Wettlauf der Großmächte um Einflusssphären und Ressourcen konfrontiert sieht. Deutschland versucht mitzubieten. Dennoch hat es bis jetzt an Überzeugungskraft gefehlt, um nach innen die relevanten Akteure zum Mitmachen zu animieren und in Afrika vom Mehrwert der Compact-Initiative zu überzeugen.

CwA in seinem Entstehungskontext
 

Die erste CwA-Konferenz fand 2017 statt und stand damals unter dem Zeichen der Fluchtursachenbekämpfung. Damals wie heute stammen die meisten Geflüchteten nach Deutschland nicht aus Afrika, sondern aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Der binnenpolitische Druck für eine Demonstration politischer Handlungsfähigkeit im Sinne der Begrenzung Deutschlands Aufnahmefähigkeit wurde immer größer. In diesem Kontext gewann die Darstellung der vergleichsweise sehr wenigen Migrant:innen aus Afrika an Bedeutung. Diese sollten dazu dienen, das Narrativ der „Wirtschaftsflüchtlinge“ gesellschaftsfähig zu machen und die entsprechenden Maßnahmen zu rechtfertigen. Das ist der Kontext, in dem „Compact with Afrika“ konzipiert wurde, und zwar geprägt vom Wettbewerb um Afrika-Konzepte innerhalb der Bundesregierung, denn fast parallel zum „Compact with Afrika“ des CDU-geführten Finanzministeriums, das es schaffte, sich als Gesamtkonzept der gesamten Bundesregierung durchzusetzen, legten das SPD-geführte Wirtschaftsministerium und das CSU-geführte BMZ mit „Pro Afrika“ und „Marschall-Plan mit Afrika“ zwei andere Konzepte vor. Mit der Initiative wurden mehrere Ziele gleichzeitig verknüpft: zunächst binnenpolitisch für Beruhigung sorgen, indem  öffentlichkeitswirksam vermittelt wurde, dass die Bundesregierung jenseits der Verschärfung der Grenzkontrollen und der Aus- und Vorlagerung europäischer Außengrenzen ins Mittelmeer und bis in die Länder Nord- und Westafrikas und vom Horn von Afrika durch europäische Initiativen wie Frontex dafür sorgt, das die Perspektivlosigkeit afrikanischer Migrant:innen vor Ort adressiert wird, bevor diese nach Deutschland und in die EU kommen. Dafür sollten Strukturreformen angestoßen werden, die Investoren anziehen, damit Arbeitsplätze für junge Menschen in Afrika geschaffen werden können. Natürlich müssen sich diese Investitionen auch für Unternehmen lohnen und Gewinne bringen. Somit haben wir die drei mit dieser Initiative verbundenen Ziele: die deutsche Öffentlichkeit beruhigen, für junge Menschen in Afrika Perspektiven schaffen und zugleich deutschen Unternehmen lukrativen Investitionsmöglichkeiten verschaffen.

Was hat CwA bewirkt?
 

Es ist immer eine große Herausforderung, an allen Fronten zu gewinnen und die Vereinbarkeit all dieser Ziele, die auf den ersten Blick nicht so widersprüchlich scheinen, hat sich auch in diesem Fall als schwierig erwiesen. Nach fast sechs Jahren „Compact with Africa“ können wir feststellen, dass diese Initiative möglichweise wichtiger gemacht wurde als sie ist. Dies war notwendig, um das Ziel der Beruhigung einer bestimmten Öffentlichkeit zu erreichen, die der Meinung war, dass die Bundesregierung für die Fluchtursachenbekämpfung nicht viel tat.  Was die zwei anderen Ziele angeht, gilt es festzustellen: die Bilanz ist recht negativ. Ein exponentieller Zufluss von Investitionen in die afrikanischen Compact-Länder lässt sich in besagtem Zeitraum nicht feststellen. Im Gegenteil gibt es afrikanische Länder, die in diesem Zeitraum deutlich mehr Investitionen angezogen haben als die Compact-Länder. Hat dies nur mit Potentialen dieser Länder zu tun, die besser auf die Nachfrage von Investoren zutreffen oder bieten sie tatsächlich bessere Rahmenbedingungen? Die Beantwortung dieser Frage verlangt einen detaillierten Vergleich der betroffenen Länder, welcher den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Fakt ist, dass die im Rahmen von „Compact with Africa“ angebotenen Anreize nicht die große Mobilisierung ausgelöst haben, selbst unter den deutschen Unternehmen nicht, die Deutschland in erster Linie im Blick hat, die die fehlende Rechtssicherheit immer wieder als Hindernis für Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent vorschieben. Deutsche Unternehmen und Investitionsagenturen werden nicht müde zu betonen, wie groß die Potentiale des afrikanischen Kontinents im Blick auf agrarische, mineralische und energetische Ressourcen sowie im Blick auf die vielen Arbeitskräfte sind.

Trotz all dieser Potentiale und der Bedarfe in Deutschland schien „Compact with Afrika“ zwischendurch sogar wie eine der vielen „Saison-Initiativen“ der Bundesregierung zu werden. Anfragen beim Finanzministerium etwa aus wissenschaftlichen und NGO-Kreisen blieben unbeantwortet. Und nun hat wieder ein „Compact with Afrika“-Gipfel in Berlin stattgefunden. Warum?

Der Kontext der diesjährigen CwA-Konferenz


Anders als eine Belebung der Instrumente von Compact with Africa zur Verwirklichung der skizzierten Ziele ist der neue Gipfel eher in einem geopolitischen Kontext einzuordnen, in dem die Bundesregierung mehr schlecht als erfolgreich versucht, ihre Relevanz für Afrika zu unterstreichen.

Dieser Kontext ist geprägt von einem Wettlauf um Afrika, der keiner sein will. Seit dem EU-Afrika Gipfel im Februar 2022 in Brüssel hatten die Länder des Kontinents Verabredungen mit den USA (Dezember 2022), Russland (Juli 2023), der Türkei (Oktober 2023) und Saudi-Arabien (November 2023). Italien hat seinen für Oktober dieses Jahres geplanten ersten Afrika-Gipfel aufgrund der geopolitischen Lage auf Ende Januar 2024 verschoben und auch für April 2024 ist der UK Africa Investment Summit bereits terminiert. In dieser Auswahl taucht China nicht auf. Das Land ist führend unter den BRICS, die auch im August dieses Jahres ihren Gipfel in Südafrika gehalten haben und dabei neue deutliche Ansprüche artikuliert haben.

All diese Länder oder Blöcke ähneln sich in ihren Ansätzen gegenüber Afrika: alle wollen privilegierte Partner sein, die mit finanziellen Hilfen und Investitionen Afrika zur Seite stehen. Einige der hier erwähnten Gipfel sind keine einmaligen Events, sondern wiederkehrende Formate, die den Initiatoren als Bühne dienen, ihre Sorgen und Wichtigkeit für Afrika immer wieder neu zu bekräftigen. Einige der Versprechen dem Kontinent gegenüber haben sich als „Show“ erwiesen. So konnte festgestellt werden, dass etwa zwischen den Russland-Afrika-Gipfeln 2019 in Sotschi und 2023 in Sankt Petersburg nicht wirklich viel passiert ist, da den selbstbewusst angekündigten Investitionen keine Taten folgten und dass etwa Indien für Afrika viel wichtiger ist als Russland. Dies änderte nichts daran, dass Russland auch in diesem Jahr mit dem gleichen Sendungsbewusstsein aufgetreten ist wie alle anderen, die Afrika-Gipfeln organisieren, um die eigene Relevanz für den afrikanischen Kontinent zu demonstrieren und ihn somit an sich zu binden.

Der getriebene Kontinent sucht nach Auswegen
 

So gesehen ist es nicht übertrieben, von Afrika als „getriebenem Kontinent“ zu sprechen. Jede der Weltmächte oder der aufstrebenden Nationen, die Afrika Gipfel und Foren organisieren, hat eine eigene Afrika-Politik. Angesichts der Herausforderungen, die diese Konkurrenz der Afrika-Konzepte mit sich bringt, mehren sich Stimmen auf dem Kontinent, die dafür plädieren, dass sich Afrika diesem Wettlauf entziehen möge. Einer der Auswege, der diskutiert wird, ist die Stärkung der regionalen Integration, um zu ermöglichen, dass spezialisierte Strukturen der regionalen Zusammenschlüsse und der afrikanischen Union den Kontinent vertreten und die Kräfte bündeln, um eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Darin liegt das Potential, die Konkurrenz zwischen afrikanischen Ländern zu minimieren, die diejenigen gut aussehen lässt, die kein Konzept haben können, das für die so unterschiedlichen Länder des Kontinents erfolgsversprechend sein kann. Damit dieses Potential zur Entfaltung kommen kann, müssen die entsprechenden regionalen und kontinentalen Organisationen Afrikas gut funktionieren. Sie sind bis jetzt unterfinanziert und tun sich entsprechend schwer, eine Afrika-Politik Afrikas oder kohärente Strategien der verschiedenen Regionen zu definieren, die den Anforderungen der Zeit gerecht werden. Die regionalen Blöcke und die Afrikanische Union erhalten ihre Finanzierung zum Teil von den Weltmächten wie der EU, den USA oder China, die ihre eigene jeweilige Afrika-Politik implementieren wollen.

Mehr noch: parallel zu den „Afrika-Konferenzen“ und deren großspurigen Ankündigungen treiben einige Großmächte Prozesse voran, die die Regionalintegration Afrikas gefährden. So hat das Wirtschaftsabkommen der EU mit Kenia die Kooperation innerhalb der ostafrikanischen Gemeinschaft erschwert und Konflikte etwa zwischen Kenia und Tansania verschärft. Die Länder Afrikas haben keine andere Wahl als ihre Kräfte zu bündeln. Schaffen sie es, konsistente Konzepte von sich selbst zu entwickeln, an denen sie alle Konzepte der konkurrierenden Weltmächte messen,

dann wird ein Land wie Deutschland den Druck spüren, „Compact with Africa“ mit wesentlich mehr Substanz auszustatten als dies momentan der Fall ist. Die Länder Afrikas haben längst erkannt, was es bedarf, damit sie sich dem Wettlauf der Großmächte entziehen können. Es mangelt an konsequenten Umsetzungsstrategien.