Gut zehn Jahre ist es her, dass die Farmarbeiter:innen im südafrikanischen Western Cape auf die Straße gegangen sind, um für höhere Löhne und bessere Lebensverhältnisse zu demonstrieren - das erste Mal in der Geschichte Südafrikas. Anlass waren die Streiks der Platinminenarbeiter und die auf das Massaker von Marikana folgende Streikwelle, die das ganze Land erfasste. Dabei ging es nicht nur um Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhung, sondern vor allem auch um die rassistischen Besitzverhältnisse und Machtstrukturen in einem Land, in dem zwar die politische Apartheid abgeschafft ist, sich die Wirtschaft aber weiterhin in der Hand der weißen Elite befindet. Zehn Jahre später zeigt sich, dass sich nur wenig verändert hat.
Während in 2012/13 sämtliche Weinfarmen auf dem Prüfstand waren, haben die bis heute anhaltenden Proteste immerhin dazu geführt, dass die Gewerkschaften der Farmarbeiter:innen, wie etwa CSAAWU, bei ihrer Klientel deutlich präsenter geworden sind und dass Organisationen wie Women on Farms Project (WFP) einfacheren Zugang zu den Arbeiterinnen haben. Mehr Betroffene sind sich ihrer Rechte bewusst und können diese auch einfordern, was in den patriarchalen und zum Teil sklavenähnlichen Verhältnissen nicht selbstverständlich ist.
Mit ihrer ersten Studie Aufstand im Paradies hat die KASA das Thema nach Deutschland gebracht und in weiteren Veröffentlichungen auch die Situation von Arbeiter:innen auf Fair Trade Farmen thematisiert. Im März hat WFP eine weitere Studie vorgelegt, in der 50 Frauen auf 18 von insgesamt 24 Fairtrade-zertifizierten Farmen nach ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen befragt wurden. Das Ergebnis wirft ein erschreckendes Bild auf den, von uns seit Jahren bemängelten, Umgang mit Fairtrade-Standards einerseits und deren objektiven Überprüfung andererseits. Genauso problematisch sind und bleiben Audits, die die Apartheidvergangenheit nicht genügend berücksichtigen. Die Researcherin Celeste Fortuin berichtet von der Angst vieler Frauen vor Repressionen, sollten sie ehrlich auf die ihnen gestellten Fragen antworten. Etwa 20 Prozent der Arbeiterinnen berichten, dass sie vor angekündigten Prüfungen durch die Fairtrade-Organisation Anweisungen darüber erhielten, was sie sagen sollen und was nicht. Viele hätten Angst, sich kritisch zu äußern. Auf Fortuins Nachfrage gaben 35 Prozent an, regelmäßig verbal oder physisch angegriffen zu werden und rassistischen Übergriffen ausgesetzt zu ein.
Die Studie zeigt, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen auf einigen der Farmen hinter den von Fairtrade International festgelegten Standards zurückbleiben. Ein Viertel der untersuchten Farmen hat nach wie vor schlechte oder sogar sehr schlechte Unterkünfte für die Arbeiter:innen. Gut 30 Prozent der Arbeiterinnen verdient außerdem weniger als den staatlich für den Agrarsektor festgelegten Mindestlohn, der sich derzeit auf rund 4000 Rand monatlich beläuft. Das sind umgerechnet etwa 200 Euro pro Monat. Laut Mervyn Abrahams von der Pietermaritzburg Economic Justice & Dignity Group braucht es jedoch mindestens 9000 Rand, um eine Familie zu ernähren. Immer noch haben 35 Prozent der befragten Arbeiterinnen keinen Zugang zu Toiletten und 11 Prozent keinen Zugang zu Trinkwasser in den Weinbergen, in denen sie den ganzen Tag arbeiten. Auch dieses Thema beschäftigt uns seit den ersten Studien und wurde bei den standardsetzenden Organisationen immer wieder angesprochen. Dass außerdem über die Hälfte der befragten Frauen angeben, in den Weinbergen oder zu Hause häufig ungeschützt Pestiziden ausgesetzt zu sein, ist ein Skandal.
Die Studie belegt trotz allem auch Aspekte der Fairtrade-zertifizierten Betriebe, in denen die Standards eingehalten werden. Die meisten der befragten Arbeiterinnen leben unter guten Bedingungen, alle Befragten hatten Zugang zu Strom. Mit einer Ausnahme konnten sowohl die Festangestellten als auch die Saisonarbeiterinnen schriftliche Verträge vorlegen.
Wenn sich etwas grundsätzlich verändern soll, muss mehr Druck ausgeübt werden – wenn so viele Mängel schon bei zertifizierten Farmen auftreten, wie sieht es dann erst bei denjenigen aus, die die überwiegende Mehrheit darstellen? Hier sind nicht nur die standardsetzenden Organisationen gefragt, sondern auch der südafrikanische Staat. WFP fordert etwa, dass das Arbeitsministerium häufiger unangekündigte Inspektionen auf Farmen durchführt und dabei auch Saisonarbeiter:innen miteinbezieht. Die jeweiligen Ergebnisse sollten für alle zugänglich sein und bei Verstößen gegen Arbeitsgesetze sollten Farm-Eigentümer:innen innerhalb von 30 Tagen für Abhilfe sorgen oder mit Strafen rechnen müssen.
Zu wirklich fairem Handel, der die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette ernst nimmt, ist es noch ein weiter Weg.