Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Frank Chikanes neue Aufgaben im Kampf gegen Korruption

Frank Chikane ist einer der führenden Persönlichkeiten der Anti-Apartheidbewegung in Südafrika und auch für die KASA kein Unbekannter. Unser ehemaliger Koordinator Theo Kneifel kennt Chikane aus seiner Zeit im Exil in London und nutzte diese Verbindung, um 2006 in Durban, auf Einladung des Diakonia Council of Churches, ein Streitgespräch zur Wirtschaftslage mit ihm zu führen.

Chikane war seit seiner Studentenzeit politisch aktiv und gehörte 1985 als Direktor des Institute for Contextual Theology zu den Initiatoren des Kairos Dokuments. Zwischen 1987 und 1994 war er als Nachfolger von Desmond Tutu Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats SACC. Wie so viele politisch Aktive und ANC-Mitglieder ging Chikane nach den Wahlen 1994 in die Politik. Mandela holte ihn als Berater ins Büro des damaligen Vizepräsidenten und späteren Präsidenten Thabo Mbeki. Auf Nachfrage von Theo Kneifel erläuterte Chikane in 2006: „Wenn Mandela fragt, sagt man nicht nein“. Für die sehr aktive Zivilgesellschaft, die sich nach Ende der politischen Apartheid neu aufstellen und eine neue Rolle als außerparlamentarische Opposition gegenüber ihrer eigenen Befreiungsbewegung finden musste, bedeutete es einen herben Verlust, dass viele Vordenker:innen und bekannte Aktivist:innen quasi die Seiten wechselten. Es bestand die Hoffnung, mit Mandelas Reconstruction and Development Plan RDP tatsächlich etwas ändern zu können für die bisher benachteiligten und unterdrücken Bevölkerungsschichten. Aus der Vision des Kairos Dokuments Wirklichkeit werden zu lassen, scheiterte dann aber schnell an der globalen geopolitischen Konstellation, am kapitalistischen System und an der Gier Einzelner.

Jetzt ist Chikane, nach einer kurzen Zeit in der Privatwirtschaft, in der er über seine kompromisslose Haltung zur Korruption gestolpert ist, wieder zurück in der Politik. Dies scheint ihn jetzt für seine neue Rolle als Vorsitzender der Integritäts-Kommission des ANC zu prädestinieren, die er seit Anfang des Jahres innehat. Nach der ANC-Konferenz, die alle fünf Jahre stattfindet, werden für gewöhnlich auch Kommissionen neu besetzt. Die Integritäts-Kommission wurde 2013 mit der Aufgabe eingerichtet, gegen ANC-Mitglieder zu ermitteln, die dem Ansehen der Partei durch Korruption oder unethisches Verhalten schaden. Sie muss nicht warten, dass die beschuldigten Mitglieder vor Gericht erscheinen, um eine Untersuchung einzuleiten. Allerdings müssen ihre Beschlüsse vom nationalen Exekutivausschuss NEC, dem höchsten Entscheidungsgremium der Partei zwischen den Parteitagen, genehmigt werden. Und dieser hielt sich in der Vergangenheit nicht unbedingt an die Empfehlungen der Ausschüsse, die dadurch zu zahnlosen Tigern degradiert wurden.

Im kommenden Jahr wird in Südafrika gewählt und neben der katastrophalen Situation bei der Stromversorgung - in Südafrika etwas euphemistisch Load Shedding genannt - wird Korruption eines der zentralen Themen der öffentlichen Debatte sein. Nicht zuletzt, weil viele der Zustände im Staat und deren Konsequenzen im Alltag für die Mehrheit der Bevölkerung ursächlich mit Korruption zusammenhängen. Das hat der Bericht der State-Capture Untersuchungskommission nur allzu deutlich gemacht.

Chikane selbst war 2019 als Zeuge vor die Zondo-Kommission, benannt nach dem Vorsitzenden Richter Raymond Zondo, geladen worden, um über die Machenschaften der Gupta Brüder und dem damaligen Präsidenten Zuma zu berichten. Richter Zondo fragte ihn, wie es sein könne, dass Menschen, die in der Anti-Apartheid-Bewegung eine so heldenhafte Rolle gespielt hätten, sich selbst in schwere Verbrechen und Korruption verstrickt haben und Dinge tun, die dem Dienst am Volk, dem sie zuvor so viel geopfert haben, so zuwiderlaufe. Chikane antwortete: "Nicht allen, die an diesem Kampf teilgenommen haben, ging es wirklich um Gerechtigkeit".

Als Vorsitzender der Integritäts-Kommission hat Chikane nun angekündigt, den Empfehlungen der Zondo-Kommission zu folgen, die 97 Personen an seine Kommission für weitere Anhörungen verwiesen hatte. Keiner davon, so Chikane, sei bisher erschienen – ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte. Das soll sich jetzt ändern. Eine schier unlösbare Aufgabe, da im ANC bisher selten Individuen zur Rechenschaft gezogen werden. Auch Ramaphosa versucht seit Jahren, die Strukturen verantwortlich zu machen und die Lösungen dort zu suchen, anstatt etwa bei korrupten Individuen Konsequenzen einzuleiten. Das ist eine Haltung, die auch bei den ANC-Mitgliedern zu beobachten ist. Sie sehen keinen Widerspruch darin etwa auf der ANC-Konferenz eine Resolution für Maßnahmen gegen Korruption zu verabschieden und gleichzeitig Personen in Führungspositionen zu wählen, denen korruptes Verhalten bereits nachgewiesen worden ist. Ramaphosa selbst hat mit Phala Phala einen bisher ungelösten Korruptionsskandal, der ganz offensichtlich dem Ansehen der Partei schadet. Phala Phala wurde im vergangenen Jahr bekannt, nachdem der ehemalige Spionagechef Arthur Fraser Strafanzeige gegen Präsident Ramaphosa erstattet hatte. Er behauptete, auf seiner Ramaphosas Farm seien Millionen von Dollar aufbewahrt und später im Jahr 2020 gestohlen worden, ohne dass dies zur Anzeige gebracht worden wäre. Ramaphosa bestreitet die Anschuldigungen nach wie vor vehement. Im vergangenen November kam ein Berichtsentwurf der damals von Mashamba geleiteten Integritätskommission zu dem Schluss, dass der Phala-Phala-Skandal die Partei in Verruf gebracht hatte. Der Fall wurde an die Ethikkommission weitergeleitet, die jedoch nicht feststellen konnte, ob Ramaphosa, die Mitarbeiter:innen der Farm oder ANC-Mitglieder zur Verantwortung gezogen werden sollten. So war der Weg frei für eine Wiederwahl Ramaphosas als Parteivorsitzender und damit als Präsidentschaftskandidat für 2024.

Bei seiner Antrittsrede als Vorsitzender der Integritäts-Kommission versicherte Chikane, dass er nicht bereit sei, sich von Kriminellen regieren zu lassen. Inwieweit dies nur ein Lippenbekenntnis ist, ganz im Stil der bisherigen Aufarbeitung der Zondo-Kommission, oder ob er es ernst meint (und die Mittel dazu hat) wird sich wohl in den nächsten Monaten zeigen. Immerhin gilt er selbst als integre Person in Südafrika.