Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Spaltet die EU die Gemeinschaft ostafrikanischer Länder EAC?

Zum Strategie-Meeting afrikanischer Zivilgesellschaftlicher Organisationen in Entebbe

Am 31 Juli 2023 fand in Entebbe, Uganda ein Strategie-Meeting  zum Thema “CSO Technical Meeting on the Kenya-EU Economic Partnership Agreement (EPA)” statt[1]. Es ging bei diesem Meeting darum, das Anfang Juli paraphierte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Kenia aus zivilgesellschaftlicher Perspektive zu analysieren und eine „roadmap“ für die Kampagne gegen dieses Abkommen zu entwickeln.

An diesem Strategietag sowie an der anschließenden Konferenz zur Panafrikanischen Freihandelszone[2] nahmen Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen aus folgenden Ländern teil: Ghana, Botswana, Malawi, Simbabwe, Burundi, Rwanda, Tansania, Kenia und Uganda, wobei die Teilnehmenden aus den beiden letzten Ländern deutlich überwogen. Darüber hinaus waren das EAC-Sekretariat mit einem Handelsexperten, das ugandische Ministerium mit zwei für die AfCFTA zuständigen Unterhändler:innen, das ugandische Ministerium für regionale Kooperation mit einer Beamtin und das East African Business Council (EABC) mit seinem exekutiven Direktor vertreten.

Kontextualisierung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPAs

Die Tagung über das Kenia-EPA begann mit einer Erinnerung an die Schlüsselmomente des Verhandlungsprozesses der EPAs in allen afrikanischen Regionen und mündete in einen Überblick des aktuellen Stands in allen EPA-Regionen. Ziel dieses ersten Teils war, diejenigen unter den Teilnehmenden abzuholen, die in den letzten Jahren kaum oder wenig mit den EPA-Verhandlungen zu tun hatten. Drauf aufbauend wurden zentrale Streitthemen und Herausforderungen analysiert, wobei die Verhandlungen der EU mit afrikanischen Ländern oder Regionen in den Kontext der Verhandlungen der EU mit anderen Weltregionen gestellt wurden, um zum einen herauszustellen, dass die EPAs Bestandteil einer auf Liberalisierung abzielenden globalen Strategie der EU sind und zum anderen, um zu evaluieren, inwiefern die Handelsabkommen der EU besonders mit den Ländern Zentral- und Mittelamerikas zu einer Erosion der Präferenzen führen, für deren Rettung sich afrikanische Länder und Regionen gezwungen sehen, mit den EPAs, ihren Handel gegenüber der EU zu liberalisieren. Hier konnte ich meine Erfahrungen mit den Dynamiken der EPA-Verhandlungen in Europa einbringen. Vertreter:innen aus Westafrika und dem Südlichen Afrika brachten ihre jeweiligen Erfahrungen ein. In diesem Zusammenhang wurde das Kenia-EU-Abkommen besonders unter die Lupe genommen In Arbeitsgruppen wurden sowohl für die nationale Ebene (Kenia), als auch für die regionale Ebene (EAC) Aktivitäten gegen das Kenia-Abkommen identifiziert. Außerdem wurde beschlossen, über die EAC hinaus Synergieeffekte im Widerstand gegen die EPAs mit anderen EPA-Regionen zu identifizieren und zu entfalten.

Fokus auf das Kenia-EPA und die Zukunft des Ostafrikanischen Zusammenschlusses

Die EU und Kenia gaben am 19. Juni 2023 den Abschluss ihrer Verhandlungen über ein EPAs bekannt, das weitgehend eine Fortschreibung des EPA zwischen der EU und der EAC, dessen Verhandlungen im Jahr 2016 zwar abgeschlossen, aber aufgrund der fehlenden Unterzeichnung und Ratifizierung durch Tansania, Uganda, Burundi und Südsudan nie in Kraft getreten ist. Die Staats- und Regierungschefs der Region hatten erkannt, dass Kenia als einziges Land mit mittlerem Einkommen in der Region eine andere Ausgangssituation gegenüber der EU als die anderen EAC-Mitglieder hatte. Deswegen hatten sie  Kenia erlaubt, das  Abkommen zu unterzeichnen, zu ratifizieren und umzusetzen.  Mit diesem Schritt erteilten die EAC-Staatschefs Kenia das Mandat, die Umsetzung des gemeinsam verhandelten EPA voranzutreiben, nur um dem Druck der EU zu entkommen und seinen präferentiellen Marktzugang zu bewahren. Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EAC beinhaltete kein Mandat für Verhandlungen über eine Erweiterung des EAC-EPA. Dies hat Kenia getan, indem das Land mit der EU als integralen Bestandteil des EAC-EPAs Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung ausgehandelt hat. Bei der Konferenz in Entebbe wurde dies als Bruch des EAC-Beschlusses interpretiert, und zwar nicht nur von Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, sondern von denen des EAC-Sekretariats und der ugandischen Regierung.

Die Kritikpunkte am EAC-Abkommen waren bereits vor diesem Schritt durch Kenia sehr zahlreich. Sie kulminierten in der Feststellung, dass das Abkommen der EU mit der EAC über die WTO-Verpflichtungen der EAC-Länder hinausgehe und dies zu einer dauerhaften und weitreichenden Behinderung der Industrialisierung und allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung führen würde. Mit dem einseitigen Schritt Kenias, ein zusätzliches Kapitel zu verhandeln, wurde nun ein Punkt erreicht, der die Zukunft der EAC als regionalen Zusammenschluss aufs Spiel setzt. Die Erwartungshaltung Kenias und der EU, dass sich andere EAC-Länder diesem Abkommen anschließen, wird in der Region als Provokation empfunden. Darüber hinaus, so wurde das auch in Entebbe, diskutiert, beinhaltet die Konzentration auf Konflikte auf regionaler Ebene die Gefahr, dass vergessen wird, dass das Abkommen für Kenia selbst Probleme mit sich bringt. Diese hängen mit dem Ausmaß der Liberalisierung zusammen, zu dem sich Kenia verpflichtet hat, die nicht ohne negative Auswirkungen für kenianische Produzent:innen bleiben wird. Kenia hat sich für manche Produkte zu Zollsätzen verpflichtet, die niedriger sind als der gemeinsame Außentarif der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC CET). Darüber hinaus hat die Regierung von Kenia die von der Verfassung etablierten Verfahren für internationale Verträge außer Acht gelassen. Daran wollen zivilgesellschaftliche Organisationen ansetzen.

Zivilgesellschaft bleibt dran

Die in Entebbe vertretenen Organisationen aus verschiedenen afrikanischen Regionen haben sich verpflichtet, die kenianische Zivilgesellschaft koordiniert durch Econews darin zu verstärken, alle notwendigen Schritte in Gang zu setzen, um die Umsetzung des EU-Kenia-EPA zu verhindern. Die Aktionen sollen sich auf drei Bereiche konzentrieren: Zunächst soll die Analyse des Abkommens vertieft werden, um draus die Argumente zu generieren, mit denen Mitglieder des kenianischen Parlaments überzeugt werden sollen, das Abkommen abzulehnen. Parallel dazu wollen kenianische NGOs wie Econews Basisgruppen wie Kleinbauern und -bäuerinnen, Kleinhändler:innen, Produzent:innen und Fischer:innengemeinschaften sensibilisieren und mobilisieren, Druck auf Parlamentar:innen für eine Nichtratifizierung auszuüben. Schließlich will Econews auch juristisch gegen das Abkommen vorgehen und auf nationaler Ebene die Nicht-Miteinbeziehung der Bezirke vor der Paraphierung überprüfen zu lassen und auf regionaler Ebene durch ein Gericht klären zu lassen, inwiefern die Auslegung des Grundsatzes der variablen Geometrie, auf dem Kenia seine unilateralen Verhandlungen mit der EU gründet, im Einklang mit den Beschlüssen der EAC ist. Durch dieses vielfältige Engagement erhoffen sich die an dieser startenden Kampagne beteiligten Organisationen eine Verhinderung der Umsetzung des EU-Kenia-EPA, um die EAC als Region retten zu können. Die in Entebbe vertretenen Organisationen warfen der EU vor, die Verletzung demokratischer Regeln, wie Kenia es im Umgang mit den Bezirken tut, in Kauf zu nehmen, solange es in ihrem Interesse ist.

[1] Die Tagung wurde organisiert von Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute (SEATINI/Uganda), Third Word Network (TWN-A, Ghana) und Enda Cacid (Centre Africain pour le Commerce, l´intégration et le development, Senegal

[2] Siehe dazu den Artikel „Panafrikanische Freihandelszone: Grundlage für einen strukturellen Wandel oder Afrikanische Welthandelsorganisation Plus (WTO)?