Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Simbabwe: Wer wird Präsident?

Böse Zungen meinen, Nelson Chamisa hätte seiner Partei Citizens Coalition for Change CCC die drei Großbuchstaben nur deshalb gegeben, um sich selbst besser in den Mittelpunkt zu stellen, etwa  Chamisa, Chamisa, Chamisa – oder Chamisa chete chete, was so viel bedeutet wie „der einzig wahre Chamisa“. Ob ihm das letztlich nützt, wird sich zeigen.

Timothy Kondo, der sich selbst lieber als Befreiungskämpfer denn als Veteran bezeichnet, ist ein Kenner der politischen Lage und ihrer wichtigsten Figuren in Simbabwe. Zunächst Mitglied der ZANU-PF, später als Gewerkschafter im Umfeld der Gründung der Bewegung für den demokratischen Wandel (Movement for Democratic Change MDC), schaut er lieber genau hinter die Kulissen und Machenschaften der Mächtigen und Einflussreichen , anstatt sich selbst daran zu beteiligen – und zu bereichern. Über die Jahre hinweg war er für die KASA eine wichtige Informationsquelle und vernetzte uns immer wieder mit relevanten Stellen. So war es auch dieses Mal wieder. Als er erfuhr, dass wir einen Abstecher nach Bulawayo machen würden, brachte er uns in Kontakt mit seinem alten Weggefährten Gideon Shoko, den wir als stellvertretenden Vorsitzenden des simbabwischen Gewerkschaftsverbandes ZCTU vor einigen Jahren für eine Veranstaltung in Bonn gewinnen konnten. Heute im Ruhestand, war er zwischenzeitlich Senator für die MDC-T und ist nun Teil der CCC in Bulawayo. Kondo bat uns, nachzufragen, ob die Partei von Chamisa überhaupt ein Wahlmanifest hätte und ob sie nicht vor der Wahl noch einen Parteikongress abhalten würde, den es seit Gründung noch nicht gegeben hätte. Chamisa hatte seine neue Partei erst im Januar 2022 gegründet, nachdem er die Auseinandersetzungen um den Parteinamen MDC-Alliance verloren hatte. Nach der Gründung der Partei wurden die meisten Abgeordneten der MDC Alliance, die Chamisa die Treue hielten, von Douglas Mwonzora, der die MDC Alliance übernahm, aus dem Parlament abberufen. Dies und der Tod einiger Abgeordneter führten am 26. März 2022 zu Nachwahlen, bei denen die CCC 19 und die ZANU-PF 9 von insgesamt 28 Sitzen gewann.

Erfahrungen aus Bulawayo

Wir hatten uns mit Shoko in der Innenstadt in einem kleinen Restaurant verabredet und er berichtete uns begeistert von der neuen Partei, von Chamisa, der schon allein durch die Tatsache, dass er eine junge Generation verkörpert, viel Zulauf hat. In Bulawayo sollte an diesem Samstag denn auch eine Veranstaltung stattfinden, die darauf abzielte, jungen Menschen die Registrierung in die Wähler:innenlisten schmackhaft und einfach zu machen. Auf die Nachfrage, ob es denn ein Parteiprogramm der CCC gäbe und ob wir es lesen könnten, antwortete Shoko, natürlich gäbe es eins, aber es würde erst veröffentlicht, wenn der offizielle Wahlkampf begonnen hätte, um zu verhindern, dass andere Parteien davon abschreiben würden. Offiziell ist nach wie vor der Wahltermin nicht bekannt gegeben, allerding ist laut Verfassung klar, dass spätestens Ende Juli gewählt werden muss. Und wenn die simbabwische Regierung etwas einhält, dann die Verfassungskonformität. Auf der Suche nach offiziellen Informationen über die Partei, landet man auf Twitter oder Facebook. Eine aktuelle Internetseite gibt es nicht. Es lässt sich also nicht feststellen, wie viele Mitglieder etwa die Partei hat, wie die internen Strukturen und Abläufe sind, wer wann wen gewählt hat oder wie das politische Profil der Partei überhaupt aussieht.

Und auch auf die zweite Frage von Kondo hatte Shoko eine Antwort: einen Parteikongress werde es erst nach den Wahlen geben. Das wäre so schon bei der Vorgängerpartei MDC Alliance ausgemacht gewesen, daher gäbe es keine Notwendigkeit, davon abzuweichen. Dass der potenziell zukünftige Präsident Simbabwes damit noch nicht mal von den Mitgliedern der eigenen,neuen Partei gewählt worden ist, wird in Kauf genommen. Auch, weil die Angst vor gewaltvollen Übergriffen bei einem solchen Kongress groß und nicht abschätzbar ist. Die regierende Partei verfügt über völlig andere Ressourcen als die Opposition und hat immer wieder gezeigt, dass sie auch nicht davor zurückschreckt paramilitärische Einheiten oder kriminelle Banden für politisch motivierte Gewalttaten anzustiften.

Die letzten Jahre haben aber auch gezeigt, dass Demokratie ein dehnbarer Begriff  - auch in den Reihen der Opposition - ist. 1999 war Chamisa Gründungsmitglied der MDC und wurde Vorsitzender der Jugendorganisation der Partei. Im Jahr 2003 wurde Nelson Chamisa im Alter von 25 Jahren zum jüngsten Parlamentsmitglied der MDC. Die Art und Weise, wie Chamisa dann die Macht in der MDC-Abspaltung ergatterte, war eher fragwürdig[1]. Darüber hinaus werden ihm immer wieder sexistische Äußerungen vorgeworfen. Nichts Ungewöhnliches in einem patriarchalen System, doch Chamisa wollte anders als die regierende Partei sein, jünger, dynamischer, zukunftsgerichteter.

„Wenn er anders sein will, sollte er in jeder Hinsicht anders sein. Und dazu gehört, dass er mit einem patriarchalischen politischen System bricht, das Männern einen Freifahrtschein dafür gibt, wie sie Frauen behandeln und über sie sprechen,“ schreibt die simbabwische Journalistin Mako Muzenda in der südafrikanischen Zeitung Mail&Guardian.

Ein Hoffnungsträger also? Anscheinend schon, denn einer im Januar durchgeführten Umfrage der Londoner Benthurst Foundation zufolge könnte Chamisa 53 Prozent der Stimmen erhalten, während Mnangagwa 40 Prozent bekäme. Gleichzeitig gehen aber 47 Prozent der Befragten davon aus, dass die Wahlen weder fair noch frei sein werden.

Auch das zeichnete sich bereits bei unserem Besuch in Bulawayo ab. Nachdem wir uns von Shoko verabschiedet hatten, wollte er weiter zu der besagten Registrierungsparty. Kurz darauf erhielten wir eine WhatsApp Nachricht von ihm, dass die Polizei die Veranstaltung abgesagt hätte, weil der Veranstalter, eine NGO aus dem Bereich Wahlschulung, der Oppositionspartei CCCD nahestehen würde.

Der Wahlkampf hat faktisch schon begonnen

Sämtliche Veranstaltungen von Oppositionsparteien, vor allem, wenn sie in den bisherigen Hochburgen der ZANU-PF stattfinden wollen, laufen Gefahr, entweder direkt verboten, verhindert oder gewaltvoll aufgelöst zu werden. Alle vier Jahre dasselbe Spiel. Alle wissen es, auch die potentiellen Wahlbeobachtungsdelegationen aus der SADC, der EU oder AU. Ein Grund, warum die EU ihre Wahlbeobachtung immer wieder hinterfragt. Doch auch die im Land befindlichen europäischen Diplomat:innen sind davon überzeugt, dass eine Wahlbeobachtung trotzdem oder gerade wegen der derzeitigen Situation unbedingt erforderlich sei. Auch wenn sich die anschließenden Empfehlungen und Aufforderungen – wie etwa eine Wahlreform, eine Überarbeitung des Wähler:innenverzeichnises oder eine gerechte Aufteilung von Sendezeit in staatlichen Medien wie Fernsehen, Radio und offizielle Zeitungen für die Parteien – wiederholen, sei es doch sowohl für die Zivilgesellschaft, die Wähler:innen und auch die Opposition von großer Bedeutung, dass international bekannt ist, wie die Regierung des Landes zustande kam. So hat die EU am 23. Februar offiziell die Absicht des simbabwischen Präsidenten begrüßt, sie als Wahlbeobachtung für die Wahlen Mitte 2023 einzuladen, sobald die verfassungsrechtlichen Verfahren abgeschlossen seien.

Eine Anekdote am Rande, die zeigt, dass die ZANU-PF schon kräftig Wahlkampf betreibt: Auf einem großen Parkplatz vor dem Rathaus in Bulawayo parken des Öfteren auch Schulbusse, wenn die jeweilige Schule einen Ausflug in die Stadt unternimmt. So auch an dem Samstag, als wir dort auf unser Taxi warteten. In der Frontscheibe des Busses prangte ein Wahlplakat der Regierungspartei ZANU PF mit dem Konterfei des Präsidentschaftskandidaten und derzeitigen Präsidenten E.D. Mnangagwa.