Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Afrika neu denken. Afrika-Diskurs VII: Komplizierte Beziehungen – Afrika und Europa 25 Jahre nach Ende der politischen Apartheid

„Komplizierte Beziehungen – Afrika und Europa 25 Jahre nach Ende der politischen Apartheid“ war der diesjährige Titel der siebten Konferenz „Afrika neu denken“. In diesem Jahr waren mit Medico International  und der Professur für Politikwissenschaft und Politische Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main zwei neue Kooperationspartner mit an Bord. Außerdem hatte die Konferenz zum ersten Mal einen Länderbezug. Südafrika feierte 2019 das 25-jährige Jubiläum seiner ersten demokratischen Wahlen. Der Länderfokus passte zu den bisherigen panafrikanischen Themen besonders gut, weil sich in Südafrika viele postkoloniale Kämpfe verdichten, die für die Beziehungen zwischen Afrika und den ehemaligen Kolonialmächten relevant sind. Diese Kämpfe konnten mit den Beiträgen der südafrikanischen und deutschen Wissenschaftler:innen und AktivistIinnen verdeutlicht werden. Die Themen, die die Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika im Blick auf Südafrika bearbeitet, standen im Zentrum dieser Konferenz: Umgang mit den Erblasten des Kolonialismus und der Apartheid, vor allem aus der Perspektive der Opfer, Landfrage sowie Wirtschaftsbeziehungen mit Europa. Die Konferenz zeigte die Kontinuitäten zwischen Kolonialismus/Apartheid und Gegenwart, aber sie stellte auch aktuelle Bewegungen in den Vordergrund, die Diskurse entwickeln, welche für eine Reflexion über die Europa-Afrika-Beziehungen im deutschen Kontext relevant sind.

Einladungstext zur Konferenz

In Südafrika verdichten sich viele postkoloniale Kämpfe, die für die Beziehungen zwischen Afrika und den ehemaligen Kolonialmächten nach wie vor relevant sind. 2019 jähren sich in diesem Land die ersten demokratischen Wahlen zum 25. Mal. Das Engagement gegen rassistische Strukturen sowie für soziale Gleichstellung und die Verwirklichung von Menschenrechten haben viele lokale, nationale und transnationale Bewegungen vereint. Die Post-Apartheid-Erfahrung von fortgesetzter extremer Ungleichheit und die immer wieder neue Verteidigung von Demokratie und Verfassung haben in Südafrika scharfe Analysen und lebendige Diskurse hervorgebracht, deren Einsichten in koloniale Kontinuitäten und strukturelle Verflechtungen von Rassismus und globaler Ökonomie weit über Südafrika hinausweisen.

Diese Einsichten sind auch für die Kämpfe in Europa gegen den neu erstarkenden Rassismus und Rechtsnationalismus relevant. Denn die Suche nach neuen Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens in der Post-Apartheid-Ära steht modellhaft für eine postkoloniale Perspektive, die darauf drängt, koloniale und rassistische Strukturen und Logiken zu durchbrechen, ohne einfach nur Gesichter und Rhetorik auszutauschen. Umgekehrt wird die Apartheidlogik von ethnisch homogenen Siedlungsgebieten und der sogenannten weißen „Herrenrasse“ wieder zum Kristallisationspunkt für viele global agierende rechtsnationale und rechtsextreme Netzwerke und Bewegungen.

Afrika hat eine lange Geschichte der Beteiligung an politischen Auseinandersetzungen in Europa: So waren Unabhängigkeitsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent von ihren Begegnungen mit den Kämpfen gegen den Faschismus in Europa geprägt. Umgekehrt waren europäische Emanzipationskämpfe der 60er und 70er Jahre von den Ideen afrikanischer Befreiungsbewegungen beeinflusst. In Südafrika gilt das besonders, da die Apartheid zwar nach, aber im Umfeld des Faschismus entstanden ist und die Anti-Apartheidkämpfe eng mit antirassistischen Bewegungen in Europa und den USA verbunden waren.

Im Mai 2019 veröffentlichte bisher unbekannte, als geheim und vertraulich eingestufte Dokumente belegen eine systematische Instrumentalisierung deutscher Politiker*innen und Journalist*innen durch das damalige Apartheid-Regime in Pretoria. Mittels dieser Propagandastrategie versuchte das Regime, „die weiße Vorherrschaft auf Dauer“ zu sichern. Eine 2018 im Rahmen einer Bundestagsanfrage diskutierte Frage war die „Enteignung und Verfolgung der Buren in Südafrika“, die u.a. nach dem Schutz von Weißen in Südafrika fragte und „hautfarbenbezogene Landenteignungen“ in Regierungsgesprächen thematisierte. Gleichzeitig ist belegt, dass Bundestagsabgeordnete an paramilitärischen Übungen von rechtsnationalen/ -extremen weißen Gruppierungen – wie etwa „der „Suidlanders“ in Südafrika teilnehmen, die sich laut Angaben ihres Sprechers für einen „Rassenkrieg gegen die schwarze Bevölkerungsmehrheit rüstet“.

Vor diesem Hintergrund widmet sich „Afrika neu denken“ in diesem Jahr den aktuellen Dialogen zwischen Südafrika und Deutschland sowie postkolonialen Analysen und Perspektiven aus Südafrika, die Zusammenhänge zwischen europäischen und afrikanischen Entwicklungen deutlich machen. Gleichzeitig suchen sie nach neuen und kreativen Wegen, wie Post-Apartheid als globale Perspektive verstanden werden kann, sich gegen Formen strukturellen Rassismus zu engagieren und sich auf Basis von Demokratie und Verfassung gegenüber neuen Formen rechtsnationaler Netzwerke, Bewegungen und Politiken zu positionieren. 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid öffnen die südafrikanischen Erfahrungen und Diskurse neue Perspektiven und Fragen auch für die Europa-Afrika-Beziehungen in Deutschland.