Zum fünften Mal wurde am 29. und 30. September in Frankfurt am Main die Konferenz „Afrika neu denken“ durchgeführt. Austragungsort war die neu gebaute Evangelische Akademie im Zentrum von Frankfurt. KASA ist von Anfang an maßgeblich an der Konzeption und Durchführung dieser Konferenzreihe beteiligt. 2017 stand sie unter der Überschrift: „Afrika im Zentrum? Die neue Entdeckung Afrikas“. Die Auswahl des Themas in 2017 ist dem Interesse für Afrika im Jahr der deutschen G-20 Präsidentschaft geschuldet. Die Tatsache, dass verschiedene Ministerien der Bundesregierung und die EU jeweils einen eigenen Afrika-Plan entwarfen, erinnerte an die Zeit der großen Entdeckungen. Das ist als hätte man Afrika gerade entdeckt, wobei diese Entdeckung bedeutet, Licht bringen, zur Existenz rufen, Zivilisation herbeiführen. Der ersten Entdeckung folgte die Teilung von Afrika, auf die neue Entdeckung soll der Zugriff der Privatwirtschaft folgen. Alle meinen es nur gut, alle wollen nur Afrika helfen. So sollen im Rahmen der neuen Entdeckung afrikanische Länder als Anlagemöglichkeiten für das Kapital genutzt werden, das in Europa kaum Zinsen noch bringt. „Afrika neu denken“ als Ort der kritischen Diskurse machte sich zur Aufgabe die Motivationen und Instrumente der Afrika-Initiativen zu analysieren und deren Tauglichkeit angesichts der tatsächlichen Interessen der verschiedenen Interessengruppen in Afrika herauszustellen. Darüber hinaus setzte sich „Afrika neu denken“ mit Initiativen, die in Afrika selbst angestoßen wurden und die, im Gegensatz zu den ausländischen Initiativen aus genuin afrikanischen Interessen entstanden sind. Diese Konferenz zeigte die Potentiale, die es auf den Kontinent in verschiedenen Bereichen gibt. Sie zeigte auch konkrete Beispiele, wo Menschen, die in der Landwirtschaft, in Informationstechnologien, im Energiesektor und in der verarbeitenden Industrie versuchen, diese Potentiale zu nutzen. Die Konferenz zeigte, worauf es ankommt, um lokale Ideen und Initiativen voranzutreiben: konsequente Unterstützung sowohl, was lokale Zugänge zu Finanzierungsmöglichkeiten eingeht als auch die Schaffung von Rahmenbedingungen, unter denen lokale Initiativen gedeihen können. Vor diesem Hintergrund wurde ein kritischer Blick auf alle externen Initiativen (Marshall Plan, Compact for Afrika, Pro Afrika! European External Plan), die unter dem vor Vorwand der Schaffung besserer Investitionsbedingungen für die Eindämmung von Flucht und Migration, eine neue Ausrichtung afrikanischer Ökonomien auf ausländische Nutznießer in Gang setzen wollen.
Besondere Vorkommnisse
Mit mehr 220 BesucherInnen war Afrika neu denken 2017 die erfolgreichste der bisherigen Konferenzen. Es ist gelungen, Menschen aus verschiedenen Spektren der Gesellschaft (Solidaritätsgruppen, AkademikerInnen, Hauptamtliche aus Entwicklungsorganisationen) und aus verschiedenen Regionen der Republik (von Bayern bis Brandenburg) zu mobilisieren. Besonders anzumerken für Afrika neu denken 5 war die Mobilisierung der Jugend aus migrantisch-diasporischen Milieus. Zwei Strategien wurden dafür in Gang gesetzt: zunächst wurden zwei StundentInnen ins Vorbereitungsteam der Konferenz aufgenommen, welche jeweils mit der Konzipierung und Durchführung eines Workshops beauftragt wurden. Für ihre jeweiligen Workshops mobilisierten diese beiden mehr Studierenden als sie an ReferentInnen brauchten. So trugen sie maßgeblich dazu bei, die Zahl von Studierenden bei der Konferenz und somit den Anteil von jungen Menschen deutlich zu erhöhen. Darüber hinaus wurden auch Jugendliche über die Anbindung von Geflüchteten mobilisiert. Auch hier funktionierte die Einbeziehung eines Vertreters der anvisierten Zielgruppe in die Durchführung der Veranstaltung. Dadurch, dass auf dem Programm ein Workshop zum Machtwechsel in Gambia stand, der von einem Geflüchteten aus Gambia (Kalilu Fadiga), durchgeführt wurde, kamen nicht nur andere Geflüchtete, die sich an einer Diskussion beteiligen wollten, die die eigene Situation in den Mittelpunkt stellte, sondern auch viele Solidaritätsgruppen, die sich für Geflüchtete engagieren. Da in diesen Gruppen gewöhnlich viele junge Menschen engagiert sind, trug dies auch zur Mobilisierung junger Menschen für die Konferenz bei.
Auch zu unterstreichen für „Afrika neu denken 2017“ ist die Tatsache, dass es seit Beginn dieser Veranstaltungsreihe zum ersten Mal gelungen ist, drei ReferentInnen dabei zu haben, die direkt aus dem Kontinent kamen: mit Nomarussia Bonase (Khulumani Support Group, Südafrika), Victor Nzuzi (Kleinbauernverband, DR Kongo) , Saliou Sarr (Filmemacher und Dozent, Senegal). Hinzu kam Aziz Salmone Fall, der ursprünglich aus dem Senegal kommt und in Kanada aktiv ist. Er sprang ein als Ersatz für Prof. Felwine Sarr, ebenfalls aus dem Senegal, der aus verwaltungstechnischen Gründen nicht reisen konnte. Solch eine Miteinbeziehung von Akteuren, die noch auf dem Kontinent aktiv sind, konnte in den vergangenen Jahren aufgrund begrenzter finanzieller Mittel der Konferenz nicht erfolgen. Auch 2017 konnte eine solche Beteiligung nur erfolgen, weil Kooperationen eingegangen wurden u.a. mit der Heinrich Böll Stiftung und mit dem Kongress „Selbstbestimmt und solidarisch“, welcher eine Woche nach „Afrika neu denken“ in Leipzig stattfand. Die Beteiligung dieser Akteure hat maßgeblich dazu beigetragen, die Qualität der Beiträge auf der Konferenz zu erhöhen. Die hier erwähnten Gäste konnten in allen Phasen der Veranstaltung wertvolle und auf konkreten Erfahrungen basierende Beiträge einbringen.
Fazit und Ausblick
Die Konferenz „Afrika neu denken“ hat sich in der entwicklungspolitischen Landschaft Hessens und Deutschlands mittlerweile etabliert. Einmalig ist sie nicht nur durch die dezidierten postkolonialen Analysen, die sie als Querschnittsperspektive für die Behandlung aller Themen gesetzt hat, sondern auch durch ihre bewusste Option, bevorzugt AkteurInnen aus der afrikanischen Diaspora zu Wort kommen zu lassen und ihren Perspektiven zu Afrika-Themen, die oft ignoriert werden, Gehör zu verschaffen.
2018 will „Afrika neu denken“ den Kontinent als „Wissensgesellschaft“ vorstellen. Es wird u.a. darum gehen, die Rolle von Innovationen für gesellschaftliche Transformationsprozesse zu thematisieren, exemplarisch einige der sozialen und technologischen Innovationen aus verschiedenen afrikanischen Ländern aufzuzeigen und dadurch der Annahme entgegen, dass Afrika ein wissens- und innovationsloser Kontinent sei, zu der die gängigen Afrika-Bilder in der hiesigen Öffentlichkeit beitragen.
Einladungstext
Afrika ist in aller Munde: Politische Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und Bundesministerien rivalisieren um Konzepte und Rezepte. Besonders erwähnenswert sind hier „Compact with Africa“ des BMF und der „Marshallplan mit Afrika“ des BMZ: Beide Initiativen sind mit der deutschen G20-Präsidentschaft verknüpft. Obwohl mit Südafrika nur ein afrikanisches Land Mitglied der G20 ist, machte die Bundesregierung „Verantwortung für Afrika“ zum Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft bis Ende 2017. Auch die Bundeswehr entdeckt Afrika neu: Mali wurde zum größten Einsatzort aufgewertet. Warum dieses neue Wettrennen um Afrika? Alle diese Initiativen haben angeblich eines gemeinsam: Es geht um Frieden und Wohlstand für Afrikanerinnen und Afrikaner.
Doch mit der Ausweitung dieser „Initiativen für Afrika“ mehren sich Zweifel an den offiziell formulierten Zielen: Viele BeobachterInnen erkennen in der neuen Entdeckung Afrikas vor allem geostrategische Ziele – vor allem die Durchsetzung der Abschottungspolitik der EU und ein breiterer Zugang deutscher Unternehmen zu den afrikanischen Ökonomien.
Für die Konferenz Afrika neu denken ist der Blick interessant, der in den genannten Interventionen erkennbar wird: Ist es schon wieder ein (der?) kolonialer Blick, der Afrika homogenisiert und in dem so erzeugten künstlichen Konstrukt nur Defizite sieht – für deren Lösung Deutschland und die EU dann ihre Kompetenzen zur Verfügung stellen?
So ein „Afrika“ wird zum Objekt von Konzepten, die von anderen entwickelt werden und bei denen einige ausgewählte afrikanische Subjekte nur für die Kommentierung- und Umsetzungsphasen gebraucht werden. Sind solche Konzepte geeignet, Frieden, Stabilität und Wohlstand zu bringen? Zweifel sind angebracht – und dies jetzt seit mehr als 50 Jahren.
Die 5. Konferenz Afrika neu denken nimmt eine andere Perspektive ein: Wir schauen auf die Vielfalt der unterschiedlichen afrikanischen Kontexte, die Lebendigkeit ihrer Subjekte und ihre Potentiale. Ihre Initiativen stoßen Veränderungen an, die lokalen Notwendigkeiten und nicht den Interessen ausländischer Strategen entsprechen. Für eine Zukunft in gerechtem Frieden in diesen jeweiligen afrikanischen Kontexten wird es darauf ankommen, diese Subjekte und deren Reallabore über die Gestaltung von Politik, Ökonomie, Kultur und den Schutz der Mitwelt zu stärken.
Aus dieser Perspektive ergeben sich zwei Hauptgebote für Akteure aller Couleurs, die es mit „Afrika“ nur gut meinen: sich so zurückzuhalten, dass die Zukunft in den Händen der direkt betroffenen Subjekte bleibt, und alle militärischen, politischen und ökonomischen Interventionen stoppen, die von hier aus in vielen afrikanischen Kontexten Zerstörung bringen. Anders ausgedrückt: Was die meisten Menschen in afrikanischen Ländern brauchen, ist nicht mehr Hilfe, sondern weniger Diebstahl und Zerstörung und vor allem Räume, in denen sie ihre Kreativität zur Nutzung ihrer vielfältigen Potentiale entfalten können.
Boniface Mabanza Bambu
Woher kommen wir und wo wollen wir hin?
Ende September 2017 findet die Konferenz Afrika neu denken zum fünften Mal statt. Die diesjährige Konferenz stellt die Frage: „Ist Afrika im Zentrum“? „Afrika im Zentrum“ ist auch der Name der Homepage, die wir seit der ersten Konferenz 2013 eingerichtet haben. Damit schließt sich ein Kreis. Wenn wir in diesem Jahr diese Frage nach Afrikas Platz in den Diskursen und politischen Strategien verschiedenster Akteure in Deutschland stellen, dann reagieren wir auf die Entwicklung, die sich im Zusammenhang mit der deutschen G20-Präsidentschaft gezeigt hat. | Weiterlesen (PDF)
Afrika neu denken und die UN Working Group
Vom 20. bis 27. Februar 2017 war eine Arbeitsgruppe von Sachverständigen der Vereinten Nationen zu Menschen afrikanischer Abstammung (Working Group of Experts on People of African Descent WGEPAD) – die als Folge der „Weltkonferenz gegen Rassismus“ 2001 in Durban entstanden ist – zu Gast in Deutschland, um zum ersten Mal die Lage der Menschen afrikanischer Abstammung zu untersuchen. | Weiterlesen (PDF)
Kooperationspartner und Förderer
Förderer
- Bistum Limburg
- Katholischer Fonds – Kooperation eine Welt
- Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst (aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes)
- Bundeszentrale für politische Bildung
- African Good Governance Network
- Evangelische Akademien in Deutschland
- Evangelische Kirche in Hessen und Nassau